Die Gesichter der Branche: Haresh Bajaj von Pleo

Die Gesichter der Branche: Haresh Bajaj von Pleo

Das Arbeiten der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weit verbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum?

In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Haresh Bajaj von Pleo unsere Fragen.

Dürfen wir vorstellen: Haresh Bajaj von Pleo

Wer bist Du, was machst Du?

Hallo, mein Name ist Haresh Bajaj und ich bin der VP of Product Growth bei Pleo. Pleo ist eine holistische Ausgabenlösung, die smarte Firmenkarten anbietet, um Spesen- oder auch Reiseabrechnungen zu automatisieren sowie sämtliche Unternehmensausgaben und deren Buchhaltung zu vereinfachen. Ich helfe dem Team dabei, unsere Wachstumsbemühungen in den Bereichen Kundenakquise, internationale Expansion und Produktpartnerschaften voranzutreiben. 

Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?

„Der Tag, an dem du den Puls deines Kunden nicht mehr spüren kannst, ist der Tag, an dem du in Vergessenheit gerätst“, diesen Satz habe ich von einem meiner ersten Manager übernommen. 

Mein Hauptaugenmerk liegt immer auf unseren Kund:innen. In der Praxis bedeutet das, dass ich versuche, ein Drittel meiner Zeit damit zu verbringen, mit Kund:innen, potenziellen Kund:innen und Partner:innen zu sprechen und mich mit unserem Customer Success-Team auszutauschen oder eines unserer zahlreichen aufgezeichneten Kundengespräche zu sichten.

Pleo ist stark am Wachsen. Wir haben große Ambitionen! Eine meiner Aufgaben ist es also auch, die besten Leute für unser wachsendes Team zu finden. Ein weiteres Drittel meiner Zeit verbringe ich dementsprechend damit, potenzielle neue Mitarbeiter:innen kennenzulernen und sie für unsere Kultur und unseren Weg zu begeistern. 

Das letzte Drittel meiner Zeit nutze ich, um verschiedene strategische Initiativen voranzutreiben, den Teams Entwicklungsrichtung und -Kontext an die Hand zu geben, Blockaden so schnell wie möglich zu lösen oder auch den Rahmen für agiles Handeln zu schaffen. Dazu gehört auch viel internes Coaching.

Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?

Ich bin in Indien aufgewachsen. Eine meiner Kindheitserinnerungen ist der Besuch einer Bank zusammen mit meinem Großvater, wo er sein Kontobuch ausdrucken ließ. Ein Kontobuch war damals ein Heft, das Inhaber:innen von Bankkonten ausgehändigt wurde und in dem alle ihre Bankgeschäfte aufgeführt waren, so ähnlich wie ein Kontoauszug, aber eben analog. Was Zahlungen angeht, so erinnere ich mich, dass mein Vater ein Scheckbuch benutzte, ein schickes Heft, mit dem man anscheinend jeden beliebigen Geldbetrag an jeden beliebigen Menschen zahlen kann, einfach, indem man unterschreibt! 

Mit der Branche in Berührung kam ich aber erst so richtig, als ich 2012 im Rahmen des Rotationsprogramms für Führungskräfte bei Barclays anfing und verschiedene Geschäftsbereiche der Bank kennenlernte, darunter Zahlungsverkehr, Vermögensverwaltung und Investmentbanking.

Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?

Es tauchte in einem Gespräch mit einem meiner Mentoren auf, in dem es um ein Patent ging, das ich seinerzeit für die intelligentere Nutzung von QR-Codes besaß. Er schlug vor, sich das damals neue Google Wallet und das damit verbundene FinTech-Buzzword genauer anzusehen.

Wie definierst Du FinTech?

Ganz einfach: die effiziente und smarte Nutzung von Technologie und Automatisierung, um das Leben der Menschen in allen Geldangelegenheiten zu vereinfachen. 

Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?

Aufbau von Vertrauen und Markenkapital über viele Jahre, Zuverlässigkeit, Stabilität.

Was kann man von FinTechs lernen?

Die Kundenorientierung, das Infragestellen des Status quo, die Fähigkeit, mit Unsicherheiten umzugehen und schnell zu handeln. Da die meisten FinTechs jung und kundenorientiert sind, konzentrieren sie sich auf die tatsächlichen Kernprobleme. Der ganze Rest der Organisationsbausteine wird durch Outsourcing oder Partnerschaften mit Unternehmen bewältigt, deren Expertise genau diese einzelnen Bausteine sind, wie Amazon Web Services, Twilio, MongoDB, Standard-APIs usw.

Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?

Etabliert zu sein, bedeutet oft, dass Systeme wirklich alt sind, und groß zu sein bedeutet dann, dass diese Systeme sehr komplex sein können. Die Digitalisierung erfordert einen erheblichen Migrations- und Transformationsaufwand, der sich meist über mehrere Jahre erstreckt, was nicht mit dem Zeithorizont der meisten Führungskräfte zusammenpasst. 

Ein derartiger Bewusstseinswandel und möglicherweise die Umschulung der gesamten Belegschaft erfordern ein massives Change Management.

Große Unternehmen sind aufgrund der Anzahl der an der Entscheidungsfindung beteiligten Personen im Laufe der Zeit risikoscheu geworden. Sie tendieren von Natur aus zu einem konsensorientierten Umfeld, das auf den kleinsten gemeinsamen Nenner hin optimiert ist. 

Die aktuellen Geschäftsabläufe werden so wichtig, dass es praktisch unmöglich wird, eine völlig unkonventionelle Digitalisierung einzuleiten, ohne einen Fokusverlust oder eine Spaltung im Unternehmen zu riskieren. 

Was macht deinen Job täglich interessant?

Ich komme aus einer Kleinstadt eines Entwicklungslandes und aus einer Unternehmerfamilie. Ich war also von klein auf mit Unsicherheit konfrontiert. Ich liebe die Ungewissheit, und ich liebe es, angesichts der Ungewissheit mein geschäftliches Urteilsvermögen einzusetzen. In meinem jetzigen Job erlebe ich einen großen Teil dieser Unsicherheit erneut, aber jetzt kann ich ihr einen Sinn geben und meinem Team dadurch Klarheit verschaffen.

Noch konkreter auf Pleo bezogen ist es aber die starke und zurecht gefeierte Unternehmenskultur, die ausgefeilte Produktstrategie und die bemerkenswerten Menschen, die das alles nicht nur erleben, sondern auch aktiv eine Rolle bei der Gestaltung von Pleos Zukunft spielen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir gemeinsam ein starkes Vermächtnis hinterlassen werden, dass viele Leben jeden Tag berührt.

Die Autonomie und das Vertrauen, das mir von Vorgesetzten und Stakeholdern dabei entgegengebracht wird, ermöglichen es mir, Entscheidungen mit meinem Herzen und meiner Intuition zu treffen, Risiken einzugehen, meinen Instinkt zu folgen und dies gemeinsam mit den erstaunlichsten Menschen zu tun. Das macht mich auch sehr demütig, denn selbst falsche Entscheidungen werden bei Pleo nur als notwendiger Stolperstein auf dem Weg zum Erfolg gesehen.

Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?

Einen professionellen Sport ausüben, vielleicht Padel-Tennis oder einen hochintensiven Mannschaftssport wie die Formel 1. 

Worauf bist du stolz?

Auf das Unternehmen meines jüngeren Bruders, das wir gemeinsam von Grund auf aufgebaut haben, und jetzt leitet er zwei unabhängige Unternehmen! Darauf bin ich so stolz, da kommen fast meine väterlichen Instinkte zum Vorschein.

Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?

Anstatt Hypothesen über den Ursprung von Problemen aufzustellen, konzentriere ich mich lieber auf Lösungsansätze. Ich bin etwa der Meinung, dass sich jeder von uns mit seinen eigenen Privilegien regelmäßig auseinandersetzen sollte. Danach kann ich mich fragen, ob ich etwa bei der Überprüfung von Bewerbungen beispielsweise Frauen bevorzugen kann. Kann ich mit der Konvention brechen und nicht nur traditionell-analytische Lebensläufe für MINT-Stellen auswählen? Kann ich darauf drängen, dass alle gleich bezahlt werden, auch wenn niemand darum gebeten hat? Kann ich Frauen mehr Chancen geben? Was kann ich dafür tun, dass die Stimme der Vielfalt mehr Platz am Tisch erhält? Bin ich offen genug, um mich darüber zu informieren, wie Arbeitsplätze integrativer gestaltet werden können? Was muss sich im Bildungswesen ändern, damit negative Stereotypen schon in jungen Jahren ausgemerzt werden? Was wünsche ich mir für meine Kinder oder die Kinder meiner Freunde? Wie sehen unsere Vorbilder aus? Können wir Netzwerke stärken und Mentoring-Möglichkeiten eröffnen?

Es kann so viel getan werden, und das muss auf allen Ebenen geschehen, und jeder muss seinen Teil dazu beitragen.

Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?

Stripe wegen seiner Gründer, Netflix wegen seiner „No-rules-rules“-Kultur oder vielleicht bei einem der Formel-1-Teams, wegen des unerbittlichen Fokus auf Perfektion und hohe Intensität.

Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?

Leider bin ich kein Fan von Bier und Alkohol. Aber wenn ich ein Getränk meiner Wahl teilen könnte, wäre es mit meinem verstorbenen Großvater, Jacinda Ardern (Premierministerin von Neuseeland) oder Mary Meeker (Ex-Partnerin bei Kleiner Perkins).

Autor

  • Nicole Nitsche ist studierte Theaterwissenschaftlerin und hat mehrere Jahre als Regieassistentin beim Thalia Theater Hamburg gearbeitet. Danach war Nicole Leiterin der Presse-und Marketingabteilung eines Hamburger Musiklabels. Als klassische Quereinsteigerin hat sie die komplette Kommunikation sowie den Aufbau der Redaktion bei Payment & Banking geleitet und verantwortet. Nicole ist seit August 2021 Geschäftsführerin von Payment & Banking und ist verantwortlich für die Bereiche Struktur, Planung, Umsetzung und Konzipierung von allen Events (z.B PEX, BEX, TRX & CryptX).

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