Dürfen wir vorstellen: Gaston Aussems von Mollie
Das Arbeiten in der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weit verbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? In unserer Reihe Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Gaston Aussems unsere Fragen.
Dürfen wir vorstellen…
Während unseres Arbeitsalltags begegnen uns immer wieder spannende Menschen, die im gleichen Umfeld tätig sind, die uns nur einmal oder immer mal wieder begegnen oder uns sogar schon privat sehr ans Herz gewachsen sind – jeder von Ihnen hat eine eigene Geschichte. Wir haben ein paar dieser Menschen aus unserem nächsten FinTech-Umfeld interviewt, um ihnen ein Gesicht zu geben. Um zu teilen, warum diese Branche für sie viel mehr ist als eine weitere Art, seine Miete zu bezahlen. Diese Menschen und deren Vita möchten wir in einer ganz eigenen Kategorie kurz porträtieren und vorstellen und haben dazu einen immer gleichen Fragenkatalog entworfen.
Diesmal beantwortet Gaston Aussems unsere Fragen. Gaston ist CEO vom niederländischen Unternehmen Mollie, einem auf Online-Zahlungslösungen spezialisierten Fintech.
Wer bist Du, was machst Du?
Mein Name ist Gaston Aussems. Ich bin CEO von Mollie, einem Payment-Service-Provider aus Amsterdam, der sich zum Ziel gesetzt hat, kleine und mittlere Unternehmen aus ganz Europa dabei zu unterstützen, ihr Geschäft online auf die Beine zu stellen. Dafür stellen wir flexible und einfach zu implementierende Bezahllösungen zur Verfügung.
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
Eigentlich habe ich schon seit meinem Informatik-Studium an der Universität Twente und meinem MBA an der Rotterdam School of Management mit dieser Industrie in der ein oder anderen Art und Weise zu tun. Ob das nun während meiner Stationen bei der ABN AMRO Bank, bei der Wirtschafts-prüfungsgesellschaft PwC, bei IBM, bei Clear2Pay, der niederländischen Zentralbank (DNB) war oder eben jetzt bei Mollie ist.
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
An einen konkreten Zeitpunkt oder ein einschneidendes Ereignis kann ich mich nicht erinnern. Aber es ist auf jeden Fall bemerkenswert, wie schnell ein Begriff, der Mitte der 2000er-Jahre nur von ganz wenigen Branchen-Insidern genutzt wurde, nach nur anderthalb Jahrzehnten eine derart große und entscheidende Rolle im internationalen Wirtschaftskontext spielen kann.
Wie definierst Du FinTech?
Bei meiner eigenen Definition schwingt ein bisschen mehr mit als bei der offiziellen, die nur auf eine Kombination von Finanzdienstleistung und Technologie abzielt. Für mich impliziert die Bezeichnung auch etwas abseits des Technischen: FinTechs haben eine schon seit Jahrhunderten bestehende Industrie in ein neues Zeitalter gehievt – mit besseren Produkten und Dienstleistungen. Irgendwo in der Semantik des Begriffs „FinTech“ ist für mich der Begriff „Revolution“ vorhanden.
Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
Dass sie per se etwas besser machen, kann ich nicht wirklich erkennen. Sie haben einfach in mancherlei Hinsicht mehr Erfahrung.
Das kann ein Vorteil sein – etwa wenn bestimmte Automatismen gefragt sind –, muss es aber nicht zwangsläufig. So erwecken etablierte Unternehmen mitunter den Eindruck, dass Entscheidungs-wege zu lang und die Resultate dann wenig zielorientiert sind. FinTechs wiederum sind beweglicher, weil sie nicht zuletzt angesichts ihrer Größe weniger Rücksicht auf Bürokratie und Unternehmenspolitik nehmen müssen. Das mag nach einem Stereotyp klingen, aber so ist nun einmal die Realität.
„FinTechs sind beweglicher als etablierte Unternehmen, weil sie angesichts ihrer Größe weniger Rücksicht auf Bürokratie und Unternehmenspolitik nehmen müssen.“
Was kann man von FinTechs lernen?
Sie haben etwas verinnerlicht, das Tech- und IT-Unternehmen die Wirtschaftswelt seit dem Beginn der Dotcom-Ära zum Ende des letzten Jahrhunderts gelehrt haben: erst an die Nutzerin oder den Nutzer des Produkts zu denken und den Fokus dabei vor allem auf die einfache Anwendbarkeit der Technologie zu legen. FinTechs schaffen damit digitale Lösungen, die dem Zeitgeist entsprechen.
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Weil es bis vor wenigen Jahren niemanden interessiert hat, dass sie sich schwer damit tun. Erst seit vergleichsweise kurzer Zeit wird ihnen durch die neue Konkurrenz vor Augen geführt, dass Kunden bestmögliche Leistungen als Standard erwarten – und die basieren nicht selten auf digitalen Lösungen. Vor diesem Hintergrund erwachen jene Unternehmen langsam aus ihrem Dornröschenschlaf.
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Der Payment-Sektor ist keiner, für den ich mich bewusst entschieden hätte. Aber er ist derart vielfältig, innovativ und essenziell für die Customer Journey praktisch jedes Unternehmens, dass er faszinierend bleibt.
Wenn ich mich für etwas anderes entscheiden müsste, wäre das wahrscheinlich eine Tätigkeit in der Gastronomie oder dem Gesundheitswesen: Chefkoch zu sein, ein Bed & Breakfast zu führen oder als Facharzt zu praktizieren – sich einfach gut um Menschen zu kümmern.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Es gibt viele faszinierende Unternehmen, die ich mir gerne aus nächster Nähe anschauen würde. Müsste ich mich für eines entscheiden, würde ich den Sportbekleidungshersteller Patagonia wählen. Dort herrscht eine großartige Unternehmenskultur, die sich kompromisslos um die Werte der Firma und um die Menschen dreht. Die Rohstoffe, die sie verwenden, stammen aus erneuerbaren Quellen und werden mit einer lebenslangen Garantie geliefert. Sie regen die Mitarbeiter dazu an, Kinder mit zur Arbeit zu bringen, bieten Tagesbetreuung vor Ort an und ermutigen ihre Angestellten förmlich, ihrer Leidenschaft auch während der Arbeitszeit nachzugehen. Ich habe gerade das Buch „Lass die Mitarbeiter surfen gehen“ des exzentrischen Patagonia-Gründers Yvon Chouinard gelesen – definitiv ein Must-read!
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Das ist einfach! Mit der ehemaligen First Lady, Anwältin, Mutter, Stilikone und Bestsellerautorin Michelle Obama. Wir würden während der ersten paar Bier darüber diskutieren, wie sie die Bildung von Mädchen förderte, sich für Gleichberechtigung und amerikanische Familien in Armut einsetzte und auf ein gesundes Leben drängte – dann würde ich versuchen sie zu überzeugen, für die Präsidentschaft zu kandidieren, weil sie alles verkörpert, was die Welt jetzt braucht.