„Die CSRD ist eine Goldgrube für Berater:innen“

Die CSRD ist eine der größten Aufgaben für Banken im Jahr 2025. Unzer-Compliance-Chef Max Steiger erklärt im Interview, warum das alle unterschätzen – und wie absurd die Vorgaben teilweise sind.

Max Steiger war über 20 Jahre lang bei der Deutschen Bank, bevor es ihn 2021 zum Payment-Unternehmen Unzer zog. Er kümmert sich bei Unzer um die Themen Compliance, Governance und ESG. Mit der CSRD-Richtlinie wird Unzer nun ab spätestens 2025 verpflichtet sein, einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht nach EU-Vorgaben abzugeben – womöglich hunderte Seiten, genauso wichtig wie der finanzielle Lagebericht. Ein dickes Brett, euphemistisch gesprochen. 

Herr Steiger, Unzer hat mehr als 250 Mitarbeiter und macht mehr als 40 Millionen Euro Umsatz. Das bedeutet: Sie müssen im kommenden Jahr erstmals einen Lagebericht für Nachhaltigkeit nach EU-Vorgaben aufstellen. Wie viel Arbeit erwarten Sie? 

Das ist ein ganz dickes Brett. Wir haben dieses Jahr schon angefangen, einen solchen Bericht aufzustellen und zu schreiben – als Probelauf quasi. Denn die CSRD-Richtlinie ist so kompliziert und komplex, dass wir jetzt schon anfangen müssen, Datenpunkte zu erkennen, zu sammeln und auch zu analysieren. Die neue Richtlinie will, dass wir mehr als 1300 Pflichtangaben ausfüllen, die wir für uns auf etwa 400 runtergebrochen haben – und die wir dann auch in aller Detailtiefe belegen müssen. Und das ist teilweise wirklich absurd tief. 

Können Sie ein Beispiel machen?

Wir als Unzer sind Mieter:innen in verschiedenen Gebäuden. Für die CSRD müssen wir jetzt alle Vermieter anschreiben, fragen, was die an Heizkosten zahlen und wie viel CO2 dabei ausgestoßen wird. Das müssen wir dann in den Bericht eintragen. Dann haben wir alle Mitarbeiter:innen gefragt: Wie kommt ihr zur Arbeit? Daraus entsteht dann eine Berechnung über den CO2-Verbrauch beim Pendeln, auch das fließt in den Bericht ein. Oder eine ganz andere Frage: Nutzen Sie Kinderarbeit? Natürlich nicht, aber das müssen wir eintragen und auch belegen können. 

In dieser Detailtiefe klingt das vor allem unnötig. Wie empfinden Sie die neuen Regeln? 

Ich glaube, in dieser Detailtiefe hätten wir das nie gemacht, wenn die EU-Regulierung nicht da wäre. Aber jetzt, wo wir es machen müssen, sehe ich darin auch einige Chancen, weil so viele Datenpunkte aufkommen, die man sonst nicht gesehen hat. Das schafft einfach eine neue Transparenz, wo es sicherlich Chancen gibt, an Stellschrauben zu drehen, um unsere bereits vor der CSRD aufgestellten, ambitionierten ESG-Ziele zu erreichen. Was aber klar ist: Der ganze Prozess ist extrem aufwendig und all diese Daten zu finden und zu erheben ist ein großes Stück Arbeit. 

Die Daten müssen ja, anders als in bisherigen Nachhaltigkeitsberichten, auch akkurat sein. 

Genau! Das haben viele in der Finanzindustrie heute noch nicht auf dem Radarschirm. Denn es ist so: Wirtschaftsprüfer:innen prüfen den Lagebericht zur Nachhaltigkeit ganz genauso wie beispielsweise die G&V oder die Bilanz. Wenn da etwas falsch ist oder Wirtschaftsprüfer:innen da ein ungutes Gefühl haben, könnte es dafür ein eingeschränktes Testat geben. Und dieses eingeschränkte Testat betrifft nicht nur den Teil Nachhaltigkeit, sondern den ganzen Jahresbericht – und das wäre für ein Unternehmen natürlich ein großer Nachteil. Gleichzeitig wissen weder Wirtschaftsprüfer:innen noch Unternehmen bislang im Detail, wie ein „guter” CSRD-Bericht aussehen muss, damit er allen Standards gerecht wird. Firmen wie der TÜV bieten dafür aktuell Schulungen an, die über Monate hinweg ausgebucht sind. Das ist ein richtiger Boost für die Berater:innen.  

Was kostet Unzer der gesamte Prozess?

Wir geben mindestens eine siebenstellige Summe dafür aus. Das sind zum einen Kosten für externe Berater:innen, die wir seit Anfang des Jahres an Bord haben und die, anders als bei Umsetzungen wie der IT-Richtlinie Dora, auch viel länger an Bord bleiben. Und dann sind da die internen Kosten, die sich gar nicht beziffern lassen. Denn die Mitarbeiter:innen im Bereich HR, Finance und so weiter werden ja sowieso bezahlt: Sie müssen plötzlich aber ganz neue und mehr Aufgaben übernehmen, Daten suchen, sammeln und so weiter. Ein Regierungsentwurf, das zeigt es ganz gut, geht von einem Erfüllungsaufwand allein in Deutschland von 1,6 Milliarden Euro aus. Und das ist sicherlich konservativ geschätzt. 

Sie sprachen schon von Beratern: Verdienen die sich dumm und dämlich an so einer Umsetzung? 

Ich sage es mal so: Die CSRD ist eine Goldgrube für Berater:innen. Die freuen sich natürlich, wenn sie so ein Projekt bekommen, denn das dauert relativ lange und ist sehr umfassend. Außerdem setzen die das nicht nur im Payment- und Bankingbereich um, sondern auch für 15.000 andere Firmen in Deutschland, die künftig so einen Bericht abgeben müssen. Das dauert pro Projekt mindestens sechs Monate, dann kommen da noch die Schleifen zu, sobald die Wirtschaftsprüfer Rückmeldung geben werden. Und dann gibt es noch Zusatzgeschäft: Alle wollen jetzt gerne Tools verkaufen, mit denen man angeblich ganz einfach alles ausfüllen kann. Einige werben schon damit, dass die KI den Bericht von ganz alleine schreibt. Wir haben uns jetzt drei solcher Lösungen angeschaut und ganz ehrlich gesagt: Wirklich überzeugt hat uns bislang nichts. Teilweise funktionierte nicht mal die Demoversion. Ich hoffe, da kommt noch eine bessere Lösung auf den Markt. 

Vielen Dank für das Gespräch. 

Autor

  • Nils Heck (geb. Wischmeyer) ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und seit März 2024 Redaktionsleiter bei Payment and Banking. Er ist zudem Autor der monatlichen Kolumne „Nils nörgelt“, in der er sich kritisch mit aktuellen Trends in der Payment- and Bankingbranche beschäftigt.

Weitere interessante Beiträge

  • Das waren die zehn wichtigsten Krypto-News im Dezember 

    Das waren die zehn wichtigsten Krypto-News im Dezember 

    Trump, SEC und die Genobanken: Sie alle haben den Krypto-Space in den vergangenen Tagen geprägt. Was dahinter steckte und was…

  • Wie Exporo Impact Investing fördern will 

    Wie Exporo Impact Investing fördern will 

    Die Firma will Investitionen in erneuerbare Energien einfacher machen. Im Podcast spricht Chef Simon Brunke über Herausforderungen bei dieser Mission.

  • Wie der ePerso die finanzielle Inklusion fördern – oder behindern kann

    Wie der ePerso die finanzielle Inklusion fördern – oder behindern kann

    Der ePerso revolutioniert die Identifizierung: Sparkassen nutzen ihn nun eigenständig. Doch wie wirkt sich das auf die finanzielle Inklusion aus?…

Newsletter
open close

Der beste Newsletter ever.

Wir versorgen dich täglich mit News, ausgewählten Artikeln und Kommentaren zu aktuellen Themen, die die Finanz-Branche bewegen. Jetzt anmelden!