Das Arbeiten in der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weitverbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? In unserer Reihe “Die Gesichter der FinTech-Branche…” beantwortet jeden Monat eine Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen.
Dürfen wir vorstellen…
Während unseres Arbeitsalltags begegenen uns immer wieder spannende Menschen, die im gleichen Umfeld tätig sind, die uns nur einmal oder immer mal wieder begegnen oder uns sogar schon privat sehr ans Herz gewachsen sind – jeder von Ihnen hat eine eigene Geschichte. Wir haben ein paar dieser Menschen aus unserem nächsten FinTech-Umfeld interviewt, um ihnen ein Gesicht zu geben. Um zu teilen, warum diese Branche für sie viel mehr ist als eine weitere Art, seine Miete zu bezahlen. Diese Menschen und deren Vita möchten wir ab heute in einer ganz eigenen Kategorie kurz portraitieren und vorstellen und haben dazu einen immergleichen Fragenkatalog entworfen. Diesmal beantwortet Joerg Schwitalla von der giropay GmbH unsere Fragen.
Wer bist Du, was macht Du?
Mein Name ist Joerg Schwitalla, ich bin 38 Jahre alt, verheiratet und seit 2009 Geschäftsführer der giropay GmbH.
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
1999 habe ich bei der Kreissparkasse Bersenbrück in Niedersachsen meine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert.
Eine Station während der Ausbildung war auch die Zahlungsverkehrsabteilung. An großen Microfiche Lesegeräten haben wir dort Kontoumsätze herausgesucht und diese per Schreibmaschine auf Kontoauszugsblätter übertragen, weil der Kunde seine Originale verloren hatte. Interessanter wurde es dann 2005, als ich zum Deutschen Sparkassen- und Giroverband nach Berlin gewechselt bin und dort u.a. im Projekt „Gemeinsame Realisierung eines Online-Bezahlverfahrens im Internet – kurz GROBI“ und heute besser bekannt als giropay – mitgearbeitet habe. Das waren die ersten richtigen Berührungspunkte im Paymentbereich und der Bankenpolitik.
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
Das kann ich so pauschal gar nicht sagen. Aber gerade mit Blick auf die Entwicklung von giropay 2005, kann man schon mal behaupten, dass wir damals eines der ersten FinTechs in Deutschland waren. Nur damals gab es diesen schönen Begriff noch nicht.
Wie definierst Du FinTech?
Für mich steht FinTech für die Vereinfachung von Finanzdienstleistungsprozessen und -produkten. Die Komplexität zu verringern, neue Produkte zu kreieren, das ist die Stärke von FinTech. Dabei ist es grundsätzlich erst einmal unerheblich, ob die Zielgruppe eher Banken oder Finanzdienstleistungsunternehmen sind oder ob sich ein FinTech mit seinem Produkt direkt an Firmen-bzw. Privatkunden wendet.
Wichtig ist nur, dass es um eine wirkliche Vereinfachung geht und ein echter Mehrwert für die jeweilige Zielgruppe generiert wird. Fehlt dieser, wird das FinTech über kurz oder lang wieder vom Markt verschwinden. FinTech-Hype hin oder her.
Was glaubst Du, machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
Der Begriff „etablierte Unternehmen“ wirkt auf mich im Kontext mit FinTechs nicht unbedingt positiv. Dabei haben die „etablierten Unternehmen“ in der Finanzwelt gar keinen Grund, sich zu verstecken. Wenn wir uns den Zahlungsverkehr in Deutschland anschauen, haben die Banken und Sparkassen hier sehr viel richtig gemacht. Ich behaupte mal, dass sie durch den offenen Standard FinTS den Grundstein dafür gelegt haben, dass FinTechs heute überhaupt in diesem Bereich Innovationen entwickeln können. Sicherlich ist FinTS nicht bewusst zu diesem Zweck entwickelt worden, und die Kreditinstitute müssen sich auch erst noch an die neuen Mitbewerber gewöhnen. Aber wenn sich die etablierten Unternehmen auf die Bedürfnisse ihre Klientel konzentrieren, dann haben sie in der Vergangenheit Innovationskraft bewiesen. Und das mit einer Qualität, von der FinTechs lernen können.
Was kann man von FinTechs lernen?
Ich glaube, jeder der diese Frage hört, würde sofort mit Schnelligkeit, Flexibilität oder Agilität antworten. Sicherlich sind das alles Attribute, mit denen sich ein Unternehmen und insbesondere auch Banken schmücken möchten.
Ich finde es aber noch viel wichtiger, sich das Unternehmertum und den Unternehmergeist von FinTechs abzugucken: neue Ideen zu entwickeln, das Geschäftsmodell in den Markt zu bringen und bewusst auch das Risiko einzugehen, damit Schiffbruch zu erleiden. Das ist etwas, was ich leider oftmals in der Kreditwirtschaft vermisse. Es fehlt an Mut, auch einmal 80%ige Lösungen am Markt zu platzieren und zu gucken, ob es grundsätzliches Interesse dafür gibt, und wenn nicht, seine Lehren daraus zu ziehen und den nächsten Testballon zu starten.
Anders gesagt: Sich als Banker jetzt auf einmal mit bunten Socken und Chinohose zu kleiden, anstatt im Anzug aufzutreten, reicht bei Weitem nicht aus.
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Gerade in großen Unternehmen arbeiten unzählige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nicht alle davon springen gleichvvor Freude in die Luft, wenn die Unternehmensleitung Innovationen verkündet und, dass ab morgen alles ganz anders gemacht wird als in den vergangenen x Jahren. Viele unterschätzen die Behäbigkeit des Unternehmens bei Veränderungsprozessen. Gerade in einem disruptiven Prozess, wie es die Digitalisierung für einzelne Unternehmen sein kann, ist meiner Meinung nach die Einbeziehung der Mitarbeiter das erfolgsentscheidende Kriterium.
Außerdem: Konzerne haben in ihrem eigenen Ökosystem komplexe Strukturen entwickelt, die nicht von jetzt auf gleich geändert werden können. Vielleicht ist die Digitalisierung genau die Chance, zukünftig auch in Konzernstrukturen agiler und flexibler auf Veränderungsprozesse zu reagieren. Aber da muss das Unternehmen erst einmal hinkommen.
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Ich habe großen Spaß daran, am Wochenende handwerklich in Haus und Garten zu agieren. Wenn ich nicht meine Ausbildung bei der Sparkasse begonnen hätte, wäre es wahrscheinlich etwas Handwerkliches geworden. Mein Favorit: Tischler.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Ich habe in den vergangenen Jahren sehr viele E-Commerce-Unternehmen besucht und dort umfangreiche Einblicke bekommen. Ich habe Glaspaläste gesehen, moderne Großraumbüros aber auch Firmengebäude mit morbiden Charme.
Es war alles dabei. Und überall habe ich zufriedene Menschen getroffen, die ihre Arbeit dort gerne machen. Mir geht es in meinem Unternehmen ganz genauso so. Ich bin gerne bei giropay und das jeden Tag aufs Neue.
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Mit Barak Obama, um von ihm einmal ungefiltert zu hören, was er von Donald Trump hält. Aber ob da ein Bier ausreicht?
Nicole Nitsche ist studierte Theaterwissenschaftlerin und hat mehrere Jahre als Regieassistentin beim Thalia Theater Hamburg gearbeitet. Danach war Nicole Leiterin der Presse-und Marketingabteilung eines Hamburger Musiklabels. Als klassische Quereinsteigerin hat sie die komplette Kommunikation sowie den Aufbau der Redaktion bei Payment & Banking geleitet und verantwortet. Nicole ist seit August 2021 Geschäftsführerin von Payment & Banking und ist verantwortlich für die Bereiche Struktur, Planung, Umsetzung und Konzipierung von allen Events (z.B PEX, BEX, TRX & CryptX). [more]