Die Gesichter der Branche – Paul Becker von re:cap

In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir seit jeher regelmäßig eine Person aus der Payment- und Banking-Industrie Fragen. Mittlerweile haben über 300 Szene- und Branchen-Köpfe unsere zehn Fragen zur Person und zu ihren Aufgabengebieten beantwortet.

Jetzt haben wir den Fragebogen aktualisiert, ergänzt und erweitert – immer mit dem Ziel, Menschen aus der Finanzindustrie vorzustellen. Denn wer sind die Köpfe und Macher hinter kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum?

Dürfen wir vorstellen? Das ist Paul Becker von re:cap

Wer bist du, was machst du?

Ich bin Paul Becker, Mitgründer und CEO von re:cap. Unser Ziel ist es, SaaS-Unternehmen einen einfacheren Zugang zu Kapital zu ermöglichen, damit diese schnell wachsen können. re:cap-Kunden können innerhalb kürzester Zeit bis zu 60 Prozent ihrer jährlich wiederkehrenden Umsätze (ARR) in sofortige, nicht verwässernde Vorabzahlungen umwandeln. Anstatt Anteile an Investoren abzugeben und zu verwässern, behalten Unternehmen die volle Kontrolle. Sie sparen Zeit und Geld, die sie in ihr Wachstum investieren können, statt in Investorensuche, Fundraising, Reporting und Due Diligence.

Mithilfe einer re:cap-Finanzierung lässt sich der Runway bequem verlängern, um die nächste Equity-Runde auf einen späteren Zeitpunkt mit besseren Terms zu verlegen. Außerdem können SaaS-Unternehmen eine Equity-Runde mit einer re:cap-Finanzierung ergänzen oder vergrößern und so ihre Kapitalstruktur optimieren.

Wie sieht ein klassischer Tag in deinem Leben aus?

Das hängt natürlich davon ab, ob ich unterwegs bin, zum Beispiel zu unserem Headquarter in Berlin oder auf einer Konferenz, oder ob es sich um einen regulären Arbeitstag handelt.
Ich bin ein Freund von etablierten Strukturen im Alltag und fühle mich unwohl, wenn ich davon abkomme. Zu einem guten Start in den Tag gehören für mich 25 Minuten Zazen, eine Meditations­technik des Zen-Buddhismus. Erst danach schaue ich zum ersten Mal aufs Handy, trinke den ersten Espresso oder Filterkaffee, springe unter die Dusche, frühstücke und starte mit der Arbeit. In unserer aktuellen Phase wechseln Inhalt und Ablauf meiner Arbeitstage recht häufig, und am liebsten sind mir solche, an denen ich nicht viele Meetings habe und mich über eine längere Phase fokussiert einem Thema widmen kann.

Was reizt dich an deiner Tätigkeit?

Gründertum bedeutet für mich Freiheit und das schätze ich sehr. Natürlich gibt es auch einige Verpflichtungen, zum Beispiel gegenüber Investoren, Mitarbeitenden und Business Partnern. Aber im Vergleich zu anderen Tätigkeiten habe ich viel Freiraum, um Dinge zu gestalten, und diese Idee gefällt mir sehr gut. Vor zwölf Monaten war re:cap noch ein Konzept, das meine Mitgründer und ich auf ein Blatt Papier gezeichnet hatten. Heute haben wir ein funktionierendes Team, Kunden, die unser Produkt nutzen und expandieren in neue Märkte.

Wir haben eine Entscheidung getroffen, haben losgelegt und verändern die Art und Weise, wie SaaS-Unternehmen sich finanzieren – das finde ich großartig.

Wolltest du schon immer in einem Fintech arbeiten?

Ich hatte nie beabsichtigt, in einer Bank oder einem Finanzdienstleistungsunternehmen zu arbeiten. Dass ich den Fintech-Sektor für mich entdeckt habe, war reiner Zufall. Noch während des Studiums habe ich meine späteren Mitgründer, Arne und Jonas, kennengelernt. Sie leiteten den Investment Club an der Uni und haben meine Leidenschaft für Themen rund um Fintech und Investitionen entfacht. Seitdem bin ich dran geblieben, habe im Rahmen verschiedener Projekte Erfahrungen gesammelt und mein Netzwerk auf- und ausgebaut.

Wie begeisterst du andere Menschen von deinem Job?

Manche Gründer teilen nur gute Nachrichten mit ihrem Umfeld und sprechen nie über Herausforderungen und Fuck-ups, aber das ist nicht mein Ding. Ich spreche sehr offen über das, was ich tue, aber auch darüber, was ich fühle – in guten und in schlechten Zeiten. Dabei lege ich viel Wert auf Offenheit und Transparenz, insbesondere gegenüber meinem Team. Menschen, die mich noch nicht so gut kennen, finden das zu Beginn manchmal irritierend, aber auf lange Sicht schätzen nicht nur unsere Mitarbeitenden, sondern auch unsere Investoren diese Offenheit, denn sie schafft Vertrauen. Im Gegenzug erwarte ich das auch von allen anderen. Jeder kann mir immer direktes Feedback geben.

Wie definierst du Erfolg?

Für ein VC-finanziertes Unternehmen ist die Definition klar: Signifikante Steigerung der Bewertung bis zum (Teil-)Exit – das mag vielleicht nicht jeder gerne hören, aber am Ende ist es das zentrale Ziel. Auf diesem Weg sind mir ein glückliches Team sowie zufriedene Kunden und Partner wichtig. Wenn es uns dann noch gelingt, mit unserem Angebot eine nachhaltig positive Veränderung in der Finanzierung von Technologieunternehmen herbeizuführen, würde ich eine 10/10 vergeben.

Welche Fähigkeiten in der Payment- und Banking Industrie erachtest du für wichtig?

Man muss in der Lage sein, an einem schwer greifbaren Produkt zu arbeiten, ja, sogar eine Leidenschaft dafür haben. Die Arbeit an digitalen Payment- und Banking-Lösungen für B2B-Kunden ist abstrakter, als zum Beispiel die Entwicklung eines Online Shops für Schuhe. Eine Affinität zu Zahlen sowie Begeisterung und ein intrinsisches Interesse für neue Entwicklungen im Tech-Bereich sind wichtig.

Was hast du immer in deiner Tasche dabei?

In meiner Hosentasche: Handy und Wohnungsschlüssel, und zu selten Bargeld. Das hat mir schon öfter Ärger eingebracht. Im Rucksack: Macbook, iPad, Leatherman, Regenjacke, Notizbuch, einen Stift und Ladekabel.  

Was kann man von dir besonders gut lernen?

Ich bin gut darin, Herausforderungen schnell auf verschiedene Abstraktionsebenen zu übertragen – das macht es für mich einfacher, eine Lösung zu finden. Ganz egal, um welches Thema es geht, ich kann mich recht schnell einarbeiten und mir die relevanten Grundlagen aneignen. Das hat mir im Geschäftsleben schon oft geholfen.


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#Team Homeoffice oder #Team Büro, warum?

Auf jeden Fall Team Home Office. Wir haben re:cap von Anfang an remote aufgebaut, da meine Mitgründer und ich in verschiedenen Städten leben. Der Vorteil: Indem wir nicht darauf bestehen, dass unsere Mitarbeitenden im Berliner Office präsent sein müssen, haben wir Zugriff auf eine größere Anzahl potentieller Talente, um unser Team weiter auszubauen.

In welchem Unternehmen würdest du außerhalb unserer Industrie gerne einmal Mäuschen spielen?

Viele der Aufgaben in einem Tech-Startup sind oft sehr abstrakt und bauen auf bestehende Infrastruktur. Ich würde deshalb gerne mal in einem Unternehmen Mäuschen spielen, in dem es irrelevant ist, ob das Internet auch mal für ein paar Tage ausfällt. Zum Beispiel in einer Tischlerei.

Wenn du dich vor zehn Jahren treffen würdest: Welchen Tipp würdest du dir mitgeben, um beruflich erfolgreich zu sein?

Ich bin heute viel entspannter, als ich es damals war. Wahrscheinlich würde ich sagen: “Sei nicht so verbissen und nimm die Arbeit nicht zu ernst, man weiß eh nicht, was kommt.”

Wenn ich im Finanzministerium etwas zu entscheiden hätte, dann würde ich…

Viele Steuerfragen wurden aus der Perspektive der klassischen Industrie beantwortet. Tech-Startups haben ganz andere Bedürfnisse und finden sich darin oft nicht wieder. Ich würde da gerne ansetzen und prüfen, wie wir bestehende Steuergesetze anpassen können, um Innovation in Deutschland besser zu fördern – zum Beispiel durch Überarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterbeteiligung, die besser auf die Bedürfnisse von Startups zugeschnitten sind.

Wenn ich einen nennenswerten Betrag im Lotto gewinnen würde, würde ich …?

Ich denke nicht, dass mein Leben sich durch einen Lottogewinn stark verändern würde. Ich würde zusehen, dass ich das Geld sinnvoll anlege und ansonsten weitermachen wie bisher.

Wenn ich jeden Tag das Gleiche essen müsste, wäre das …?

Gnocchi in Salbeibutter.

Wenn ich dauerhaft in einem anderen Land leben dürfte, dann wäre das …?

Auf jeden Fall Italien! Auf dem Land in der Toskana oder in der Umgebung von Mailand.

Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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