Eine Bilanz-Kolumne von Miriam Wohlfarth über die neuen „Smartphone-Banken“
Mit N26 und Revolut erledigen Kunden Bankgeschäfte am Handy. Die Smartphone-Banken haben in den vergangenen drei Jahren über eine Million Kunden gewonnen. Werden wir künftig alle unsere Bank in der Hosentasche tragen?
Zuerst erschienen auf welt.de
Klassische Bank vs. Smartphone-Bank: Die spannende Frage ist, wem trauen wir zu, dass er, wie es Banking-Experte André M. Bajorat so schön formuliert, künftig unser „digitales finanzielles Zuhause“ wird?
Die klassische Bank, darunter verstehen die allermeisten von uns ihre Hausbank, bei der die ganze Familie fünf Konten hat, bei der es Berater gibt, die man in einer Filiale aufsuchen kann, vor der ein Bankautomat hängt. Ein Knotenpunkt, an dem Geld rein- und wieder rausgeht.
Banking wiederum bezeichnet die Dienstleistungen einer Bank: Konto, Zahlungsverkehr, Geldanlage, Kredite und Beratung. André Bajorat sagt: „Faktisch gibt es heute nur noch wenig Menschen, die alle klassischen Bankdienstleistungen bei einer Bank haben. Diese Entwicklung hat mit dem Internet an Dynamik zugenommen: Kredite, Baufinanzierungen, Anlagen konnte man leicht an Zweit- oder Drittanbieter auslagern, je nachdem, wer die besten Konditionen hatte. Plötzlich besaß man eine Kreditkarte von einem anderen Anbieter und zusätzlich noch ein PayPal-Konto.“
An der Nutzung dieser Dienste hat sich nicht viel verändert. Aber ich kenne einige Leute, die gar nicht mehr den Überblick haben, was sie eigentlich alles so abgeschlossen haben und bei wem. Ich denke, dass sich die Nutzer finanzieller Dienstleistungen über kurz oder lang wieder einen Ort wünschen, an dem alle Fäden zusammenlaufen – auch wenn die einzelnen Dienstleistungen von unterschiedlichen Unternehmen angeboten werden.
Ist dieser Ort dann die klassische Bank? Oder eine Smartphone-Bank? Oder jemand ganz anderes?
Klassische Banken sind spät aufgewacht
Die traditionellen Banken haben es in diesem Wettbewerb nicht leicht. Ihre IT-Infrastruktur stammt oft noch aus den 70er-Jahren, und die Entwickler, die deren Programmiersprache beherrschen, sterben allmählich aus. Lange haben sich die Banken auf dem ausgeruht, was sie hatten: Die Filiale, den Bankautomaten und die Kundenbeziehung.
Diese Vorteile wurden im Glauben an Alleinstellung jedoch nicht optimal genutzt. Aus den Filialen wurden wir Kunden faktisch durch SB-Stationen im Eingangsbereich vertrieben, auf dass sich bitte nur im größten Notfall jemand hinter die hellgraue Stellwand zum Berater wage.
In den letzten drei Jahren hat bei den Banken allerdings ein Umdenken eingesetzt; interne Papiere belegen, dass man sich durchaus im Klaren ist, dass es so nicht weitergeht, und jede Bank versucht, Strategien für das digitale Zeitalter zu entwickeln. Die Fragestellung hat sich glücklicherweise verändert, weg von „Was möchte das Kreditinstitut?“ hin zu „Was will der Kunde?“.
Der Kunde will vor allem, dass Bankdienstleistungen zu seinem mobilen, digitalen Leben passen und einfach und geräuschlos abgewickelt werden können. Schalteröffnungszeiten passen da nicht rein. Mehr Deutsche denn je nutzen Onlinebanking, anstatt in die Filiale zu gehen. Und nun kommen die Smartphone- oder auch Neo-Banken um die Ecke, sägen den klassischen Banken digital förmlich die Füße weg und wollen an das Ankerprodukt: das Girokonto.
Kundenbedürfnisse das A und O
Diese neuen Banken punkten mit digitaler Exzellenz und niedrigen Kosten. Wer keine Filialen zu unterhalten hat, kann – wie schon vor 15 bis 20 Jahren die Direktbanken – Services günstiger machen. Oft bieten die Smartphone-Banken nicht viel mehr als ein Konto mit einer Bankkarte in Eigenregie an; der Rest wird dazugekauft. André Bajorat: „N26 etwa hat das schlau gemacht. Sie arbeiten mit anderen Anbietern zusammen, um ihren Kunden Services wie Versicherungen, Anlagen, Versicherungen, Auslandszahlungsverkehr oder Kredite anbieten zu können, und schauen in aller Ruhe, welche Services funktionieren. Die bauen sie dann über kurz oder lang sicherlich auch selbst.“
Die neuen Banken haben einen radikalen „Mobile First“-Ansatz und einen unbedingten Fokus auf die perfekte User-Experience. Sie wollen Relevanz erlangen, indem sie ihren Zielgruppen genau das geben, was sie brauchen.
Kontist und Holvi etwa sind Anbieter, die sich mit ihren Banking-Apps speziell an Freelancer und Selbstständige richten – Zielgruppen, die von den klassischen Banken nie sonderlich ernst genommen wurden und in der modernen Arbeitswelt eine hohe Relevanz haben.
Die Banken ziehen nach: Sie kooperieren mit Fintechs oder investieren im großen Stil, eröffnen Innovationshubs wie die Commerzbank und die Sparkassen. Doch bis es sich zu jungen IT- und UX-Talenten herumgesprochen hat, dass sie sich doch mal bei einer traditionellen Bank bewerben sollen, wird wohl noch etwas Zeit vergehen.
Auch Google und Apple drängen auf den Markt
Am Ende wird es wahrscheinlich nicht die eine Lösung geben, und die Smartphone-Banken werden friedlich neben den klassischen Banken existieren. André Bajorat: „Wie schon die Direktbanken vor 15 Jahren werden die Smartphone-Banken ein substanzielles Business aufbauen, aber die klassischen Banken nicht komplett vernichten.“
Anders könnte es beim Banking aussehen, wo wir sicher noch die ein oder andere Überraschung erleben. Es wird Player im Markt der Finanzdienstleistungen geben, die wir jetzt nicht auf dem Schirm haben.
Vor allem Anbieter mit viel Know-how im Bereich IT und UX, mit vielen Kunden und hoher Tagesrelevanz. Man denke an Google, Amazon, Facebook, Apple, aber auch an riesige Zahlungsdienstleister wie das niederländische Adyen, Wirecard oder das chinesische Alipay. Am Ende wird derjenige das Rennen machen, der seinen Kunden Relevanz, Transparenz, Datensicherheit und ein intuitives digitales Erlebnis bietet.
Zur Autorin:
Miriam Wohlfarth ist ein festes Mitglied bei paymentandbanking. Als Gründerin und Geschäftsführerin von RatePay mischt sie seit einigen Jahren die FinTech-Szene auf, und ist mittlerweile ein festes Gesicht in der Branche, dabei engagiert sich gerade für die weibliche Riege in ihrem Arbeitsumfeld. Sie ist Autorin, Rednerin sowie Ideengeberin und Initatorin der Payment-Exchange. Seit geraumer Zeit auch BILANZ-Kolumnistin für die WELT.
Die Kolumne werden wir hier künftig regelmäßig abbilden.