Die Payment und Banking-Industrie wird seit vielen Jahren vor allem von jungen Fintech Startups attackiert. Kein Bereich innerhalb der Branche zu dem es keine eigenständige Lösung eines Fintechs gibt. Unternehmen wie N26 in Deutschland oder Venmo in den USA verzeichnen einen signifikanten Zuwachs von Nutzern. Allein das über den peer-to-peer Dienst Venmo abgewickelte Zahlungsvolumen kletterte im vierten Quartal 2016 um 126 Prozent, auf 5,6 Mrd. Dollar nach oben und N26 konnte seit der Gründung 2013 bisher 200.000 Nutzer für sich gewinnen. Dazu kommen eine Vielzahl kleinerer Lösungen, die alleine genommen nicht weh tun, aber in der Summe bei den etablierten Banken zum Zugzwang führen.
Diese Entwicklungen führen dazu, dass etablierte Banken angefangen haben die eigenen Lösungen auf den Prüfstand zu stellen und versuchen den inzwischen digitalisierten Kunden neu zu erreichen. Sei es die Commerzbank, Postbank, HVB, Sparkassen oder Deutsche Bank – inzwischen investiert nahezu jede Bank in digitale Strategien, mit mehr oder weniger Erfolg. Der verlorene Kundenbezug, fehlende digitale Kompetenz sowie technisches Know-How sowie das Unterschätzen der Entwicklungen der letzten Jahre macht der Branche zu schaffen.
Während Fintech Startups versuchen sich einen Stück vom Kuchen abzuschneiden, braut sich am Horizont etwas viel Größeres und Gefährlicheres zusammen und im Hintergrund laufen Vorbereitungen auf den eigentlichen Angriff. Einer, der entweder nicht wahrgenommen wird, oder man nicht weiß wie man darauf reagieren soll: Ein Angriff der globalen Plattformen Google, Apple, Facebook, Amazon oder WeChat.
Dabei geht es jetzt nicht mehr nur um ein Stück vom Kuchen, sondern am liebsten um die ganze Torte, denn gegen einen Angriff von Google & Co wirken die Entwicklungen im Fintech Bereich bestenfalls wie die Krümel auf der vorhandenen Tortenplatte.
Schaut man sich die Entwicklungen der einzelnen Plattformen im Detail an, wird klar warum FinTechs das kleinste Problem der Branche ist.
Amazon – von E-Commerce-Riesen zum Fintech-Riesen?
Einem Gerücht zu Folge, soll Amazon darüber nachdenken, die amerikanische Bank Capital One zu übernehmen. Capital One gehört zu den zehn größten Banken in den USA und führt über 800 Filialen. Im Finanzsegment ist Capital One der größte Nutzer der Amazon AWS Cloud und gilt als Pionier in der Massenvermarktung von Kreditkarten (Capital One ist der größte Kreditkarten Issuer der USA). Mit einer Übernahme würde Amazon zum Acquirer und gleichzeitig zum Monopol-Herausgeber von Kreditkarten. Bisher galt ein Kauf einer Bank für einen Techgiganten wie Amazon als unwahrscheinlich aufgrund der geringen Margen und der starken Regulation.
Da das auf den Benutzerkonten von Amazon verfügbare Geld äquivalent zu Bankguthaben ist und diese Einlagen inzwischen den Gesamtwert kleinerer Banken übersteigen, fangen Aufsichtsbehörden an sich gerade für diese Konten zu interessieren und fleißig zu regulieren.
Das wirft ein völlig neues Licht auf die Übernahme einer Bank. Dazu kommt, dass Amazon Zugriff auf die Transaktionsdaten des größten Kreditkarten- Herausgebers hätte, ergo deutlich mehr über das Konsumverhalten der Kunden erfahren würde.
Wenn Amazon anfängt, noch aktiver im Bereich Payment zu werden und nun mit Finanzdienstleistungen seinen Prime-Account weiter aufwertet (bereits heute gibt Amazon eine Kreditkarte mit Extras fur Prime Kunden heraus) und somit Prime-Kunden z.B. Niedrigzins-Finanzierungen anbietet, betrifft dieses die komplette Finanzindustrie!
Apple – Payment und Banking hat Alltagsrelevanz und ist gut für’s Apple Ökosystem
Im Oktober 2015 startete Apple das mobile Bezahlverfahren Apple Pay in den USA. Inzwischen ist es in 14 Ländern, unter anderem in den USA, UK, China, Spanien, Frankreich und der Schweiz verfügbar. Was zunächst nur dem stationären Handel vorenthalten war, ist inzwischen auch im E-Commerce möglich. Sowohl innerhalb von Apps als auch direkt in Onlineshops, kann mit diesem Verfahren bezahlt werden. Technologisch gesehen partizipiert Apple von der gleichen Technologie wie auch VISA, Mastercard und Amex. Apple bedient mit Apple Pay also “nur” die Kundenschnittstelle, dass aber per Excellence. Inzwischen ist Apple Pay aber im E-Commerce auf Platz 5 der am häufigsten genutzten Online-Bezahlverfahren.
Apple Pay ist für das eigene Unternehmen kein Selbstzweck, sondern ein wichtiges Feature um den Konsumenten im Ökosystem Apple zu halten. Es geht um Alltagsrelevanz – “Kaufen” hat diese Alltagsrelevanz (Bezahlen der natürliche Weg dazu). Wie wichtig dem Giganten das Thema ist, konnte man auf der WWDC 2016 sehen, wo Apple P2P Payment in iMessage über Drittanbieter präsentierte.
Der nächste logische Schritt wäre Möglichkeit ebenfalls Apple Pay zu nutzen um Geld, blitzschnell per iMessage zu versenden. Auch weitere Banking-nahe Funktionen sind kein abwegiges Szenario und an Stelle der “amerikanischen” Kreditkarte könnte in Europa, forciert durch PSD2, das klassische Girokonto mit dem Apple Ökosystem verbunden werden.
Apple geht es also nicht um die Bank, sondern um den User-Nutzen und den Lock-in ins eigene Ökosystem.
Facebook – Kommunikation ist alles und Payment ist Kommunikation
Seit Dezember 2016 hat Facebook eine Banklizenz in Irland. Wie wichtig das Thema für Facebook ist, hat der Gründer letztes Jahr selbst betont: “We’ll partner with everyone who does payments.” so Zuckerberg im Januar 2016. Das der ehemalige PayPal Präsident David Marcus als “Head of Facebook Messenger” eingestellt wurde, ist sicher auch kein Zufall. Facebook Payments ist in den USA schon seit geraumer Zeit verfügbar und ein Europastart nur eine Frage der Zeit. Facebook entwickelt sich immer mehr zu einer Plattform mit unterschiedlichsten Diensten. Neben seiner Alltagsrelevanz, braucht es Payment an unterschiedlichen Stellen.
Wenn der Nutzer zum Geldversand den Messenger nicht verlassen muss, stellt der Anbieter sicher, dass dieser automatisch länger auf der Plattform verweilt. Mit der bevorstehenden PSD2 (Payment Service Direktive)-Regulierung und damit einhergehend XS2A (Access to Account) kann der Endkunde über den Zugriff auf seine eigenen Bankdaten entscheiden und diese Dritten, z.B. Facebook zugänglich machen.
Facebook könnte diese Daten nutzen, um sich zu einem echten Identitätsprovider zu entwickeln und darauf aufbauend neue und weiter gehende Dienste anzubieten (de facto ist der Facebook Login Button im Internet bereits heute ein Identitätsprovider).
Man stelle sich vor, wie einfach ein Checkout-Prozess mit einem Facebook-Connect im E-Commerce aussehen kann, wenn der Facebook-Account mit Hilfe von Onlinebanking-Daten angereichert und vor allem verifiziert ist. Adress-Check, Financial-Score und Payment, alles im Facebook-Account vereint – mit einer Aussagekraft und Aktualität, die weit über eine SCHUFA-Auskunft hinaus geht.
Google – der gläserne Nutzer. Payment und Banking reichert Profildaten an
Auch Google bietet mit Android Pay ein mobiles Bezahlverfahren an, welches sich technisch nicht von Apple Pay unterscheidet. Android Pay kann ebenfalls im E-Commerce genutzt werden und ist in acht Ländern, darunter den USA, UK, Polen und Japan verfügbar. Google hat darüber hinaus seit 2007 eine Banklizenz in Europa, wie die Seite der britischen Finanzaufsicht zeigt. Google lebt von dem Verkauf zielgerichteter Werbung. Je besser ein Nutzerprofil, desto zielgerichteter kann Google Werbung anzeigen.
Google genießt großes Vertrauen bei einer jüngeren, internet-affinen Zielgruppe. Eine von Fujitsu durchgeführte Studie Mitte letzten Jahres, hat gezeigt, dass 20 Prozent der 7.000 Befragten ein Konto bei einer der Plattformen wie z.B. Google nutzen würden. Angesichts des massiven Relevanzverlust, den die Bankbranche in den vergangenen Jahren erlitten hat, kein Wunder. Ein von Google angebotenes Bankkonto wird sich drastisch von den Onlinebanking-Produkten der etablierten Banken unterscheiden und wäre vor allem eines: Sehr einfach in der Nutzung.
Wie sehr sich Google für das Thema interessiert, kann man auch an den Investments in Fintech-Startup Bereich sehen: 13 Prozent der Investitionen von Google Ventures, dem Investmentarm von Google, gehen an diese Branchenneulinge.
WeChat
Traditionell wird zum chinesischen Neujahrsfest, dem Hong Bao, ein mit Geldgeschenkengefüllterroter Umschlag überreicht. An diesem Tag (28.01.) wurden über den Tencent Messenger WeChat, 14,2 Milliarden digitale rote Umschläge verschickt. Das entspricht 760.000 Transaktionen – pro Sekunde. Weltweit hat WeChat über 850 Millionen Nutzer, fast ausschließlich in China. Lediglich 70 Millionen Nutzer findet man außerhalb von China.
Zum Vergleich: der Facebook Messenger und WhatsApp kommen auf jeweils 1 Milliarde Nutzer – weltweit. Schaut man sich die Nutzung von WeChat an, ist WeChat Facebook und WhatsApp als Plattform weit überlegen. Schon heute haben über 200 Millionen Nutzer WeChat mit ihrer Kreditkarte verbunden und können die Plattform im E-Commerce und bei über 300.000 Händlern im Retail, zum Bezahlen nutzen. Darüber hinaus kann es auch zum OnlineBanking genutzt werden.
Banken wie die Bank of China oder ICBC bieten entsprechende Funktionen an, WeChat bietet die Kundenschnittstelle, die Bank agiert ausschließlich im Hintergrund.
Auch wenn Tencent mit seinem Programm keine gute Internationalisierungsstrategie hinbekommt und WeChat außerhalb von China keine Verbreitung hat, muss das nicht so bleiben, denn auch so ist WeChat eine mächtige Plattform und somit eine Gefahr für die Finanzbranche geworden.
Fazit
Schaut man sich die Entwicklungen der Plattformen in den letzten Jahren an, sind es nicht die Fintech Startups vor denen man Angst haben muss. Es sind die Plattformen, die sich ganze Industriezweige zu eigenen machen, sobald es der eigenen Strategie zuträglich ist. Payment und Banking sind keine Produkte mehr, sondern werden in Ökosystemen aufgehen. Im Payment ist diese Entwicklung im vollen Gange und auch im Banking werden wir diese Entwicklung mit XS2A sehen.
Die etablierten Banken werden ihre Rolle überdenken und gleichzeitig entscheiden müssen ob die eigenen Lösungen in Plattformen aufgehen werden und man als Backendprovider arbeiten wird oder ob man es schafft, eine eigene Plattform auf die Beine zu stellen und den Spieß anfängt umzudrehen.
Wie schnell ein ganzer Industriezweig ins Straucheln geraten kann, zeigt Amazon im Bereich der Logistik. Kein Startup wurde DHL & Co gefährlich sondern die Tatsache, dass Amazon gerade seine eigene Logistikstrecke aufbaut.
Auch beim Thema Mobile Payment waren es nicht die unzähligen Anbieter mobiler Bezahlverfahren, die einen Service etabliert haben der eigentlich den Banken vorenthalten war, sondern Apple mit Apple Pay und Google mit Android Pay.
In der Finanzbranche wird etwas sehr Ähnliches passieren und gute Fintech Startups werden von den Plattformanbietern übernommen. Mittelfristig mögen es die Fintech Startups sein, die es den Banken schwer machen. Langfristig sind es die Plattformen die ein viel mächtigerer Gegner sind.
Maik Klotz ist Berater, Sprecher und Autor zu den Themen Banking, Payment, Digital Identity, E-Commerce und Retail mit starkem Fokus auf „mobile“. Seit vielen Jahren berät Maik Unternehmen zu kundenzentrierten Innovationsmethoden und der Fokussierung auf den Nutzer. Er wurde von der Süddeutschen Zeitung in der Serie „Impulsgeber“ der Branche portraitiert und moderiert und spricht auf vielen Branchen-Events. Maik ist Imker.Maik ist Co-Founder von Payment & Banking und ist im Team mitverantwortlich für Marketing, Strategie und Events, insbesondere der Transactions.io [mehr]