Für die deutsche Start-up-Landschaft sieht es aktuell mehr als mies aus. Einer Studie des Bundesverbandes Deutsche Start-ups fürchtet jedes siebte Start-up um seine Existenz. Neun von zehn Start-ups sind in ihrem Geschäft stark beeinträchtigt. An der Studie hatten sich in den letzten Tagen mehr als 1000 Start-ups beteiligt. Christian Miele, Chef des Verbandes und Partner beim VC e.ventures, äußerte sich am Dienstag mehr als besorgt und sagte: „Es ist noch dramatischer, als ich es für möglich gehalten habe.“
Etwas Vergleichbares habe er noch nicht erlebt, sagte Miele gegenüber Journalisten, der selbst seit vielen Jahren in der Branche aktiv ist. „Wenn wir nicht innerhalb der kommenden Wochen eine Lösung finden, werden uns zahlreiche Firmen verlorengehen.“ Viel Zeit bleibt nicht: Laut Umfrage werden die Start-ups bereits in den nächsten zwei Monaten Hilfe benötigen. Sonst droht ihnen schon bald die Luft auszugehen.
Krise macht vor keiner Branche Halt
Die aktuelle Krise, so betonte Miele, mache vor keiner Branche Halt – auch nicht vor der Finanzbranche! Die Situation träfe Start-ups aus dem Tourismus wie die Fintechs gleichermaßen. Die Zeit für schnelle Entscheidungen drängt. Gerade kleinere Start-ups sind durch den Wegfall von Messen und Veranstaltungen vom ausbleibenden Kundenkontakt bedroht.
Und große Start-ups mit vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen fürchten vor allem um Umsätze, ihre Liquidität und das Zustandekommen künftiger Finanzierungsrunden, heißt es weiter.
Das Problem: viele staatlichen Unterstützungsmaßnahmen über die KfW helfen nicht. Der Weg über die Hausbanken funktioniere nicht, denn bereits vor der Krise sei es schwer gewesen, Kredite zu bekommen. Kurzfristig können kleine Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern die Soforthilfen von 9000 Euro beantragen. Kleinunternehmern steht ein Betrag in Höhe von 15.000 Euro zu. Dieses Geld muss anders als bei einem Kredit nicht zurückgezahlt werden.
Weitere 2 Milliarden Euro angekündigt
Auch für die großen Start-ups mit einem Firmenwert von mehr als 50 Millionen Euro steht eine Lösung in Aussicht: Vorige Woche hatte die Bundesregierung den Wirtschaftsstabilisierungsfond (WSF) entsprechend ausgeweitet. Laut Verband sind das aktuell rund 150 bis 200 Unternehmen. Um aber alle Start-ups unter den Rettungsschirm zu holen, fordert Miele jedoch: „Wir bräuchten einen einstelligen Milliardenbetrag.“
Zum bereits getroffenen Beschluss kündigte Olaf Scholz vorgestern nun zusätzlich weitere 2 Milliarden Euro als Hilfsmaßnahmen an. Dies seien ohnehin vorgesehene Gelder, die nun nur schneller zur Verfügung gestellt werden sollen. Das solle mit Hilfe der staatlichen Förderbank KfW sichergestellt werden. Jungunternehmen dürften nicht von weiteren Finanzierungen abgeschnitten werden, hieß es.
Die Summe solle aber nicht auf direktem Wege in Start-ups fließen, sondern in private Investoren, die geschwächte Firmen unterstützen wollen, so Thomas Jarzombek, der Startup-Beauftragte der Bundesregierung, exklusiv im Gespräch mit Gründerszene.
Auch Privatinvestoren in der Verpflichtung
Anträge sollen Jarzombek zufolge nicht nur VCs stellen können, sondern auch kleine Gesellschafter wie etwa das Gründerteam. Wenn diese eine Finanzierungsrunde planen, um das geschädigte Geschäft aufrechtzuerhalten, wolle das Finanzministerium ebenfalls Geld beisteuern. Laut Jarzombek dürfen Funding-Runden rechtlich gesehen mit höchstens 70 Prozent öffentlichen Mittel bezuschusst werden. Wie hoch der Anteil im Rahmen des Corona-Hilfspakets tatsächlich aussehen wird, habe die Bundesregierung noch nicht entschieden, so der Politiker gegenüber dem Gründermagazin weiter.
Vor allem die im Start-up-Verband versammelten deutschen Frühphasen-Investoren hatten diesen Wunsch geäußert. Hintergrund ist auch die Sorge, dass fest eingeplante Anschluss-Investitionsrunden für ihre Portfolio-Unternehmen ausbleiben könnten. Zugleich appellierte der Verband, dass sich trotz aller Vorsicht Kapitalgeber ihrer Verantwortung bewusst sein sollen, um Portfoliounternehmen zu unterstützen und Privatinvestoren sich nun stärker beteiligen müssten.
Mit dem Ziel, deutsche Start-ups zu unterstützen und Arbeitsplätze zu erhalten, hatte der Bundesverband Deutscher Start-ups bereits vor einigen Tagen einen 4-Stunden Plan entworfen.
Die Studie zum Download gibt es hier: