Digitale Währungen

Warum digitale Währungen? Ist Geld nicht schon längst digital?

Warum gerade jetzt? – Blockchain-Technologie als Game Changer und Regulierung als Enabler

Im 20. Jahrhundert wurde der ehemals analoge und manuelle Prozess des Bezahlens digitalisiert und automatisiert. Im 21. Jahrhundert ermöglichen uns Fortschritte in der Blockchain-Technologie (oder: Distributed Ledger Technology, DLT) nicht nur die Digitalisierung von Zahlungen, sondern auch die Digitalisierung des Geldes selbst. Mit anderen Worten: Geld wird zu einem digitalen Objekt, auch „Token“ genannt, das auf einer dezentralen und interoperablen Datenbank (d.h. DLT) dargestellt wird. Das Versprechen ist, dass die Herausnahme des Geldes aus den Konten und seine Darstellung als Token Vorteile mit sich bringt: Zum Beispiel wird dadurch Geld besser teilbar (Micropayments), es kann effizienter transferiert werden (insbesondere über Grenzen hinweg) und es kann mit DLT-basierten Smart Contracts interoperabel gemacht werden. Diese Entwicklung könnte die Rolle von Finanzintermediären verändern und damit Bedrohungen und Chancen für den Bankensektor schaffen.

Die Nutzung dieser neuen Technologien ist noch gering. Dennoch leisten Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt derzeit die Vorarbeit für eine nachhaltige Transformation der Branche hin zur Nutzung digitaler Assets und Währungen. Die Krypto-Verwahrlizenz und der Vorschlag für vollelektronische Wertpapiere in Deutschland sowie die vorgeschlagene EU-Verordnung für Märkte für Krypto-Assets (Markets in Cryptoassets, MiCA) zielen darauf ab, digitale Assets und Währungen in die bestehende Finanzregulierung zu integrieren, um regulatorische Sicherheit und damit die Grundlage für eine breitflächige Nutzung zu schaffen.

Digital Currencies

Hintergrund: Welche Formen von digitalen Währungen gibt es?

Bestehende und zukünftige Geldformen können nach ihrem Emittenten unterschieden werden (siehe Tabelle unten). Heute emittiert der öffentliche Sektor (d. h. die Zentralbank) Zentralbankgeld, das in zwei Formen existiert: Bargeld und Zentralbankreserven. Der private Sektor emittiert Geschäftsbankgeld. Schließlich gibt es noch dezentrale Formen von Geld ohne Emittenten, wie z.B. Gold.

Digitale Währungen können entlang der gleichen Dimension kategorisiert werden: Die Zentralbank gibtDigitales Zentralbankgeld (CBDC) aus. Eine Wholesale-CBDC ist ähnlich wie Zentralbankreserven, existiert aber in Form eines Tokens auf einer DLT. Ähnlich wie bestehende Reserven kann eine Wholesale-CBDC nur von Banken gehalten und genutzt werden.

Eine Retail-CBDC wäre eine Form von digitalem Bargeld, d.h. digitales Zentralbankgeld für alle. Es könnte ein Token auf einer DLT sein, aber es könnte auch einfach ein Konto bei der Zentralbank sein. Es bleibt also abzuwarten, ob eine Retail-CBDC wirklich zu einer digitalen Währung wird oder ob es einfach ein „Zentralbankkonto für alle“ wird. Der Privatsektor gibt Stablecoins aus. Im Gegensatz zum aktuellen System, in dem Banken die Hauptemittenten von privaten Geldformen sind, werden in der Welt der digitalen Währungen auch Nicht-Banken zu Geldemittenten. Beispiele hierfür sind Diem (ehemals Libra), Tether, tokenisiertes E-Geld, tokenisiertes Geschäftsbankengeld („Giralgeldtoken“), etc. schließlich ermöglicht die Erfindung der Blockchain-Technologie vollständig dezentralisierte Formen von digitalem Geld.

Das Paradebeispiel für eine dezentralisierte digitale Währung ist Bitcoin. Die Besonderheit von Bitcoin ist, dass er erstmals drei Eigenschaften vereint: Bitcoin ist digital, dezentral und knapp. Mit anderen Worten: Obwohl keine zentrale Institution hinter Bitcoin steht, die Missbrauch verhindern könnte, kann Bitcoin nicht doppelt ausgegeben werden (d.h. er kann nicht wie andere digitale Güter kopiert und vervielfältigt werden, wie es bspw. mit einer Word-Datei auf Ihrem PC möglich wäre.

Digitale Währungen und ihre Anwendungsfälle

Die verschiedenen Formen digitaler Währungen, die oben vorgestellt wurden, adressieren unterschiedliche Anwendungsfälle: 

Wholesale CBDC

Könnte die Effizienz von grenzüberschreitenden Zahlungen erhöhen. Zusätzlich kann sie als Cash-Leg für den Handel mit tokenisierten Assets dienen. Der einfachste Weg, tokenisierte Wertpapiere zu handeln, besteht darin, auch das Geld zu tokenisieren, da in diesem Fall der Wertpapier-Token effizient gegen den Geld-Token getauscht werden kann (Derlivery vs. Payment, DvP).

Retail CBDC

Es ist unklar, welche genauen Anwendungsfälle eine Retail CBDC adressieren wird. Die EZB nennt sieben Szenarien, die eine Retail CBDC erfordern würden, darunter die Unterstützung der Digitalisierung der Wirtschaft, der Ersatz von Bargeld, wenn dieses verschwindet, die Unterstützung der Geldpolitik usw.

Digital Currencies

Die Rolle der Banken in einem RetailCBDC-System ist unklar. Höchstwahrscheinlich werden die Banken eine wichtige Rolle als Vermittler und Front-End für den Endnutzer spielen. Banken verwalten die Konten/Wallets, onboarden Kunden, kümmern sich um KYC/AML/CFT/etc.

Stablecoins

  • Klassischer Stablecoin (Tether, USDC, etc.): On- und Offramp für Krypto-Trading.
  • Diem: Hauptanwendungsfall: finanzielle Inklusion und grenzüberschreitende Zahlungen. Fokus ist B2C und Überweisungen. Könnte durch die Unterstützung von Facebook schnell skalieren. Aufgrund der MiCA Regulierung in der EU wahrscheinlich nicht vor 2022 am Markt. 
  • Tokenisiertes Geschäftsbankengeld: Programmierbare Zahlungen, Machine-to-Machine-Zahlungen, Micropayments, Hochfrequenzzahlungen, grenzüberschreitende Zahlungen etc.

Bitcoin / Kryptowährungen:

Der Markt ist noch im Entstehen und volatil. In letzter Zeit gab es eine weitere Welle der Akzeptanz, insbesondere durch institutionelle Investoren. Heute ist Bitcoin ein hochspekulatives und volatiles Asset. In Zukunft könnte er sich zu so etwas wie digitalem Gold entwickeln und als Wertaufbewahrungsmittel dienen.

Autor

  • Alexander Bechtel ist Head of Digital Asset & Currency Strategy bei der Deutschen Bank. Er hat an der Universität St. Gallen promoviert und ist dort weiterhin als externer Dozent tätig. Alexander veröffentlicht regelmässig Artikel, Podcasts und Forschungspapiere zu den Themen Geldtheorie und digitale Währungen. Er hat als externer Berater bei der Europäischen Zentralbank gearbeitet und einen Forschungsaufenthalt an der Stanford University absolviert.

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