Vor Kurzem hat Europas führender Growth Investor Finch Capital die Übernahme zweier Open-Banking-Pioniere durch seine Holding Crastorehill verkündet. Qwist und ndgit operieren nun unter einem gemeinsamen Dach. Im Interview sprechen wir mit Qwist-CEO Nicola Breyer und ndgit-CEO Oliver Dlugosch über die nächste Stufe von Open Finance und ihre gemeinsame Vision für den Markt.

Was hat sich für Euch seit der Verkündung geändert?

Nicola: Seit wir die Neuigkeiten verkündet haben, stehen wir täglich in intensivem Austausch und arbeiten aktiv zusammen an den sich bietenden Möglichkeiten – sei es im Rahmen internationaler Expansion oder im Dialog über Industriesegmente und bestehende sowie potenzielle Kunden. Dabei identifizieren und nutzen wir gezielt unsere Stärken, denn hier ergänzen wir uns sehr gut: Beispielsweise hat ndgit bereits seit einiger Zeit in ein professionelles Marketing-Setup investiert, während Qwist noch in einem etwas kleineren Maßstab agiert. Obwohl wir kürzlich ein Rebranding durchgeführt haben, um nach vielen Jahren als finleap connect mit Qwist eine eigene und noch stärkere Markenidentität zu schaffen, sehen wir hier noch viel Entwicklungspotenzial.

Auf unserer Seite haben wir verstärkt in den Vertrieb und das Key Account Management investiert und bringen hier umfangreiches Wissen sowie langjährige Erfahrung mit. Als reguliertes Unternehmen legen wir großen Wert darauf, die hohen Standards der Bafin auf allen Ebenen zu erfüllen, um ein sicheres und vertrauenswürdiges Umfeld für unsere Kunden zu schaffen – insbesondere im Hinblick auf den Austausch sensibler Daten. Dies ist unerlässlich.

In Eurer Meldung sprecht Ihr von Eurem gemeinsamen Marktpotenzial im Open Banking. Könnt ihr das noch etwas erläutern?

Oliver: Mit ndgit und Qwist schließen sich nun die zwei großen unabhängigen Open Banking Anbieter in Deutschland zusammen. Wir bedienen heute schon führend die DACH-Region, Spanien und Portugal. Gemeinsam decken wir die gesamte Wertschöpfung des Open Bankings ab, vom Kernsystem der sich öffnenden Banken und Versicherungen bis zu den Analysen und neuen Geschäftsmodellen in neuen Applikationen für den Endkunden. So positionieren wir uns gemeinsam für eine zweite und nachhaltige Welle von Open Finance Lösungen, in der wir einen Zugang zu viel mehr Finanzprodukten und Kundendaten schaffen werden, tiefgehende Datenanalysen ermöglichen und neue plattformartige Geschäftsmodelle anbieten – für Endkunden, Partner mit Endkunden-Prozessen und Banken in ganz Europa.

Wenn wir über Open Banking und PSD2 sprechen, möchte man oft eine Bilanz ziehen: Wie sieht denn das bisherige Erfolgsmodell bei Qwist aus?

Nicola: Bei Qwist betrachten wir PSD2 als eine Initialzündung für Open Banking. Die PSD2 hat die Basis dafür geschaffen, dass Verbraucher ihre Bankdaten anderen Dienstleistern sicher und einfach zur Verfügung stellen können. So wurde das Konzept der Öffnung von Datenschnittstellen etabliert, von dem wir Endkonsumenten heute in Form eines besseren Kundenerlebnisses profitieren. Die Infrastruktur ist erfolgreich etabliert worden und funktioniert für alle Marktteilnehmer.

Unsere Erfolgsgeschichte bei Qwist ist geprägt von innovativem Denken und fortschrittlichen Lösungen. Wir zeichnen uns durch die umfassende Aggregation von Finanzdaten über verschiedene Produkte und mehr als 3.000 Finanzinstitutionen aus. Das bedeutet, dass wir nicht nur Daten zusammenfügen, sondern diese auch harmonisieren und kategorisieren. Darauf basierend haben wir sehr klare Lösungen entwickelt, die Probleme und Fragen unserer Kunden rund um die Themen Umsatzsteigerung, Automatisierung und Minimumreduzierung zu lösen.

Unsere Stärke liegt in der Schaffung eines einzigartigen Marktwerts durch eine marktführende B2B2X Open-Banking-Produktsuite. Diese ermöglicht es unseren Partnern, Daten mithilfe vorkonfigurierter Anwendungsfälle zu monetarisieren.

Wir glauben, dass ein echter Mehrwert entsteht, wenn offene Daten und fortschrittliche Analysen kombiniert werden.

Wir glauben, dass ein echter Mehrwert entsteht, wenn offene Daten und fortschrittliche Analysen kombiniert werden. In diesem Sinne sehen wir die Entstehung datenbasierter Anwendungsfälle, wie beispielsweise Risikoanalysen und Kontoverifizierungen. Gleichzeitig entwickeln wir fortschrittliche Datendienste wie Cashbacks und Verkaufstrigger. So schaffen wir nicht nur ein erfolgreiches Geschäftsmodell, sondern gestalten aktiv die Zukunft von Open Banking und PSD2 mit.

Und was ist die Stärke des Open Finance von ndgit?

Oliver: ndgit unterstützt im Schwerpunkt Banken und Finanzdienstleister dabei ihre Daten für digitale Partner zu öffnen und ihre Open API Strategien zu implementieren. Mit unserer Open Finance Plattform wurde das erste und bisher erfolgreichste Open Banking Ecosystem der Schweiz implementiert und haben viele der großen Banken Europas bankseitig ihre PSD2 Schnittstellen umgesetzt. Damit gestalten sie ihre Open Data Zukunft im Bereich PSD3, Multibanking, Open Wealth oder im Kontext von Online-Finanzierungen.

Da wir in dem nicht standardisierten Bereich von Finanzierungen einen besonderen Bedarf für die Vernetzung von Banken und digitalen Anbietern im E-Commerce wie im Automotive-Bereich sehen, bieten wir hier eine Plattform-Lösung an. Damit können Kunden beim Kauf von hochpreisigen Produkten, verschiedene, in den Shop eingebettete Finanzierungslösungen als alternative Bezahlmethode nutzen – mit angebundenen best-of-breed Banken.

Wo seht Ihr nun die gemeinsamen Mehrwerte für Eure Kunden?

Oliver: Qwist und ndgit können den Open Banking Kunden nun eine gesamtheitliche Lösung anbieten. Dazu gehört das Öffnen der Bank mit neuen Open APIs für alle Finanzprodukte. Und auf der anderen Seite die Nutzung der Daten in Open Banking Use Cases rund um die Aggregation oder die Analyse von Konto-, Depot-, Finanzierungs- oder Versicherungsdaten. Das können wir den vielen großen Banken, die bisher mit uns zusammenarbeiten, genauso anbieten wie der schnell wachsenden Zahl an Kunden im E-Commerce oder anderen Segmenten.

Qwist und ndgit können den Open Banking Kunden nun eine gesamtheitliche Lösung anbieten.

Damit werden wir sehr zeitnah unsere Heimatmärkte inklusive der Schweiz, Spanien sowie weitere Regionen außerhalb Europas adressieren, in denen teilweise regulatorisch oder technologisch Nachholbedarf besteht. Ebenso wollen wir gemeinsam neue Datenanalysen und Lösungen für Endkunden entwickeln. Ein Beispiel ist die E-Commerce-Finanzierung von ndgit, bei der wir nicht nur die Kreditangebote von Banken anbinden, sondern die Produktauswahl für den Endkunden mit der Profilierung und der Analyse von Qwist deutlich optimieren.

Die PSD2 hat viel verändert. Warum ist eine Überarbeitung in Form der PSD3 trotzdem notwendig?

Nicola: Die PSD2 hat zweifellos positive Entwicklungen im europäischen Zahlungsmarkt vorangetrieben, indem sie Drittanbietern Zugang zu Kontoinformationen und Zahlungsdiensten ermöglicht hat. Dennoch hat der umfassende Evaluierungsprozess von 2022 gezeigt, dass einige Herausforderungen noch nicht zufriedenstellend gelöst sind. Sicherheitsaspekte, Datenschutz und technische Anforderungen sind weiterhin kritische Punkte, die durch die kommende PSD3 adressiert werden sollen. Das positive Feedback unserer Kunden bestätigt, dass der Ausbau eine entscheidende Lücke schließt, und das stärkt unsere Überzeugung, dass die Notwendigkeit hier klar gegeben ist. Nichtsdestotrotz sehen wir in der PSD3 eher eine Anpassung. Die wirklichen Innovationen werden durch PSR und FIDA gefördert.

Warum wird die PSD3 einen Einfluss auf die Kundenakzeptanz und das Vertrauen haben?

Oliver: Die Sicherheit im Zahlungsverkehr steht im Fokus der PSD3. Nehmen wir beispielsweise die Maßnahmen gegen Spoofing: Hier werden den getäuschten Verbrauchern erweiterte Erstattungsrechte eingeräumt. Zudem wird eine Überprüfung der Übereinstimmung der IBAN mit dem Kontonamen eingeführt, um IBAN-Betrug zu verhindern. Diese Sicherheitsaspekte werden dazu beitragen, betrügerische Aktivitäten und den Missbrauch von Kundendaten zu minimieren.

Nicola: Genau, und damit natürlich auch das Vertrauen der Menschen in das sichere Teilen von Daten gestärkt. Hier haben wir nämlich noch sehr viel Aufklärungsbedarf.

Kurz erklärt: PSR und FIDA

Die PSR ist eine EU-Verordnung (Payment Service Regulation). Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sofort nach Inkrafttreten in allen EU-Mitgliedsstaaten gilt, ohne dass sie erst noch in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die PSR regelt vor allem zivilrechtliche Angelegenheiten. Darunter fallen etwa auch Bestimmungen zum Open Banking.

Zeitgleich hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zu einem Rahmenwerk für den Zugang zu Finanzdaten vorgelegt (Framework for Financial Data Access and amending Regulations, „FIDA-E“, abrufbar hier), mit dem der über die PSD2 eingeführte Zugang zu bestimmten Kontodaten auf eine Reihe weiterer Finanzdaten ausgedehnt werden soll – damit ist die nächste Stufe des Open Banking auf den Weg gebracht: Open Finance.

Die mit der PSD3 verbundene FIDA wird ja noch viel mehr Bankprodukte für Drittpartner öffnen. Ist das aus Eurer Sicht eine Revolution?

Nicola: Die FIDA schafft einen klaren Rechtsrahmen und kann als Impulsgeber für die nächste Stufe, nämlich Open Finance, betrachtet werden. Sie etabliert ein Rahmenwerk für den Zugang zu Finanzdaten und erweitert Kontozugangsrechte, indem sie das Konzept von Open Banking auf die nächste Ebene hebt – Open Finance.

Wir sind fest davon überzeugt, dass wir uns am Anfang einer zweiten Welle der Wertschöpfung im Open-Banking-Markt befinden, angetrieben durch die Impulse der PSD3, die eine grundlegende Markttransformation vorantreiben wird.

Wo seht Ihre denn über die PSD3 hinaus die weitere Zukunft von Open Finance oder Open Data?

Nicola: Wir sind fest davon überzeugt, dass wir uns am Anfang einer zweiten Welle der Wertschöpfung im Open-Banking-Markt befinden, angetrieben durch die Impulse der PSD3, die eine grundlegende Markttransformation vorantreiben wird. Dabei sehen wir erhebliches Wachstumspotenzial durch eine umfassende Akzeptanz im Massenmarkt, die Skalierung von Dienstleistungen und die Erschließung neuer Anwendungsfälle. Aus diesem Grund arbeiten wir nun mit vereinten Kräften an einer gemeinsamen Produkt-Roadmap, um genau diese Welle mitzunehmen und unseren Kunden das bestmögliche Angebot liefern zu können.

Was werden die neuen erfolgreichen Use-Cases im Open Finance sein? Wie werden sich ndgit und Qwist dort aufstellen?

Oliver: Es entstehen neue spannende Anwendungsfälle, wenn man die standardisierten Schnittstellen der Banken nutzt, anreichert und neue Lösungen für den Endkunden schafft. Gerade im Kontext von Embedded Finance können Finanzprodukte einfach und optimiert angeboten werden, wo der Kunden sie online oder mobil bei dem digitalen Anbieter seiner Wahl benötigt – etwa für den Einkauf, die Finanzierung oder Versicherung. Das werden wir sicher im Bereich der Finanzierungen im E-Commerce weiter entwickeln. Darüber hinaus sind neue vertikale Lösungen von uns auch in den Bereichen rund um Karten, Geldanlagen oder SME-Banking denkbar. Profitieren werden davon nicht nur die neuen Geschäftsmodelle im Banking und Insurance, sondern auch unsere Kunden im E-Commerce oder Online-Plattformen.

Nicola: Zusätzlich zu dem, was Oliver gesagt hat, bedeutet dies für Qwist, dass wir bereits in Zusammenarbeit mit ndgit prüfen, wie wir unsere Open-Banking-Produkte im Bereich AIS, Kategorisierung und noch erfolgreicher auf den Schweizer Markt ausdehnen können. Durch diese Kooperation möchten wir nicht nur den aktuellen, sondern auch den zukünftigen Kundenstamm von ndgit in der Schweiz bedienen. Generell werden wir unsere Fähigkeiten im Bereich Data Analytics, Machine Learning und auch AI immer weiter ausbauen, auch mit Hinblick darauf, immer weitere Datenquellen zu unserer Plattform hinzuzufügen.

Die Erweiterung des europäischen Standards im Jahr 2025 wird dem Open-Banking-Segment neuen Auftrieb geben und die Nutzung von Open Data auf den Gesamtmarkt ausweiten. Mehr dazu gibt es demnächst im Payment & Banking Podcast.

Unsere Gesprächspartner:innen

Nicola Breyer, CEO von Qwist

Nicola Breyer, CEO von Qwist, begann ihre Karriere in den den späten 90er Jahren. Damals widmete sie sich unter dem Begriff “Internet-Finanzdienstleistung” der Einführung von Online-Hypotheken in die USA, England und Frankreich. Seit 2016 ist sie im Fintech-Bereich tätig, und seit 2018 spezialisiert sie sich auf Open Banking. Vor ihrer Rolle bei Qwist sammelte Breyer wertvolle Erfahrungen als Geschäftsführerin bei einem anderen Open-Banking-Unternehmen und bei PayPal, wo sie zwischen 2018 und 2020 im Bereich Innovation und Growth tätig war.

Oliver Dlugosch gründete Ndgit zwischen 2016 und 2017 und hatte zuvor Führungspositionen in verschiedenen Unternehmen inne und blickt auf mittlerweile 20 Jahre Erfahrung im Bereich Digital Banking, API-Strategien und API Banking zurück.

Oliver Dlugosch, Gründer Ndgit

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