Das Arbeiten der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weit verbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum?
In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Stephan Spies von adorsys unsere Fragen.
Dürfen wir vorstellen: Stephan Spies von adorsys
Wer bist Du, was machst Du?
Nach verschiedenen Etappen in der Finanzdienstleistungsbranche hat mich im Januar 2020 mein Weg zur adorsys geführt. Hier begleite ich als Key Account Manager unsere Kund:innen aus dem Finanzumfeld auf ihrem Weg der digitalen Transformation. Unsere Unterstützung reicht dabei von der Organisation eines maßgeschneiderten Innovation-Workshops zur konkreten Umsetzung von Digitalisierung- und Cloud-Strategien bis hin zur Integration neuer Business Modelle!
Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?
Der ist sehr schwer vorher zu beschreiben, da meine Tätigkeiten sehr abwechslungsreich sind. Insgesamt unterstützen ca. 60 unserer IT- und Fach-Expert:innen von der adorsys die von mir betreuende Kundschaft in zahlreichen IT-Projekten. Da gibt es viele operative und organisatorische Abstimmungen, um die ich mich kümmern darf.
Darüber hinaus setzen wir uns regelmäßig mit unseren Auftraggebenden zusammen und sprechen über neue Impulse und Innovationen. Sowohl technologische Neuerungen als auch Veränderungen am Finanzmarkt sind für unsere Zielgruppe von Bedeutung. Einen Teil meiner Zeit verbringe ich deshalb auch damit, mich auf dem Laufenden zu halten und Innovation Workshops zu entwickeln.
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
Nach meiner Zeit als Software-Entwickler und Quality-Engineer bin ich 2010 bei einem Münchner Unternehmen aus dem Bereich Loyalty-Programme als Teamleiter Web-Entwicklung in eine IT-Führungslaufbahn eingebogen. Als es mich 2014 wieder in meine Oberpfälzer Heimat zog, bekam ich die Gelegenheit für eine Nürnberger Online-Bank als Teamleiter die Mobile-Entwicklung zu verantworten. Ziel war es, mit einer „mobile first“ Strategie und einer modernen, skalierbaren und kostenoptimierten IT-Architektur neue Kunden-Segmente für das Trading-Geschäft der Bank zu erobern.
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
Als 2019 mit Einführung von PSD2 in der EU die Öffnung der Banken für TPPs erzwungen wurde, war das für viele etablierte Unternehmen ein technischer, organisatorischer und finanzieller Kraftakt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte der Begriff „FinTech“ echte Relevanz für die gesamte Branche.
Zu oft wurde von den etablierten Unternehmen aus meiner Sicht die Konkurrenz zu FinTechs betont, statt aktiv die Kooperation zu suchen. Ich finde da wurden Markt-Chancen verspielt, obwohl technische Voraussetzungen durch die Regulatorik bereits geschaffen waren.
Wie definierst Du FinTech?
Ein FinTech definiere ich als Third-Party-Provider in der Finance Branche, das versucht außerhalb der etablierten Institute, Finanz-Services an den Markt und den Kunden zu bringen. In der Regel handelt es sich dabei um agil und kundenzentriert arbeitende Unternehmen mit hoher Innovations- und Schaffenskraft, finanziert über Wagniskapitalgeber.
Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
Strukturiertes und standardisiertes Vorgehen bei Entscheidungsprozessen hilft etablierten Unternehmen grobe Fehler zu vermeiden. Gleichzeitig sorgen die Anreiz-Systeme im Management dieser Unternehmen für einen gewissen konstanten Optimierungsfluss.
Ist also eine Marktposition einmal erobert, gelingt es meist sehr gut diese zu sichern, ggf. in gewissem Maße auch auszubauen. Optimierungsmaßnahmen sorgen für steigende Kosteneffizienz und tragen zur Gewinn-Optimierung bei.
Was kann man von FinTechs lernen?
Den Kunden in das Zentrum aller Überlegungen stellen. In schnellen, aber kleinen Schritten die Evolution von Produkten vorantreiben. Mut haben Fehler zu machen.
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Ich habe selbst in sog. etablierten Unternehmen in der Finanzbranche gearbeitet. Und natürlich ist es so, dass man dort immer wieder bei Themen, die im weitesten Sinne Wandel bedeuten, auf passiven oder aktiven Widerstand stößt. Bereitschaft sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen, trifft man nicht bei jedem Kollegen an.
Aber, es ist auch nicht ganz so einfach.
Ein FinTech-Startup geht in der Regel sehr fokussiert in den Markt, sucht sich ein Kunden-Segment aus und bedient dessen Bedürfnisse zielgerichtet. IT-Systeme werden auf der „grünen Wiese“ mit modernsten Technologien und Methoden gebaut und die Infrastruktur ist, dank Cloud, meist gut skalierbar und kosteneffizient.
Etablierte Unternehmen der Finanzbranche haben in der Regel nicht nur deutlich breitere Kunden-Segmente mit unterschiedlichsten Bedürfnissen zu bedienen, sondern kämpfen auch noch mit teuren, oft veralteten IT-Systemen. Eine Digitalisierungsstrategie muss entsprechend mehrgleisig geplant sein. Das erfordert oft hohe Investitionen, viele Ressourcen und große Disziplin in Planung und Durchführung. In der aktuellen Niedrigzinsphase keine leichte Aufgabe für etablierte Unternehmen der Finanzbranche.
Was macht deinen Job täglich interessant?
Die Finanz-Branche steht, getrieben von Regulatorik, den amerikanischen BigTechs und kleinen FinTechs vor immensen Herausforderungen.
Ich habe das Glück mit Menschen arbeiten zu dürfen, die lieben was sie tun und die jeden Tag aufs Neue mit mir versuchen passende Antworten und machbare Lösungen für unsere Kunden zu finden.
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Ich könnte auch einem Handwerksberuf etwas Sinnstiftendes abgewinnen. Schreiner wäre vielleicht was ?
Worauf bist du stolz?
Einer unserer Kunden aus der Finanzbranche hatte mit dem recht typischen, monolithischen Legacy-System in seiner IT-Architektur zu kämpfen. Das System lief zwar stabil, war aber den modularen Anforderungen agiler Entwicklung, den schnellen Release-Zyklen und dem Bedarf an hoher Skalierbarkeit nicht gewachsen.
Beginnend 2019, haben wir gemeinsam mit unserem Kunden, Stück für Stück Funktionalität aus dem Monolithen herausgelöst und in eine moderne, cloud-basierte und modulare Architektur überführt. Inzwischen ist die Modularisierung so weit fortgeschritten, dass die Außerbetriebnahme des Legacy-Systems 2022, ein Jahr früher als geplant, erfolgen wird. Damit wurden beste Voraussetzungen für agile Software-Entwicklung, schnelles Time-to-Market und kosten-effiziente, weil bedarfsgerecht skalierbare Infrastruktur geschaffen.
Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?
Die Generation Y wächst im alltäglichen Umgang mit Technologien auf. Sie haben aber auch andere Anforderungen und Erwartungen als ältere Menschen. In Teams mit großer Diversität wird es besser gelingen gute IT- und Finanzprodukte für alle Zielgruppen zu realisieren.
Wir sehen in den letzten Jahren schon einen sehr positiven Trend. Wenn sich das so fortsetzt, bin ich sicher, werden wir in ein paar Jahren viele Frauen in technischen Berufen erleben dürfen.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Ich bin sehr glücklich in der adorsys zu arbeiten, und empfinde es als Privileg, ausgestattet mit dem Vertrauen unserer Kunden, die Digitalisierung der Finanzbranche vorantreiben zu dürfen.
Aber wenn es ein anderes Unternehmen sein muss, dann würde ich gerne einen Tag im HQ von Amazon arbeiten. Ich habe darüber gelesen welche Meeting- und Führungskultur dort herrscht. Das würde ich gerne erleben und vielleicht adaptieren wollen.
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Elon Musk. Ich würde gerne wissen, wie er mit seinem Hintergrund als Mitgründer von PayPal die Bedeutung von AI, vielleicht dem nächsten großen Mega-Trend, in der Finanzbranche einschätzt.