Ein Erlebnisbericht der ersten Woche mit dem neuen Wohnzimmer Assistenten von Google.
Nachdem wir den Google Assistenten auf dem Google Pixel erleben konnten, haben wir nun die erste Woche mit Google Home schadlos überstanden.
Das Gerät
Das Erste was an dem Gerät auffällt ist seine Größe. Wie auf dem Bild zu erkennen, ist das Google Home der “kleine” Bruder vom Amazon Echo. Aber wie sonst auch im Leben kommt es ja auf die inneren Werte an.
Die Sprachsteuerung erfolgt über das weithin kritisierte und die immer noch komplett sinnfreie Aktivierung (auch wake word genannt) “Ok, Google”. Als Alternative kann man auch “Hey Google” nutzen, was man als Pixel Eigentümer auch gerne nutzt damit das Telefon sich nicht auch gleich angesprochen fühlt. Ähnlich wie Amazon mit dem ESP (Echo Spatial Perception – nur das Gerät was dem Nutzer am “nächsten” ist soll antworten) hat auch Google zwar dafür gesorgt, dass immer nur ein Gerät antwortet, allerdings ist dies mäßig intelligent implementiert worden (siehe unten). Ich kann nicht oft genug betonen wie bescheuert man sich dabei fühlt den Namen einer Marke sagen zu müssen, statt die digitale Assistentin mit ihrem “menschlichen” Namen anzusprechen.
Das Gerät an sich ist wirklich sehr gut gelungen und sieht sehr ansprechend aus (kein großer, böser, schwarzer Zylinder wie das Amazon Echo). Mit der Größe und der Form ergeben sich aber auch ein paar Probleme. Wenn man den Google Assistant per wake word “weckt” zeigt das Google Home lustige, animierte, bunte Kreise (in Google Farben) auf der schrägen Oberfläche an. Das ist ganz witzig wenn man vor dem Gerät steht, ist aber deutlich schlechter als der blaue Ring der Amazon Geräte, der weithin sichtbar ist. Damit erkennt der Nutzer leider nicht ob das Gerät was tut oder sich wieder schlafen gelegt hat. Als Abhilfe kann man das Gerät so konfigurieren, dass es den Anfang und das Ende von Befehlen mit einem Ton quittiert (immerhin).
Ein weiterer Nachteil beim Google Home ist die Auswahl der Mikrofone. Im Gegensatz zu Amazon’s Echo mit seinen 8 Mikrofonen begnügt sich das Google Home mit nur 2. Wie gut das Google Home ansprechbar ist, ist damit sehr umgebungsabhängig (normale Decken und leisere Umgebung ok – bei hohen Decken und lauter Musik eher weniger). Dieser ernüchternde Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass Google Home sich aufgrund des – nochmal – bescheuerten wake words öfter angesprochen fühlt als gewollt. Hier scheint Amazon mit Alexa ein deutlich besser erkennbares Sprachmuster gewählt zu haben, was sich einfacher erkennen läßt.
Der Baugröße ist natürlich auch geschuldet, dass man mit dem Google Home im Gegensatz zum Amazon Echo nicht die gleiche “Beschallung” erwarten kann. Während man mit einem Echo seine Nachbarn bei einem normal großen Wohnzimmer auch ärgern kann, gelingt das mit dem Google Home weniger gut.
Google Assistant
Genug über die Unterschiede in der Hardware nun zum eigentlich wichtigen dem Google Assistant auf dem Google Home. Die Kurzfassung – ziemlich genial für eine 1.0 – nun zur Langfassung.
Der Google Assistant entfaltet seine Stärke (wie auch auf dem Pixel) mit dem Fallback auf die Google Suche. Damit erhöht sich auch die Anzahl der Antworten die Google Home geben kann. Dies ist aber nicht immer nur ein Vorteil. Manchmal ist der Fallback etwas frustrierend wenn das Gerät einem mit Murks antwortet.
Ebenfalls erstaunlich ist wie gut das Gerät Anfragen versteht. Der Assistent versteht auch suboptimal formulierte Anfragen und fördert eine gute Antwort zu Tage. ABER – wenn man den “Fehler” begeht und ein Google Pixel und ein Google Home besitzt, birgt der Google Assistant auf dem Google Home momentan einiges an Frustpotenzial. Offensichtlich hat jemand vergessen dafür zu sorgen, dass der Assistent gleich “schlau” ist auf beiden Geräten.
Beispiel:
Ich kann den Google Assistant auf dem Pixel nach dem Flugstatus eines Fluges befragen, der gleiche Assistent auf dem Google Home kann das nicht.
Der Pixel Assistent weiss die Öffnungszeiten der Apotheke um die Ecke, das Google Home nicht.
GRRRR. Dieser Frust wird noch dadurch erhöht, dass während das bisher alle Anfragen per “Ok, Google” an das Google Home geleitet werden und das Pixel nur anzeigt “Ein anderes Gerät antwortet”. Schlauer wäre gewesen, entweder das nächstgelegene Gerät antworten zu lassen oder das “schlauere”.
Eine weitere Schwäche von Google Home ist die Sprachausgabe in Verbindung mit Suchergebnissen. Die meisten integrierten Dienste haben eine optimierte Sprachausgabe die sich ’natürlich‘ anhört. Bei Suchergebnissen allerdings hört sich der Google Assistant manchmal an als ob er auf der Flucht wäre. Die Anfrage nach einem Cookie Rezept schießt in einer irrsinnigen Geschwindigkeiten aus dem Gerät und man merkt erst nach 2-3 Sekunden, dass einem hier die Anweisungen vorgelesen werden. Man stelle sich vor man hört: “Backofen auf 180 Grad vorheizen. Mehl mit Wasser und Eiern in einer Schüssel verrühren.” und zwar ohne Punkt und Komma und in doppelter Geschwindigkeit. Das ist komplett unnütz.
Im Gegensatz zu Amazon’s Echo fehlt dem Google Home bisher die Möglichkeit eigene “Skills” (Google nennt dies Actions) hinzuzufügen, d.h. alles was bisher angeboten wird ist, durch Google integriert worden. Google versucht hier im ersten Wurf zunächst in einem geschlossenem Ökosystem die Qualität hoch zu halten, bevor man sich Anfang nächsten Jahres Fremdentwickler auf die Plattform läßt.
Dabei ist zum Beispiel die Spotify Integration bei Google Home deutlich besser gelungen als beim Amazon Echo. Bisher erkannte das Amazon Echo nur schwerlich Playlist Namen was allerdings während des Schreibens dieses Artikels schon verbessert wurde.
Hinweis an alle Eltern die darüber nachdenken sich einen Google Home anzuschaffen – guckt Euch den Satz unten rechts an und überlegt ganz genau ob dies das richtige Gerät für die Familie ist :-) .
Google Home setzt analog zu Amazon auch auf eine companion App auf dem Smartphone – namens Google Home. Leider ist diese App eher verwirrend als hilfreich. In der Google Home App registrieren sich z.B. auch eventuell vorhandene Chromecast Geräte. Allerdings interessiert mich wirklich überhaupt nicht welcher Screen gerade auf welchem Chromecast angezeigt wird aber diese Anzeige ist genauso prominent wie meine letzten Anfragen an Google Home. Hier sollte mal jemand mit UI Erfahrung Hand anlegen.
Sehr transparent gestaltet ist in der App was Google Home gehört hat, man kann sich das Audio jeder einzelnen Anfrage in der App anhören.
Mega nervig ist aber, dass die Settings für den Google Assistant in der Google Home App leben – dort allerdings nur für das Google Home und das Pixel (hä??). Einstellungen für den Assistant in Allo (Google’s Chat client) findet man aber nirgendwo.
Das Ökosystem
Ähnlich wie Amazon ist natürlich auch Google bereits im Wohnzimmer angekommen. Mit Chromecast bietet Google heute schon die Möglichkeit Inhalte auf den Fernseher zu streamen – analog zu Amazon’s FireTV.
Einer der größten Kritikpunkte an Amazon Echo ist die fehlende Integration mit dem bestehenden Amazon Ökosystem – “Alexa spiele X auf dem FireTV” geht bis heute nicht. Um so erstaunlicher und überraschender ist, dass Google Home bereits heute diese Integration anbietet – “Play cute panda babies on the Living room” oder “play BBC News on TV” schaltet den Fernseher per HDMI-CEC an, schaltet auf den richtigen HDMI Kanal und man kann sich auf YouTube Panda Babies angucken – gleiches funktioniert auch mit Musik. Wie dramatisch dies die user experience verändert, ist jedem bewusst der einen “smarten” Fernseher hat.
Der größte Vorteil im Google Ökosystem ist natürlich Android und der Google Assistant in Allo und auf dem Pixel. Trotz der oben erwähnten Differenzen der Fähigkeiten des Assistant auf unterschiedlichen Geräten merkt man doch, dass es sich um einen Assistenten handelt. Gelerntes auf dem Google Pixel wird auch auf dem Google Home verwendet.
Fazit
Mit dem Google Home ist Google ein beeindruckender Start in die Welt der Wohnzimmer-Assistenten gelungen. Die Software-Schwächen des Systems werden mit Sicherheit in naher Zukunft verschwinden, bei den Hardware Schwächen dürfte es schwierig sein diese auszumerzen ohne Hardware zu tauschen.
Beeindruckend ist die gelungen Integration im eigenen Ökosystem und die bisher vorhandenen von Google selbst integrierten Dienste.Leider fehlen bisher auch noch die in der Vorstellung von Google Home angedeuteten Integrationen mit Banken und Finanzdienstleistern. Hier darf man sehr gespannt sein was noch alles verfügbar wird sobald Google die Plattform für Dritte öffnet.
Obwohl ich der festen Überzeugung bin, daß wir in naher Zukunft mehr als ein Assistenten in unserem zuhause haben werden, stellt man sehr schnell fest, dass man halt nur einem Gerät seine Einkaufsliste gibt, als Timer und Musik-Wiedergabe benutzt und Alexa war nunmal schneller.
Der einzige super implementierte wieder kehrende Anwendungsfall beim Google Home ist der “How is my day?” – hier Antwortet der Assistent brav mit meinem Namen und sagt mir dann hinter einander weg, den Wetterbericht, meine nächsten Termine, wie verstopft die Straßen auf dem Weg ins Büro sind (und Ausweichrouten!!), welche Todos für heute anstehen und dann meine ausgewählten Nachrichten – damit ist Google Home ein Google Badezimmer :).
Rafael Otero ist seit mehr als 15 Jahren im Payment- und Banking Bereich tätig. Nach mehreren Co-Founder Rollen im Fintech Bereich u.a. als Co-Founder bei payleven der globalen Kartenakzeptanz-Lösung für KMUs und Co-Founder Voice First – einer Strategie-Beratung / Agentur für Sprachassistenz-Lösungen im Bereich Finanzdienstleistungen, Mobility und VoiceCommerce.
Seit Anfang 2020 ist er Managing Director bei der Deutschen Bank und dort als Chief Product Officer Teil der Corporate Bank. Rafael ist Business Angel/Board Member im Fintech und DeepTech-Umfeld.