ECSP: „Die Verordnung geht in die richtige Richtung“

ECSP: „Die Verordnung in die richtige Richtung“

Gut Ding will Weile haben. 2,5 Jahre sind vergangen, seit das Europäische Parlament und der Rat im Rahmen ihres Aktionsplans zu technologiegestützten Innovationen bei Finanzdienstleistungen in Europa einen Vorschlag für eine Verordnung für gewerbliche Europäische Crowdfunding Service Provider (European Crowdfunding Service Providers –„ECSP“) zusammen mit ergänzenden Anhängen und Einschätzungen veröffentlicht haben. Am vergangenen Montag wurde die Vorlage in Brüssel angenommen (die offizielle Beschlussfassung des Europäischen Parlaments).

Über den Inhalt der Verordnung, ihre Auswirkungen auf nationaler und internationaler Ebene sowie über weiterhin offene Fragen sprechen wir mit Constantin Fabricius, Geschäftsführer des Verbandes deutscher Kreditplattformen, der in dieser Funktion die Debatten sehr genau verfolgt und begleitet hat.

Was genau steht denn nun in der Verordnung drin?

Ziel der Verordnung ist es, die Zerstückelung der nationalen Crowdfunding-Märkte zu überwinden und damit einen weiteren wichtigen Schritt zur Verwirklichung der Kapitalmarktunion zu machen. Konkret geregelt wird der Zugang der bislang national regulierten Kreditplattformen zum EU-Binnenmarkt.

ECSP: „Die Verordnung in die richtige Richtung“

Das besondere an der Verordnung ist, dass die nach dem Recht der Mitgliedstaaten erlaubten Modelle des Crowdfunding auch zukünftig nach Maßgabe des jeweiligen Rechts zulässig bleiben. Wenn aber eine Schwarmfinanzierungsform in den Anwendungsbereich der neuen Verordnung fällt, dann wird zwingend eine ECSP-Erlaubnis notwendig sein.

Vom ersten Entwurf der ECSP-VO bis hin zur Verabschiedung durch das Europäische Parlament hat es 2,5 Jahre gedauert – was hat denn da so viel Zeit gekostet?

Im Vergleich mit anderen Rechtsakten aus dem Bereich der Finanzmarktregulierung hat es jetzt nicht wirklich so viel länger gedauert. Aber ja, 2,5 Jahre sind eine lange Zeit, und dafür gibt es gute Gründe. Zunächst einmal hatte die Kommission einen radikalen Regulierungsvorschlag auf Basis des FinTech-Action-Plans gemacht. Ihre Idee war die Einführung eines 29. Regimes. Bei den im Rat der Europäischen Union vertretenen Mitgliedstaaten löste die jedoch eine starke Abwehrreaktion aus. Man wollte das einfach nicht. In der Folge kam eine Befassung mit der Materie nur schleppend in Gang und führte später zu teilweise sehr langwierigen Diskussionen. Im Gegensatz dazu wurde der Vorschlag aber gut im Europäischen Parlament aufgenommen.

Die Europawahl 2019 führte dann aber zu Neubesetzungen bei den Berichterstatterrollen, was den Prozess verzögerte. Hinzu kam, dass die verschiedenen Ratspräsidentschaften die ECSP unterschiedlich priorisierten. On top der Brexit, der Rat und Parlament doch ziemlich stark beschäftigt hat.  

Wie beurteilen Sie als Geschäftsführer des Verbands deutscher Kreditplattformen diese Verordnung?

ECSP: „Die Verordnung in die richtige Richtung“

Wir vom Verband deutscher Kreditplattformen stehen dieser Verordnung sehr positiv gegenüber. Sie beweist, dass der europäische Gesetzgeber verstanden hat, welche herausgehobene Bedeutung die Kreditplattformen für die KMU-Finanzierung in der EU haben. Zudem ist der Rechtsakt ein Meilenstein für den Verbraucherschutz.

Hier liegt zum ersten Mal eine Regulierung auf dem Tisch, die den Verbraucherschutz in seiner ganzen Breite in den Fokus nimmt. Wir begrüßen das ausdrücklich, weil es sich mit unserem Anspruch an Qualität, Vertrauen und Transparenz deckt, den wir ja auch schon mit unseren Branchenstandards zum Ausdruck bringen wollen. Unsere Erwartung ist eigentlich die, dass die ECSP zu einer nachhaltigen Stärkung des Plattform-Lendings als DIE alternative Finanzierungsform führen wird.

Besonders gefällt uns übrigens, dass im Anwendungsbereich der Verordnung für das Crowdlending nach Ablauf der Übergangsfrist keine Fronting-Bank mehr notwendig sein wird. Dies war ein zentrales Petitum des Verbandes deutscher Kreditplattformen, das der europäische Gesetzgeber schließlich übernommen hat. Das macht uns schon ein bisschen stolz.

„Der Bedarf an Online-Krediten ist mehr denn je da“

Geht Ihnen die Verordnung weit genug, oder hätten Sie sich zusätzliche Punkte gewünscht?

Die Idee der Kommission, ein 29. Regime zu etablieren, wurde im Rahmen der Beratungen ja leider aufgegeben. Was wir jetzt haben ist eine Verordnung, die im Grunde eine Vollharmonisierung nur für bestimmte Schwarmfinanzierungsmodelle vorsieht. Es ist etwas schade, dass den Mitgliedstaaten der Mut gefehlt hat, der Kommission zu folgen. Offensichtlich war die Zeit noch nicht reif.

Bedauerlich ist etwa auch die relativ geringe Höhe der ECSP-fähigen Wertpapieremissionen. So gilt die Verordnung nur für Emissionen bis zu einer Höhe von 5 Millionen Euro. Zu rechnen ist diese Summe über einen Zeitraum von 12 Monaten, aber nicht etwa pro Kreditprojekt, sondern für alle eines Unternehmens. Auch hier hätte man vielleicht etwas mutiger sein können.

ECSP: „Die Verordnung in die richtige Richtung“

Insgesamt aber geht die Verordnung schon in die richtige Richtung. Im Rahmen der durch die Kommission vorzunehmenden Überprüfung wird es für den Verband und seine Mitglieder Gelegenheit geben, diese und weitere Punkte wie etwa die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf weitere Schwarmfinanzierungsmodelle zu adressieren.

Welche Entwicklung erwarten Sie nun nach in Kraft treten der Verordnung auf nationaler bzw. auf internationaler (Europa) Ebene?

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es nach der Verabschiedung dieser Verordnung einen gewissen Boom auf dem europäischen Markt geben wird. Schwarmfinanzierungsplattformen werden ihre Chancen neu ausloten und sicherlich versucht sein, ihr europäisches Geschäft voranzutreiben. Und auch neue Player könnten sich gestärkt darin sehen, ihr Geschäftsmodell direkt EU-weit auszurichten.

Welche Vorteile ergeben sich hieraus für deutsche Crowdfunding- und Lending Plattformen?

Der Bedarf an Online-Krediten, vor allem im KMU-Bereich, ist da, vielleicht noch mehr denn je in der jetzigen Corona-Krise. Die ECSP wird hier sicherlich zu einer Stärkung der Lending-Plattformen führen. Es wird spannend, die weiteren Entwicklungen zu sehen.

Rechtssicherheit ist für Unternehmen immer gut, kann aber auch schnell zu Überregulation und damit zum Bremsklotz werden – sehen Sie diese Gefahr im Zusammenhang mit der ECSP-VO?

Nein, das tue ich nicht. Es wäre aber auch der falsche Ansatz. Gerade eine so junge und innovative Branche wie die unsere ist darauf angewiesen, nicht so stark durchreguliert zu werden, dass sie sich nicht weiterentwickeln und ihre positiven Effekte entfalten kann. Ich denke, die Botschaft des europäischen Gesetzgebers lautet in etwa so: Wir wollen euer Geschäftsmodell fördern, aber regulieren euch angemessen, um Arbitrage zu vermeiden. Und dieser Ansatz ist doch völlig in Ordnung.

„Gerade eine so junge und innovative Branche wie die unsere ist darauf angewiesen, nicht so stark durchreguliert zu werden.“

Sehen Sie die deutsche Lending- und Crowdfunding-Plattform ausreichend gut aufgestellt, um die Verordnung umsetzen zu können?

Absolut. Zunächst einmal wird es ja auch eine Übergangsfrist von 12 Monaten geben. Diese Zeit ist wichtig, damit sich die betroffenen deutschen Kreditplattformen umstellen können, um den Anforderungen der ECSP gerecht zu werden. Unsere Mitgliedsunternehmen sind wirklich bestens aufgestellt, diese Verordnung umzusetzen.

Sehen Sie offene Fragen bei den Unternehmen und welche sind das?

Ja, es gibt durchaus eine Reihe von Fragen, die noch zu klären sind. Aus Sicht der Lending-Plattformen handelt es sich hier aber im Wesentlichen um Auslegungsfragen. So etwa die Frage, ob auch Personengesellschaften als Anleger in Frage kommen. Im Rahmen der jetzt beginnenden Arbeiten der Kommission zur Konkretisierung des Verordnungstextes mittels Delegierter Rechtsakte sehen wir aber die Möglichkeit, diese und alle weiteren Fragen noch rechtzeitig zu klären.

Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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