Dürfen wir vorstellen: Jens Jennissen von fairr.de
Das Arbeiten in der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weit verbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? In unserer Reihe Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Jens Jennissen unsere Fragen.
Dürfen wir vorstellen…
Während unseres Arbeitsalltags begegnen uns immer wieder spannende Menschen, die im gleichen Umfeld tätig sind, die uns nur einmal oder immer mal wieder begegnen oder uns sogar schon privat sehr ans Herz gewachsen sind – jeder von Ihnen hat eine eigene Geschichte. Wir haben ein paar dieser Menschen aus unserem nächsten FinTech-Umfeld interviewt, um ihnen ein Gesicht zu geben. Um zu teilen, warum diese Branche für sie viel mehr ist als eine weitere Art, seine Miete zu bezahlen. Diese Menschen und deren Vita möchten wir in einer ganz eigenen Kategorie kurz porträtieren und vorstellen und haben dazu einen immer gleichen Fragenkatalog entworfen.
Diesmal beantwortet Jens Jennissen unsere Fragen. Jens ist Geschäftsführer von fairr.de – einem auf Altersvorsorgeprodukte spezialisiertem FinTech mit Sitz in Berlin.
Wer bist du, was machst du?
Ich bin Geschäftsführer von fairr.de – ein auf ETF-basierte Altersvorsorgeprodukte spezialisiertes FinTech, das ich mitgegründet habe. Seit vergangenem Jahr gehören wir zur Raisin Familie – in Deutschland unter der Marke Weltsparen bekannt. Schwerpunkt meiner heutigen Tätigkeit sind strategische Themen der Weiterentwicklung unseres Anlage- und Altersvorsorgeangebots.
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
Manfred Krug – seit dem Kauf der Telekom-Aktie haben mich Finanzmärkte fasziniert. Das hatte Auswirkungen auf meine berufliche Entwicklung. Nach Stationen im Investment Banking und Commodities Trading habe ich meine Masterarbeit über den britischen Robo-Advisor nutmeg geschrieben.
Durch meine persönliche Unzufriedenheit mit Altersvorsorgeprodukten bin ich schließlich zum Gründer eines FinTech geworden.
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
In meiner Wahrnehmung gibt es den Begriff noch gar nicht so lange. Das gilt auch für viele andere der heutigen Tech-Definitionen – von PropTech über InsurTech bis RegTech. Wenn ich mich richtig erinnere, muss es etwa im Jahr 2014 gewesen sein, dass dieser Begriff das erste Mal aufkam. Da waren wir mit fairr bereits online.
Wie definierst Du FinTech?
Fintechs sind spezialisierte Technologieunternehmen. Sie identifizieren und lösen mit großer Präzision Kundenprobleme und formen daraus skalierende Geschäftsmodelle. Dabei dringen sie nicht selten in regulatorisches Neu- und Niemandsland vor oder finden Lücken in der Regulierung. Im Idealfall entstehen daraus echte Produktinnovationen mit hohem Kundennutzen. All diese Aspekte treffen auf fairr.de zu. Unsere These war, dass außer uns auch andere Sparer mit ihrer Altersvorsorge unzufrieden sind und sich durch kundenfreundliche Produkte und Tools ein skalierendes Geschäftsmodell entwickeln lässt. Diese These konnte wir in den letzten Jahren bestätigen.
Was glaubst Du machen etablierte, große Unternehmen besser als FinTechs?
Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Etablierte Unternehmen profitieren vermutlich am meisten vom Vertrauensvorsprung. Sie sind bereits viele Jahre am Markt und haben sich ein großes Spektrum an eingeführten Produkten erarbeitet. Die Menschen wissen (vermeintlich), was sie kaufen. Damit einher geht oft eine hohe Markenreichweite.
Diese beiden Faktoren müssen sich Startups erst hart erarbeiten. In großen Unternehmen bestehen zudem in der Regeln lang erprobte strukturierte und belastbare Prozesse, die von Einzelpersonen unabhängig sind. Bei Startups bilden sich solche Prozesse erst über die Zeit heraus. Dabei wird das Rad oft neu erfunden (was nicht immer schlecht ist).
Was kann man von FinTechs lernen?
Ich vermute, die größten Unterschiede liegen im Bereich der Philosophie. Stehen bei etablierten Unternehmen oft primär Provisions- oder Ertragsmodelle im Mittelpunkt der Überlegungen, kommen die neuen Player stärker über den Kundennutzen. Viele FinTechs analysieren ziemlich nüchtern, an welchen Stellen die bestehenden Produktangebote Schwächen haben und entwickeln anschließend passende Produktinnovationen und Dienstleistungen, die dann durchaus auch disruptiv wirken können. Mit diesem Ansatz wird insbesondere die Kundenzufriedenheit deutlich erhöht. Kunden macht es plötzlich Spaß, Finanzdienstleistungen zu nutzen. Auch, weil sie besser verstehen was sie dort eigentlich machen – was ja bei vielen Finanzdienstleistungsprodukten immer noch sehr intransparent ist. FinTechs wie Raisin und fairr zeigen, dass dieses Vorgehen auch in stark regulierten Märkten mit verkrusteten Strukturen möglich ist. Dazu gehört der Mut in Lücken vorzustoßen und sich permanent weiterzuentwickeln.
Daneben spielen in FinTechs die alten Statussymbole keine große Rolle mehr. Nur ein Beispiel von vielen: bei uns sitzen die Chefs inmitten der Mitarbeiter, statt sich ihren Status mit der Anzahl an Fenstern im Einzelbüro mit Vorzimmer zu vergegenwärtigen. Das bedeutet hohe Ansprechbarkeit, kurze Entscheidungswege und erhöht die Schlagkraft der Organisation.
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Vielleicht sind jene, die ständig über Digitalisierung sprechen ja ein Teil des Problems. In FinTechs setzt sich niemand hin und sagt: Komm, wir machen jetzt mal Digitalisierung. Wir sind digital und wir denken digital. Dabei haben wir den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass wir unsere Systeme auf der „grünen Wiese“ entwickeln können. Das unterscheidet uns von etablierten Unternehmen, die bereits eine umfangreiche – und vermutlich in großen Teilen veraltete – Infrastruktur in den Büchern stehen haben und zusätzlich mit behäbigen Strukturen und Silodenken belastet sind.
„In FinTechs setzt sich niemand hin und sagt: Komm, wir machen jetzt mal Digitalisierung.“
Unsere Teams unterscheiden sich zudem fundamental von denen etablierter Unternehmen. Das merkt man am Skill Set, der internationalität der Teams, der Aktualität des Wissen, den angewandten Methodiken, der individuellen Motivation und vielem mehr. Große Institutionen tun sich vielleicht leichter mit inkrementellen Verbesserungen, sie haben aber große Probleme mit diskretionären, also kundenzentrierten Veränderungen. Und Digitalisierung ist in meinen Augen eher diskretionär angelegt.
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Wenn ich ehrlich bin, haben mich Finanzen und Kapitalmärkte schon immer am meisten fasziniert. Daher kann ich mir eine Tätigkeit außerhalb von Finanzdienstleistungen nur schwer vorstellen. Natürlich gibt es auch andere Bereiche, die mich begeistern. In der Regel sind das technologische Entwicklungen. Die Ingenieure leisten fantastische Arbeit bei technischen Produkten und es ist bewundernswert, wie Hardware und Software gemeinsam Wirkung entfalten – das kann ein modernes Smartphone sein, aber auch eine Rakete von SpaceX. Allerdings fühle ich mich vor einem Monitor am wohlsten, daher bin ich schon ganz richtig, wo ich jetzt bin und kann hier ganz im Sinne unserer Kunden wirksam sein.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Wie wohl alle lese ich regelmäßig beeindruckende Erfolgsgeschichten. SpaceX finde ich beispielsweise wahnsinnig spannend.
Wie kommt man auf die Idee eine Rakete zu bauen und diese dann auch noch wieder zu landen? Eine tolle Idee und eine faszinierende Leistung. Es würde mich schon reizen, da mal hinter den Vorhang zu schauen. Das gilt aber auch für andere Unternehmen, die mit ihren Technologien unser Leben verändern oder Organisationen, die sich um unsere Gesellschaft und deren Zusammenhalt bemühen.
Was passiert zum Beispiel im Bundeskanzleramt und wie ist die Zusammenarbeit dort organisiert. Das ist sicher nicht mit unseren agilen Methoden und Tools vergleichbar und könnte ein gegenseitig interessanter Gedankenaustausch werden.
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Das kann ich auf Anhieb gar nicht sagen: Elon Musk oder Christine Lagarde.