Embedded Finance ist nicht so wichtig wie ihr denkt

Alle sprechen von Embedded Finance, dabei ist der Markt bisher winzig, und das ganze Thema, pardon my french: over-fucking-hyped.

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Liebe Leserinnen und Leser, einige Tage Auszeit tun dem geschundenen Körper und Geiste so gut. Eigentlich möchte man niemals damit aufhören. Deshalb vorneweg erst einmal eine kleine Entschuldigung, dass die Nörgelei im vergangenen Monat aufgrund meines Urlaubs ausfallen musste. Nun bin ich aber wieder da! Und wat soll ich sagen? Der Kaffee ist offen, der Puls auf 180. Wäre ich schon etwas älter, würde ich mit Stock und in Wollpulli gehüllt an meinem Erdgeschossfenster stehen und die Kids auf der Straße anbrüllen, dass sie sich mal wieder einkriegen sollten.

Aber da bis zur Rente leider noch ein paar Jahre vergehen, mecker ich lieber über die Finanzbranche. Sie bietet immerhin reichlich Futter. Das Thema dieser Woche trage ich schon länger mit mir herum, und nach dem offenbar verrückten Downgrade von Klarna (von 46 auf 6 Milliarden US-Dollar, uff), haben wir uns gedacht, wäre das doch der perfekte Zeitpunkt, um mal über Embedded Finance zu sprechen. Meine Meinung vorneweg: Komplett überhyped, kaum sinnvoll, nur konsumfördernd und schädlich für Verbraucher. Selbstverständlich spreche ich hier vom B2C-Markt, nicht von der B2B-Seite, über die ich vielleicht an anderer Stelle einmal nörgeln mag. Wenn ihr nun PR-Manager eines Fintechs seid, ist das der Moment, in dem ihr einen genervten Post bei Linkedin schreiben dürft, warum ich mal wieder Unrecht habe und das eigene Produkt doch voll toll wäre. Für alle anderen Interessierten geht es noch ein wenig weiter.

Embedded Finance: Was soll das eigentlich sein?

Fangen wir vorn an: Embedded Finance, was ist das eigentlich? Per eingedeutschter Definition sind das eingebettete Finanzen. Das heißt, statt den Kredit für den viel zu teuren (aber leider geilen) Dyson-Ventilator bei der Bank  aufzunehmen, mache ich das direkt beim Verkäufer. Eingebettet eben. Nun gibt es dafür viele Beispiele. Auch Buy-now-Pay-Later (BNPL) von Firmen wie Klarna ist sicherlich ein Teil davon und ein paar weitere Beispiele hat Miriam Wohlfahrt auf dieser Webseite bereits zusammengetragen: Fernseh-Kredit bei Amazon, Girokonto bei DM und Vollkasko bei BMW, wobei man natürlich streiten kann, ob Assurance auch Finance ist oder hier nur Bankprodukte gelten. Ich jedenfalls sehe Finance als Oberbegriff für Assurance und Banking. Aber zurück zu den drei Beispielen, an denen sich zeigt, warum ich Embedded Finance zum einen für oft unnötig und zum anderen für sogar gefährlich halte, wenn ich mir mal die Verbraucherbrille aufziehe.

Für meine Brötchen braucht es keinen Kredit

Fangen wir mal mit unsinnig an, bevor wir uns zu gefährlich vortasten. Ein Bäcker muss mir keinen Mikrokredit für meine Brötchen oder Donuts anbieten (Ok, noch nicht, warten wir mit der Inflation mal ab) und auch brauche ich kein Girokonto bei einem Drogeriemarkt. Vielleicht bin ich im Herzen nur ein alter grantiger Mann, aber ich möchte mein Girokonto nicht bei einer Drogeriemarktkette haben.

Ich möchte es auch nicht bei Amazon, bei meinem Möbelhändler oder meinem Optiker. Und sollte mich jemals mein Metzger fragen, ob ich nicht bei ihm eine Baufinanzierung abschließen will, werde ich noch zum Vegetarier (ok, vielleicht auch früher). Mein Punkt ist: Die ganzen Studien, die einen gigaaaantischen Markt in Embedded Finance sehen, glauben, dass die Leute bereitwillig alles abschließen. Hauptsache ist, es wird angeboten. Ich glaube, das ist nicht so.

six assorted-flavor doughnuts

Embedded Finance: Schränkt die Auswahl ein

Nun gibt es natürlich auch weniger absurde Fälle. Dann etwa, wenn ein Autohersteller mir eine Vollkasko-Versicherung anbietet oder mich ein Online-Händler meinen gewährten Kredit in Raten bezahlen lässt. Hier sehe ich aber aus Verbraucherperspektive allerdings zwei große Probleme, die mich selbst auch immer davon abhalten würden, so etwas zu nutzen. Nummer Eins: Wenn mir direkt vor Ort ein Vertrag angeboten wird, werde ich skeptisch, spätestens seit man Online alles vergleichen kann. Ist das wirklich das beste Angebot? Gibt es das nicht in günstiger? Was würde mein Versicherungsfreund sagen, den jeder in seinem Umfeld haben sollte? Embedded Finance kann an der Stelle also sehr komfortabel sein, aber die Auswahl einschränken. Am ehesten vergleichen lässt sich das vermutlich mit In-Car-Einkäufen oder Voice-Einkäufen: Wenn ich Amazon sage, ich will Klopapier, wird Amazon eins aussuchen, nicht ich. Ein ähnliches Gefühl habe ich bei Embedded Finance: Komfort über Auswahl und Transparenz.

Embedded Finance: Treibt Menschen in die Schuldenfalle

Der zweite Punkt zielt in eine ähnliche Richtung: Embedded Finance bringt einen hohen Komfort, aber es verführt auch zum unnötigen Konsum. Offensichtlich wird das bei BNPL, das ja ausschließlich ein Instrument ist, um mehr Konsum zu ermöglichen – obwohl die Menschen es sich eigentlich nicht leisten könnten. Große Firmen werben so oder so ähnlich sogar auch auf ihrer Webseite. Gerade für eine unerfahrene Zielgruppe kann das schnell in die Schuldenfalle führen. Bei Krediten zeichnet sich ein ähnliches Bild: Brauche ich die zusätzlich verkaufte Geräteversicherung von Amazon wirklich? Wenn ich länger darüber nachdenke und dann auch noch die ganzen Einschränkungen in den AGB lese, dann wird schnell klar: eigentlich nicht. Generell neigt der Mensch ja, zu viele Versicherungen abzuschließen, Embedded Finance könnte das zusätzlich auf die Spitze treiben.

Finger weg, ihr Hypejäger!

Kommen wir also zum Fazit: Der Hype im Endkundengeschäft um Embedded Finance ist überzogen. Zum einen werden Menschen nicht wie blöd alle wirren Verträge abschließen, nur weil sie jetzt bei DM an der Kasse liegen. Zum anderen wird, so meine Vermutung, die Politik früher oder später die Gefahr darin erkennen und das ganze so hart regulieren, dass das Wort Embedded Finance zum verbotenen Wort wird. Bis dahin, viel Spaß mit eurem kleinen Baby und ruft mich an, wenn es nicht mehr läuft.

Mfg, euer Nils

Headerbild, iStock, Bildnachweis:Fokusiert

Autor

  • Nils Wischmeyer ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Wirtschaftswoche und die brandeins. An der Finanzbranche findet er (fast) immer was zum Nörgeln.

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