In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir seit jeher regelmäßig eine Person aus der Payment- und Banking-Industrie Fragen. Fast 300 Szene- und Branchen-Köpfe haben unsere zehn Fragen zur Person und zu ihren Aufgabengebieten bisher beantwortet.
Jetzt haben wir den Fragebogen aktualisiert, ergänzt und erweitert – immer mit dem Ziel, Menschen aus der Finanzindustrie vorzustellen. Denn wer sind die Köpfe und Macher hinter kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum?
Dürfen wir vorstellen? Das ist: Kevin Hackl vom Bitkom
Wer bist du, was machst du?
Ich bin Kevin, Head of Digital Banking & Financial Services beim größten Digitalverband Deutschlands und Europas: Bitkom (der Bitkom, nicht die Bitkom ;)). In dieser Rolle versuche ich die digitale Payment-, Finanz- und FinTech-Branche weiterzuentwickeln. Gemeinsam mit unseren Mitgliedsunternehmen setze ich mich gegenüber Politik und Aufsicht ein für vernünftige regulatorische Rahmenbedingungen. Wir wollen auch immer proaktiv Digitalisierungsakzente setzen: So fordern wir unter anderem eine gesetzliche Wahlfreiheit beim Bezahlen, das heißt: Überall die Möglichkeit zu haben, bargeldlos bezahlen zu können.
Wir verstehen uns ebenso als Netzwerk und Ideenplattform für unsere Mitglieder und versuchen bei der Digitalisierung immer gesellschaftliche Aspekte mitzudenken – auch das ist ausschlaggebend für den Erfolg digitaler Geschäftsmodelle!
Wie sieht ein klassischer Tag in deinem Leben aus?
Um 6 Uhr klingelt mein Wecker, danach gehe ich eine Runde Joggen, meditiere und höre 3 Podcasts gleichzeitig…haha, kleiner Scherz! Ich bin vom Typ her eher eine Eule.
Meine Termine starten im Idealfall nie vor 9 Uhr. Einen routinierten Arbeitsablauf gibt es nicht, sondern der gestaltet sich i.d.R. auf Basis der politischen oder auch medialen Wetterlage. Ein paar Grundpfeiler gibt es dennoch: Morgendlicher E-Mail-Check und Scannen der Newslage bei Kaffee, danach folgen meist unterschiedliche Termine oder Telefonate mit z.B. Mitgliedsunternehmen für interne Abstimmungen, Vertreter:innen aus Politik oder Medien. Die Zeitfenster zwischen den Terminen nutze ich, um an unseren Bitkom-Positionen zu arbeiten, Events wie unsere Digital Finance Conference (die „digifin“) und Sitzungen vorzubereiten. Die Abendstunden nutze ich unterschiedlich: entweder auf einem politischen oder branchenspezifischen Gathering, um fokussiert an Themen zu arbeiten, denn in den ruhigen Abendstunden nach 20 Uhr setzen Eulen erst zum Höhenflug an, oder um bewusst abzuschalten. Zuletzt gehe ich dann meistens noch einmal schnell durch meine E-Mails und lege mir grob den nächsten Tag zurecht.
Was reizt dich an deiner Tätigkeit?
Unterschiedliche Dinge, aber im Wesentlichen sind es drei Punkte:
Das Umfeld: ich empfinde unsere FinTech Bubble als angenehm unprätentiös mit dem starken Willen, tatsächlich etwas zu bewegen. Ich durfte schon so viele tolle Menschen kennenlernen – das Persönliche ist mir bei der Arbeit mit das Wichtigste.
Unsere Mitglieder sind output-driven und engagiert bei der Sache. Diese Energie spürt man beim Arbeiten, was unglaublichen Spaß macht und motiviert.
Die Stakeholder: Ich bin nah dran an Gründer:innen, Business-Spezialist:innen, Public Affairs- und Regulatorik-Expert:innen, Kommunikationsverantwortlichen, Mitarbeiter:innen in Ministerien, Aufsicht und Politik. Dieser Mix an Perspektiven ermöglicht es mir, Herausforderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln kennenzulernen, wodurch man ein breites Verständnis entwickelt. Ich denke diese Vielfalt ist sehr einzigartig, weshalb ich meine Arbeit auch auf einer persönlichen Ebene sehr bereichernd finde.
Der Impact: Auch wenn politische Prozesse eher langwierig sind (Quick Wins gibt es kaum), motiviert es mich, an Antworten für die drängenden Zukunftsfragen des digitalen Finanzstandorts Deutschland und Europa mitwirken zu dürfen. Es muss aber nicht immer das große Rad sein, das man versucht zu drehen. Ich mag es, mit Menschen zusammenzuarbeiten und sie zu unterstützen: Das kann eine Vernetzung sein, das Teilen von Informationen und Einschätzungen oder manchmal auch einfach nur zuhören bzw. Sparrings-Partner sein. Ich bin der festen Überzeugung: Digitalisierung ist am Ende v.a. auch ein People’s Business.
Wolltest du schon immer in einem Fintech arbeiten?
Der Bitkom ist seiner Philosophie nach schon sehr startup-like, aber FinTech sind wir keines. Die Station FinTech wartet wahrscheinlich in der Zukunft auf mich. Ob ich schon immer in der Finanzbranche arbeiten wollte? Kurzversion: nein, aber heute bin ich sehr glücklich darüber.
Langversion: Ich bin in Wien geboren und aufgewachsen. Nach meiner Matura (Abi) habe ich Englisch, Geschichte & politische Bildung auf Lehramt studiert und neben dem Studium an einer Schule und an der Universität Wien gearbeitet. Mir hat die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen viel Spaß gemacht und ich habe dort persönlich viel für mich mitgenommen. Aber mit Mitte 20 kam der Hunger nach etwas Neuem und ich wollte nicht die nächsten Jahrzehnte im Schulbetrieb „gefangen“ sein.
Prägend war mein Sommer 2015 als Stipendiat beim European Forum Alpbach – eine Art österreichisches Davos in den Bergen Tirols, wo sich u.a. Minister und CEOs die Klinke in die Hand geben. Dort bin ich das erste Mal mit einer mir damals recht fremden Welt der Business- und Politik-Stakeholder in Berührung gekommen und dabei eine neue Welt entdeckt, die mich fasziniert hat. Nach ersten Erfahrungen in Wien ging es 2017 dann nach Berlin. Durch eine kurze Station bei einem Verband und knapp drei Jahren bei einer Beratung konnte ich mich auf Digital Finance spezialisieren und bin schließlich vor knapp zwei Jahren beim Bitkom gestartet.
Wie begeisterst du andere Menschen von deinem Job?
Ich bin in der glücklichen Situation, das eigentlich nicht allzu sehr tun zu müssen. Meine Vorgänger, insbesondere Steffen von Blumröder und Julian Grigo haben nicht nur ein Fundament gelegt, sondern etwas richtig Großartiges im Bitkom hochgezogen. Darauf darf ich heute aufbauen. Ich versuche Inhalte, Engagement bzw. Ergebnisse für sich sprechen zu lassen. So gelingt es recht gut, Mitglieder und weitere Stakeholder mitzuziehen.
Wie definierst du Erfolg?
Erfolg ist meines Erachtens immer ein Weg und kein finaler Zustand. Erfolgserlebnisse sind wichtig – und müssen gefeiert werden! Sie erhöhen v.a. die intrinsische Motivation und schweißen zusammen. Zeitgleich glaube ich, dass Erfolg ein höchst subjektives Empfinden ist. Ein Gradmesser für mich ist sicherlich die Zufriedenheit unserer Mitglieder. Wenn ich beispielsweise viele glückliche Gesichter auf unserer digifin sehe und die richtigen Leute zusammenbringen kann, dann bin auch ich zufrieden.
Welche Fähigkeiten in der Payment- und Banking Industrie erachtest du für wichtig?
Abgesehen von den jeweils notwendigen Hard-Skills und Branchenwissen würde ich sagen: Kommunikationsstärke (wie gesagt: it’s a People‘s Business), die Fähigkeit, Netzwerke zu bauen, Verständnis für Regulatorik und eine systemische Denke, um komplexe Sachverhalte zu verstehen und lange Linien zu ziehen. Finanzdienstleistungen verändern sich gerade, sie werden stärker integriert und Open oder Embedded Finance steht erst am Anfang. Mit DeFi entwickelt sich gerade ein gänzlich neuer Zugang zu Finanzdienstleistung. Sich seiner unternehmerischen Stärken bewusst zu werden und sich zu spezialisieren wird meiner Meinung nach im digitalen Finanzökosystem immer wichtiger. Wer glaubt, dass Bank B der Konkurrent von Bank A ist, hat das Spiel nicht verstanden und wird links und rechts von neuen Playern, die nicht notwendigerweise aus der Finanzindustrie kommen, überholt werden.
Was hast du immer in deiner Tasche dabei?
Portemonnaie, Handy, Schlüssel, Kopfhörer, Zigaretten, Feuerzeug.
Was kann man von dir besonders gut lernen?
…das müssen eigentlich andere beurteilen. Was aber immer geht ist ein Crash-Kurs in die malerische Sprache des schönen Wiens. Das Wort „Flucht-Achterl“ ist bspw. bei den Kolleg:innen mittlerweile schon gut etabliert ;)
#Team Homeoffice oder #Team Büro, warum?
Ganz klar beides…oftmals auch beides an einem Tag.
In welchem Unternehmen würdest du außerhalb unserer Industrie gerne einmal Mäuschen spielen?
Ich bin sehr musikbegeistert und widme der Musik auch einen Großteil meiner Freizeit. Vielleicht einmal mit Hans Zimmer komponieren, mit Rüfüs du Sol touren oder die Gibson-Werkstatt besuchen: Wie wird diese sich kaum verändernde Perfektion gebaut und wie schafft man es über all die Jahre Bestand zu haben?
Wenn du dich vor zehn Jahren treffen würdest: Welchen Tipp würdest du dir mitgeben, um beruflich erfolgreich zu sein
Da habe ich mehrere:
- -Sei neugierig und offen für Neues: der Antrieb, Unbekanntes durchdringen zu wollen und eine gewisse Hartnäckigkeit bringen einen voran.
- Höre auf dein Bauchgefühl: Was sich in der Magengrube gut anfühlt, bringt einen weiter als die auf dem Papier „richtigen“ Entscheidungen getroffen zu haben.
- Sei ein Teamplayer: Meiner Meinung nach ist es wichtig, nicht nur auf sich selbst zu schauen, sondern auch auf sein Umfeld. Wo kann man unterstützen? Wem kann man helfen, einen Gefallen tun? Das Karma und die eigene Zukunft werden sich erkenntlich zeigen.
- Bitte um Hilfe: Nicht alle, aber viele Menschen sind bereit, jemanden zu unterstützen, etwas zu erklären, einen Kontakt herzustellen…man muss nur fragen.
- Relax: Am Ende fallen die Puzzle-Stücke schon zusammen. Leider kann man das immer nur retrospektiv beurteilen ;)
Wenn ich im Finanzministerium etwas zu entscheiden hätte, dann würde ich ….?
Das wissen die zuständigen Kolleg:innen im BMF bereits, aber wenn ich mir eine Sache aussuchen dürfte, dann würde ich das Thema digitale Identitäten pushen. Wir kommen hier in Deutschland und Europa nicht richtig voran. Dabei wäre das Thema eine so wichtige Basis, um u.a. digitale Anwendungen und Geschäftsmodelle – nicht nur im Finanzbereich – einfacher und sicherer zu gestalten.
Wenn ich einen nennenswerten Betrag im Lotto gewinnen würde, würde ich …?
…mir Gedanken machen, wenn es so weit ist. Bis dahin bleibe ich lieber meines eigenen Glückes Schmied.
Wenn ich jeden Tag das Gleiche essen müsste, wäre das …?
…sehr eintönig.
Wenn ich dauerhaft in einem anderen Land leben dürfte, dann wäre das …?
Ich bin in meinem Leben tatsächlich noch nicht viel gereist. Daher wahrscheinlich good old Austria, nicht zuletzt wegen der Familie. Aber wer weiß, vielleicht gibt’s davor noch einmal einen anderen Zwischenstopp. Berlin war in dem Sinne auch nie auf meiner Bucket List.