Die Gesichter der Branche: Fabian Scholz von rubarb

In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Fabian Scholz von rubarb unsere Fragen.

Das Arbeiten der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weit verbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum?

Dürfen wir vorstellen: Fabian Scholz von rubarb

Wer bist Du, was machst Du?

Ich bin Fabian Scholz, Gründer des Hamburger FinTechs rubarb, das ich gemeinsam mit meinem Bruder Jakob und unserem CTO Kelvin gegründet habe. Wir sind angetreten, um Europa in Sachen Finanzen einem fundamentalen kulturellen Wandel zu unterziehen:

85 Prozent der zentraleuropäischen Bevölkerung sind nicht finanzaffin, in Fragen des Geldes eher konservativ und risikoavers, keine Daytrader oder gar Zocker – und vor allem schlichtweg nicht am Finanzmarkt investiert. In einer Welt mit Negativzinsen sowie steigender Inflation verlieren somit 85 Prozent der Bevölkerung tagtäglich an realer Kaufkraft, während es doch eigentlich schon viele tolle digitale Lösungen gibt, um so ziemlich jedes Finanzthema anzugehen. Das Problem scheint also eine Mischung aus Kultur, Finanzbildung und Zugang zu sein. Das finden wir wahnsinnig schade und unfair, vor allem aber schlicht unnötig.

Deshalb helfen wir mit unserer App “rubarb” genau diesen Menschen, mehr Geld am Monatsende zu haben – oder auch einfach “mehr Geld für deine Träume”, wie wir so gerne formulieren. rubarb ist inzwischen seit zehn Monaten live und wir freuen uns, von Monat zu Monat immer mehr Menschen mit unserer Idee begeistern zu können – inzwischen immerhin 25.000.

Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?

Den gibt es nicht – das wird Euch aber vermutlich so ziemlich jede Gründerin und jeder Gründer genauso sagen, daher wohl leider keine neue Erkenntnis. Meistens aber kommen relativ zu Anfang Aufstehen, Frühstückssnack und Espresso – und irgendwann am Ende das Schlafengehen (meistens). Dazwischen ist vieles unklar. Häufig genug ist es so, dass ich irgendetwas zum allerersten Mal mache und keine Ahnung habe, wie das geht oder wie ich damit umgehen soll. Genau das macht das Leben als Gründer aber auch so wahnsinnig spannend und bereichernd.

Besonders viel Spaß bringt es, wenn man – so wie in meinem Falle hier bei rubarb – das Ganze mit einem herausragenden Team macht. Deshalb ist Recruiting auch mit das Wichtigste, was ein Gründer können muss. Recruiting in Kombination mit einem schizophrenen Ego: Einerseits braucht man ein unfassbar großes Ego und muss sich jeden Tag selbst sagen, dass das, was man da macht, Sinn ergibt, funktioniert und erfolgreich sein wird – das macht nämlich sonst keiner. Gleichzeitig muss einem das eigene Ego vollkommen egal sein, damit man jeden Tag mehrmals zugeben kann, dass man keine Ahnung hat, wie etwas funktioniert. Deshalb stellt man Menschen ein, die besser, klüger und manchmal auch deutlich erfahrener als man selbst sind, damit sie sowohl das Team als auch die Firma insgesamt besser und erfolgreicher machen, als sie ohne sie sein könnten.

Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?

Naja, als Kinder hatten wir ein eigenes Sparbuch – also so richtig ein kleines Buch zum Anfassen – bei der Postbank. Ich glaube, wir haben zu Beginn eine Deutsche Mark Taschengeld pro Woche bekommen, später dann auch zwei und drei. Das haben wir gesammelt und den Teil, der nicht für Süßigkeitentüten oder Pokémon Karten drauf ging, alle paar Wochen dort eingezahlt.

Ab dem Studium habe ich mich dann durch die verschiedenen Kontomodelle der hiesigen Banken getestet – mit häufigen Wechseln, weil ich die alle schlecht fand. Bis heute ist das beste Payment- und Banking-Produkt, das ich je hatte, in Australien (2015) gewesen. Tolle App, tolle Webapplikation, eine Kreditkarte, überall bardgeldlos bezahlen. Ich habe ein Jahr ohne Bargeld gelebt – in Deutschland bis heute unvorstellbar.

Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?

Von meinem Bruder Jakob, der als ehemaliger Investmentbanker und später bei raisin intensiv Erfahrungen im FinTech-Bereich gesammelt und so etwa ETF-basierte Investmentprodukte für Selbstentscheider entwickelt hat. So richtig das Potential verstanden habe ich erst, als ich nach dem Exit meiner ersten Gründung gerade im Urlaub war und Jakob mich anrief. Er sagte: “Hi Fabian, Du brauchst eine neue Aufgabe, also gründen wir ein FinTech.” Er hat mir dann ein paar Infos geschickt und schon wenige Tage nach meiner Rückkehr hatten wir unser erstes Pitchdeck für rubarb.

Wie definierst Du FinTech?

Ich habe das mal eben gegoogelt: “Computer programs and other technology used to support or enable banking and financial services.” Das hätte ich selbst sehr ähnlich formuliert: Ein nicht-analoges Produkt-Angebot im Finanzbereich. Der Begriff “enable” gefällt mir in der Definition allerdings sehr gut: Es geht vor allem darum, etwas besser, einfacher und auch einfacher zugänglich zu machen. Genau das wollen wir mit rubarb ja auch.

Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?

Meine Definition oben unterscheidet nicht zwischen “FinTech = Start-up” und “etabliertes Unternehmen ≠ FinTech”. FinTech bezieht sich auf das Produktangebot – und das kann auch von einem Großkonzern kommen. Daher: nichts.

Wir bezeichnen uns aber ja selber häufig genug als “FinTech” – sauber wäre wohl “FinTech-Start-up” – daher zur Frage: Die Etablierten kommen deutlich günstiger an Wachstumskapital.

Was kann man von FinTechs lernen?

Junge Unternehmen wie rubarb sind häufig zusammengesetzt aus Menschen mit einem frischen Blick auf alte Probleme. Bei uns arbeitet nicht jeder schon seit 25 Jahren oder mehr in der Finanzindustrie. Gleichzeitig ist Geld ja etwas, das alle angeht. Wir haben also ein umfangreiches Produktverständnis durch die Konsumentenbrille und nähern uns aus dieser Richtung einem marktfähigen Produktangebot an. Dieser Prozess ist wahnsinnig schnell und findet mit einer Präferenz fürs Machen statt. Wir probieren Dinge aus, werten Tests qualitativ und quantitativ aus und verwenden diese Informationen als Basis für den nächsten Entwicklungsschritt.

Klar, dabei passieren Fehler. Ein erfahrener Banker würde möglicherweise schon zu Beginn des Prozesses sagen, dass das so nicht klappen wird. Manchmal hätte er sicherlich Recht. Häufig genug entstehen aber völlig neue Produktangebote, auf die der Banker nie gekommen wäre, die die Konsumenten allerdings großartig finden. Die Frage ist also eine grundsätzliche Einstellungsfrage: Fokussiere ich mich auf das, was nicht geht, oder mache ich einfach erstmal und komme so zu einer Lösung, die viele Menschen toll finden?

Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?

Weil sie keine Ahnung haben, was der Begriff überhaupt bedeutet. Auch ich werde immer wieder gefragt, was Digitalisierung für mich bedeutet. Ich verstehe die Frage nicht: Das ist doch kein Projekt, das wir so langsam mal angehen sollten. Das ist nicht die Zukunft, auf die wir langsam mal hinarbeiten sollten. Das ist weder schnelles Internet an der letzten Milchkanne noch Schulunterricht via Zoom. Wir leben in einer digitalen Welt – hier und heute. Deutschland hat nur leider den Anschluss verloren.

Deshalb besteht die Herausforderung nicht darin, große und schwerfällige Unternehmungen zu “digitalisieren” – was auch immer das bedeuten soll. Die Lebensrealität ist: Neue Ideen, junge Unternehmen ohne Legacy-Probleme finden gerade in Deutschland immer noch “grüne Wiese” vor, weil die bestehenden Player es seit 20 Jahren nicht schaffen. Das Schöne ist: Es gibt inzwischen in so gut wie allen Industrien und Lebensbereichen auch deutsche Start-ups, die mit innovativen Angeboten in den Markt streben. Allein die politisch-gesellschaftliche Infrastruktur bereitet mir Sorgen. Hier müssen wir als Gesellschaft den Hebel umlegen.

Was macht deinen Job täglich interessant?

Wir haben rubarb gegründet, weil wir selbst ein solches Angebot am Markt vermisst haben. Einer unserer fünf Werte bei rubarb lautet: “We eat our own dog food” – quasi eine schönere Formulierung für “das Produkt vom Kunden her denken”. Wir bauen ein Produkt für uns selbst und stellen jeden Tag fest, dass tausende neuer User genau so etwas gesucht haben.

Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?

Irgendein anderes Unternehmen aufbauen.

Worauf bist du stolz?

Wir haben inmitten der Pandemie ein Unternehmen geschaffen, dass unsere User lieben, an das Investoren glauben und das gegen den Trend schon heute viele Arbeitsplätze geschaffen hat. Vor allem aber: Wir drei Gründer hatten bis heute keinen Streit, mein Bruder und ich stehen uns noch näher als vor der Gründung und arbeiten erfolgreich zusammen und unsere Rubarbians sind scheinbar auch sehr glücklich bei uns: Wir haben nämlich bei inzwischen über 25 Teammitgliedern seit der Gründung noch nicht eine Kündigung erhalten. Jakob, Kelvin und ich haben allesamt vorher in Unternehmen gearbeitet, bei denen das auch mal anders war. Darauf sind wir also tatsächlich ein bisschen stolz.

Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?

Ich glaube, wir müssen Männer für das Problem sensibilisieren, aber Frauen nach den Lösungen fragen. Deshalb will ich nur soviel sagen: Ähnlich wie bei Finanzprodukten sind aus meiner Sicht auch hier Kultur, Bildung und Zugang die wesentlichen Voraussetzungen für Veränderung. Vielleicht liege ich da aber auch vollkommen falsch. Die ehrliche Antwort lautet wie so häufig im Leben eines Gründers: Ich weiß es nicht, also lasst uns Dinge ausprobieren, bis wir den Code geknackt haben.

Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?

Beim HSV. Danach habe ich dann hoffentlich vieles verstanden.

Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?

Mit Neil Armstrong im Jahre 1969.

Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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