Nach außen präsentiert sich die Banking-Branche fortschrittlich beim Thema Vielfalt. Doch Gleichstellungsbeauftragte schildern etwas ganz anderes. Ein KLEINER Auszug.
Es gibt kaum eine Bank (Sparkassen sind mitgemeint), die sich das Thema Vielfalt nicht auf die Website, Verzeihung, die Fahne geschrieben hat. Doch abseits von Marketingkampagnen und Co. sieht die Welt offenbar ganz anders aus. Ich habe in über 15 Finanzinstituten mal nachgefragt, was Netzwerke und Gruppen für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (Diversity, Equity and Inclusion, DEI) sowie Gleichstellungsbeauftragte sich vom C-Level schon anhören durften – und es ist erschütternd:
„Ich würde eher einen Werkstudenten einstellen als eine Mutter.” – Ein CEO
„Können wir nicht einfach noch ein paar Türken einstellen? Davon gibt es hier in [Stadt zensiert] doch viele und wir können das Vielfalts-Thema abhaken.”
„Man sieht den Leuten ihre Nationalität ja nicht an. Schwarze Menschen können auch Deutsche sein und erfahren dann keinen Rassismus mehr. Es geht also nicht um die Hautfarbe des Vorstands, sondern um die Leistung” – der CRO auf die Frage eines indischen Kollegen, ob denn nicht-weiße Mitarbeitende überhaupt eine Chance auf eine Vorstandsposition haben.
„Warum machen unsere Mitarbeiter das, sind die dumm? Okay, such ich mir einfach ein paar Idioten in London, die machen die Arbeit auch nachts um 2, ohne zu murren!” – Der neue CIO
„Wenn Du mich auf dem Sommerfest ranlässt, kann ich bei der Beförderung bestimmt helfen.” – der Leiter des operativen Geschäfts.
„Kündigt den Eltern kurz vor Weihnachten. Die haben dann alle Hände voll zu tun und kriegen in der Zeit eher keinen Anwalt.” – der CCO
„Hat die Anoush nicht irgendeinen anderen Hintergrund, den wir noch rauskehren können? Dann haben wir auf Ebene 3 eine Frau und eine Quoten-[zensiert].”
„Ich bin ein großer Fan von Frauen, also, hübsche, junge, deutsche Frauen. Seit Corona vorbei ist, kann man die ja auch wieder drücken und denen Küsschen geben.” [Notiz: Corona ist nicht vorbei. Risikogruppen und Long Covid existieren.]
„Die Bewerberin B fand ich gut, endlich mal was im Büro, was man gut anschauen kann.” – der Geschäftsleiter.
„ICH bin Vertreter des Vorstands und ihr macht alle, was ich sage.” – der Generalbevollmächtigte.
„Sozialauswahl? Schmeiß halt keine Deutschen, Franzosen oder Spanier raus, die anderen kennen unsere Arbeitsschutzgesetze nicht so gut.” – der Regionalleiter
„Wenn wir noch ein paar von den nigerianischen Codern herholen, können wir richtig Geld sparen – die stellen wir für 30 Prozent weniger Gehalt ein als Europäer.”
„Das geben wir der Arbeitsgruppe Vielfalt, dann geben wir ihnen kein Budget, das Thema versandet und die sind schuld.” – der Personalchef und offizielle Sponsor besagter Arbeitsgruppe
„Ich zahl lieber das Dreifache der Ausgleichszahlung bevor ich mir hier einen [zensiert: sehr menschenfeindliche Bezeichnung für einen Mensch mit Behinderung] reinhole.” – Personalchef
„Bist Du eigentlich ein Männlein oder ein Weiblein? Was biste denn?” – Leiter des Kund*innen-Managements
„Im 7. OG wird umgebaut – das ist mein kleines F**k-Nest, schau mal vorbei.” – der Vertriebsleiter
„Ich bin froh, dass ich jetzt kein junger Mann bin. Ich hab Mitleid mit meinen Söhnen, die sich mit diesen emanzipierten Frauen rumschlagen müssen.” – der Vorstandsvorsitzende
„Die Personalabteilung hat einen Pay Gap bei unseren Mitarbeitenden festgestellt, die nicht in Europa geboren sind UND sie liegen mit ihrem Gehalt seit 2024 unter der Mindestgrenze für das Blue Card Visum [Anmk: 45.300 €/Jahr]? Dann holt Leute aus der Ukraine und Osteuropa, die sind froh, für dieses Gehalt zu arbeiten.” – die Finanzchefin. [Weitere Anmerkung: Deutsche Mitarbeitende in besagtem Team verdienen im gleichen Level mindestens 55.000 €]
„Oh nein, Du bist schwanger? Ich hatte noch so viel mit Dir vor.” – der CEO
„Können wir nicht noch ein paar Asiaten einstellen? Die sind doch alle so klug.” – der Marketing-Chef
„Eine Gehaltserhöhung ist nicht drin, weil sie schwanger ist und in der Elternzeit ausfällt.” – der Aufsichtsratvorsitzende
Aber doch nicht überall! Klar, und gleichzeitig zu viel, zu oft.
Ja, ja, ja, ich weiß. #NichtAlleBanker und so. Ist das wirklich das Erste, das Euch dazu einfällt? Wenn ihr wüsstet, wie viele dieser Sätze zu direkt betroffenen Personen (Frauen, Müttern, Menschen mit Migrationshintergrund oder Behinderung) gesagt wurden, oft mit dem Zusatz „also, Du bist natürlich nicht gemeint, Du gehörst als Ausnahme ja zu den Guten”…
Gab übrigens nicht einen Kontakt, der/die/they nicht mindestens drei Horror-Stories zu erzählen hatte und wir sprechen hier nur von der obersten Führungsebene. Kein Wunder, dass es viele, zu viele, Geschichten zum Thema sexuelle Übergriffe in der Fintech-Branche gab, über die Business Insider berichtete. Kein Wunder, dass es kaum Frauen in der Branche gab, die dieser Artikel überrascht hat. Kein Wunder, dass diese Übergriffe, Mikroaggressionen und Diskriminierung weiter auf der Tagesordnung stehen.
Und natürlich sind nicht alle so, weder im Top-Management, noch in den Hierarchien darunter. Aber die Unternehmen, zahlreiche und zu viele, in denen dieses Gebaren geduldet, geschützt und fortgeführt wird, unterscheiden sich von außen nicht von den „Guten”. Diejenigen, die etwas ändern könnten, machen oder trauen sich das nicht und so hält sich das System munter weiter aufrecht. Auf der Website finden sich ähnliche Bekenntnisse zu DEI, Commitments aus dem Vorstand, Informationen über Mitarbeitenden-Netzwerke. Denn, wir erinnern uns: „Vielfalt ist uns wichtig.” Mitglieder unterrepräsentierter Gruppen werden selten gefragt, ich bin einfach mal so frei und erzähle Euch, was wir uns wünschen: Chancengerechtigkeit, ein Ende von Mikroaggressionen und Diskriminierung und so ein Mindestmaß Respekt und Sicherheit, das man auf der Arbeit erwarten darf – im Vorstand genau wie im Kund*innendienst.
Das müssen wir ändern
Sonst geht’s auch weiterhin nicht voran. Und ich hab echt keinen Bock darauf:
- dass diese ganzen Worthülsen und glaubhaften Aussagen der Unternehmenslenkenden sich nur als leere Phrasen erweisen und Deutschland auch dieses Jahr im BCG Gender Diversity Index abschmiert.
- dass es einfach so weitergeht. Trotz aller industrieweiten Netzwerke, Veranstaltungen, Side-Events auf der Money 20/20, dem Handelsblatt Bankengipfel und so weiter. Trotz aller Studien und Fakten ist „einfach jedes bankähnliche Unternehmen, in dem ich bin, irgendwie immer auf der falschen Seite, wenn es um Chancengerechtigkeit geht”, Zitat einer absoluten Legende in unserer Branche.
- dass die vielen, engagierten Leute, die einfach nur einen guten Job machen und ihre Kolleg*innen ordentlich behandeln wollen, in so einer Kultur ausharren müssen. Ganz zu schweigen von denen, die es direkt betrifft.
- dass firmeninterne Netzwerke, DEI-Beauftragte (offiziell und inoffiziell), die den Großteil ihrer DEI-Arbeit zusätzlich zu ihrer normalen Arbeitszeit machen (unbezahlt) und sich den Arsch aufreißen (sorry, bin wütend), was Unternehmen massiv im Recruiting und Employer Branding hilft, nicht den Fortschritt sehen, für den sie sich einsetzen – aufgrund einzelner bad apples.
Wir können das besser. Oder wir lassen es. Weil tut ja noch nicht genug weh, wir finden immer irgendwie Personal und irgendwie geht’s ja weiter in dieser lang stagnierenden Industrie. So begraben wir langsam das Thema Innovation in Banking made in Germany.