Die Unterschiede zwischen Libra und Bitcoin

Die Unterschiede zwischen Libra und Bitcoin

An Gastbeitrag von Emanuel Coen, SatoshiPay

Mitte Juli fanden im US-Senat und auch im Kongress Anhörungen zu Facebook’s Libra Projekt statt. Im Vorfeld war die Krypto Community nervös. Würde Facebook’s Unbeliebtheit die anstehende Regulierung von Blockchain Netzwerken negativ beeinflussen weil Abgeordnete Bitcoin und Libra einfach über einen Kamm scheren würden? 

Obwohl es zu früh ist endgültige Schlüsse zu ziehen, sieht es eher so aus als ob Bitcoin und andere dezentrale Blockchains gestärkt aus den Anhörungen herauskommen. Das Libra-Projekt zwingt die Politik, sich mit Blockchain-Technologie auseinanderzusetzen und dabei wird der Allgemeinheit immer klarer, dass Bitcoin aufgrund seiner dezentralen Natur deutlich weniger reguliert werden wird als Libra.

Ziele & Prioritäten

Um sich der unterschiedlichen Ziele der beiden Projekte bewusst zu werden, muss man sich nur den ersten Satz des jeweiligen White-Papers durchlesen:

Bitcoin: Eine reine Peer-to-Peer-Version eines elektronischen Zahlungsverfahrens würde es ermöglichen, dass Online-Zahlungen von einer Partei direkt an eine andere gesendet werden, ohne über ein Finanzinstitut zu gehen.

Die Betonung liegt hier auf “peer-to-peer”, “direkt” und “ohne über ein Finanzinstitut zu gehen”. Mit anderen Worten will Bitcoin ein Zahlungs-verkehrs-Netzwerk sein, dass ganz ohne Intermediäre auskommt in die vertraut werden muss. Daher priorisiert es diese Eigenschaften und stellt andere Attribute wie Nutzerfreundlichkeit oder Skalierbarkeit an zweite Stelle.

Die Unterschiede zwischen Libra und Bitcoin

Bitcoin ist eine technische Antwort von Entwicklern, Kryptographen und Cyberpunks auf wachsendes Missvertrauen gegenüber Unternehmen und Staaten und dazu konzipiert, selbst dann zu funktionieren wenn diese Staaten tyrannisch sind oder die Unternehmen sich monopolistisch aufführen.

Libra: Libras Mission ist es, eine einfache, globale Währung und eine finanzielle Infrastruktur für Milliarden von Menschen bereitzustellen, die ihnen das Leben leichter macht.

Hier geht es um Zugang und Reichweite. Libra will eine “finanzielle Infrastruktur” schaffen und damit Milliarden an Menschen erreichen die heute noch keinen Zugang zum Finanzsystem haben. 

Beide Projekte richten sich gegen das aktuelle Finanzsystem, stellen jedoch unterschiedliche Probleme fest. Bitcoin sieht ein Problem in der konsolidierten Macht der Unternehmen und Staaten die das aktuelle Finanzsystem beherrschen und Menschen willkürlich den Zugang zu eben diesem Finanzsystem verwehren können. Man muss sich nur daran erinnern wie Visa, PayPal & Co. Wikileaks Konten gesperrt haben oder wie Iran auf Druck von den Vereinigten Staaten aus dem Zahlungs-verkehrssystem SWIFT geworfen wurde, um zu verstehen wieso das gefährlich sein kann.

Die Unterschiede zwischen Libra und Bitcoin

Libra hingegen will ein technisch besseres Finanzsystem schaffen, welches die Ineffizienzen der heutigen Teilnehmer ausbügelt, Kosten reduziert und damit auch ärmere Menschen erreicht, die im heutigen System aufgrund der assoziierten Kosten uninteressant für Banken sind.

Technische Unterschiede

Beide Projekte nutzen das Internet um Geldtransaktionen zwischen Parteien zu ermöglichen und verwenden dabei Technologie. die man grob gesprochen Distributed Ledger Technologie (DLT) nennt, bei der verschiedene Parteien eine Kopie des Ledger halten und in einem Konsensverfahren entscheiden, welche neuen Transaktionen dem Ledger angehängt werden.

Doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Bitcoin ist eine Kryptowährung und schöpft ihren Wert aus der Knappheit der Bitcoins sowie dem Aufwand der mit der Herstellung neuer Bitcoins verbunden ist. Wegen dieser Unkorreliertheit zwischen dem Wert eines Bitcoin und anderen Währungen wird Bitcoin oft als “Safe Haven Asset” bezeichnet.

Libra hingegen ist eine digitale Währung die von einer legalen Entität ausgegeben wird. Eine der Hauptaufgaben der Libra Association ist es, die Reserve zu verwalten, die den Wert einer Libra an einen Korb von Fiatwährungen bindet. Damit ist man als Nutzer zwar keiner Volatilität ausgesetzt kommt aber nicht darum herum, einer zentralen Organisation vertrauen zu müssen. Während man mit der Libra ein Anrecht auf einen fraktionalen Anteil der Reserve hat (im Kongress hat deshalb ein Abgeordneter gefragt hat ob Libra ein ETF sei), hält man als Besitzer eines Bitcoins unmittelbar den damit verbundenen Wert.

Der größte Unterschied liegt jedoch darin, wer Transaktionen einstellen darf. Bei Bitcoin ist dies jeder der sich die notwendige Hardware kauft, einen Stromanschluss hat und frei zugängliche Software herunterlädt. Bei der Libra können dies nur Unternehmen tun die von der Libra Association definierte Kriterien erfüllen. Andere Parteien dürfen nur lesend auf die Blockchain zugreifen. Daraus ergibt sich, dass Libra nicht Zensur-resistent ist.

Die Unterschiede zwischen Libra und Bitcoin

Libra-Mitglieder können sich relativ einfach koordinieren um bestimmten Parteien den Zugang zu verwehren oder Transaktionen rückgängig machen. Bei Bitcoin ist beides unmöglich: selbst wenn manche Miner (vielleicht auf Druck von einer Regierung)  sich zusammenschließen würden um bestimmte Adressen zu blockieren gibt es andere Miner irgendwo auf der Welt, die die Transaktion aufnehmen würden.

Diese Unterschiede sind kein Zufall. Bitcoin’s Hauptziel ist es, Zensur -resistente Online-Zahlungen zu ermöglichen. Dass man mit weniger Validatoren mehr Transaktionen validieren könnte und weniger Volatilität hätte, wenn eine zentrale Organisation Bitcoin’s Geldpolitik dynamisch bestimmen würde, nimmt man gerne in Kauf.

Unterschiedliche regulatorische Konsequenzen

Aus diesen strukturellen und technischen Unterschieden folgen sehr unterschiedliche regulatorische Konsequenzen. Die meisten Regularien im Finanzsektor sind dazu da, Intermediäre, die das Vertrauen der Endkunden genießen, einzuschränken und sie davon abzuhalten dieses Vertrauen zu missbrauchen. Finanzinstitute halten und verwalten Kundengelder. Bitcoin versucht dieses Gegenparteirisiko erst gar nicht entstehen zu lassen indem es Intermediäre, die heute notwendig sind um am Finanzsystem teilzunehmen, redundant werden lässt. In einem System ohne Gegenpartei gibt es auch kein Gegenparteirisiko.

Da Nutzer im Bitcoin Netzwerk ihre Werte selber halten und verwalten gibt es an dieser Stelle keine Bank die reguliert werden kann. Miner sind lediglich dazu da kollektiv die Sicherheit des Netzwerks zu gewährleisten und Transaktionen zu validieren. Bitcoin ist gerade dazu konzipiert, dass Nutzer Minern eben nicht vertrauen müssen.

Selbst wenn man meinen würde, Miner müssten Geldwäsche-Gesetze oder Sanktionslisten einhalten und dementsprechend bestimmte Transaktionen unterbinden, ist das technisch gar nicht machbar und daher der falsche Ansatz. Einzig und allein Exchanges und “Custodial Wallets”, also Unternehmen die Kryptowährungen für Kunden halten und auf Wunsch in Fiatwährung umtauschen, können und sollten reguliert werden.

„Einzig und allein Exchanges und ‚Custodial Wallets‘ können und sollten reguliert werden.“

Im Libra-System ist dies anders. Hier werden die meisten Nutzer nicht selber ihr Wallet verwalten, sondern Dienste wie Facebook’s Calibra nutzen. Diese werden ihren regulatorischen Pflichten nachkommen müssen, Nutzer identifizieren und Geldwäsche unterbinden. Doch es ist auch möglich Libra zu nutzen ohne über diese Dienste zu gehen indem man einfach mit einem Computerbefehl eine Libra Adresse generiert. Damit kann theoretisch jeder in der Welt Libra empfangen. Daher stellt sich die Frage, wie die Libra Association mit dieser Art von Transaktionen umzugehen denkt.

Nun würde Facebook (Libra Association) gerne argumentieren, dass das Libra Protokoll ähnlich wie Bitcoin neutral ist und nur die Unternehmen die auf dem Protokoll Applikationen bauen, regulatorischen Pflichten nachkommen müssen. Nur wird diese Antwort aufgrund der zentralisierten Struktur der Association die Regulatoren nicht befriedigen. Technisch ist es für die Libra Association sehr wohl möglich, Transaktionen zu unterbinden und Adressen zu sperren. Damit bindet Facebook sich einen Haufen regulatorischen Aufwands und Verantwortung an den Hals, den es dachte loswerden zu können, indem es eine semi-dezentrale Architektur für ihr Projekt ausgesucht hat.

Doch semi-dezentrale Lösungen sind eben nur semi-dezentral. In Netzwerken, in denen Unternehmen kritische Rollen für das Funktionieren des Netzwerks übernehmen, ist die Notwendigkeit des Vertrauens nicht vollständig abgeschafft. Mit Vertrauen kommt Verantwortung und das lernt Facebook gerade auf die unbequeme Art und Weise.

Zum Autor:

Emanuel Coen ist für Business Development beim Micropayment-Anbieter SatoshiPay verantwortlich. An der Blockchain-Technologie faszinieren ihn vor allem die langfristigen Implikationen auf Politik, Gesellschaft und Wirtschaft.


Autor

  • Nicole Nitsche ist studierte Theaterwissenschaftlerin und hat mehrere Jahre als Regieassistentin beim Thalia Theater Hamburg gearbeitet. Danach war Nicole Leiterin der Presse-und Marketingabteilung eines Hamburger Musiklabels. Als klassische Quereinsteigerin hat sie die komplette Kommunikation sowie den Aufbau der Redaktion bei Payment & Banking geleitet und verantwortet. Nicole ist seit August 2021 Geschäftsführerin von Payment & Banking und ist verantwortlich für die Bereiche Struktur, Planung, Umsetzung und Konzipierung von allen Events (z.B PEX, BEX, TRX & CryptX).

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