Wir Deutschen lieben Bargeld. Deshalb kann man auch überall in Deutschland bar bezahlen. An der Kasse, am Kiosk. selbst am Automaten. Was aber wenn kein Bargeld zur Hand und weit und breit kein Geldautomat in Sicht ist? Eine Geschichte aus dem Leben. Während in Skandinavien schon lange über die komplette Digitalisierung des Zahlungsverkehrs diskutiert wird, verteidigen wir in Deutschland das Bargeld bis zur letzten Münze. Der Bargeldanteil macht in Deutschland noch immer die Hälfte der Umsätze aus. Erst im nächsten Jahr werden die barlosen Zahlungen überholen. Schaut man sich die Transaktionen an, sieht es noch krasser aus. Mehr als 80 Prozent der Transaktionen sind Barzahlungen. Kein Wunder also, dass man überall mit Bargeld bezahlen kann.
Deutschland: Der Fluss der Tränen im Zahlungsverkehr
Was aber, wenn man mangels Bargeldversorgung nicht bar zahlen kann? Dann ist man in Deutschland aufgeschmissen und übernachtet unter Umständen im Parkhaus. Fast.
Für einen Termin in Frankfurt am Main (die Hauptstadt der Banken) musste ich mangels Alternativen in einem Parkhaus parken. Das Parkhaus einer tegut-Filiale schien mir eine adäquate Wahl zu sein. Bis ich das Parkticket bezahlen musste, denn der Kassenautomat nahm zwar jede Form von Bargeld an, nicht jedoch Karte. In Frankfurt. Der nächste Geldautomat war 3,2 km entfernt was natürlich eine gehbare Entfernung ist, nicht jedoch wenn man gerne nach Hause möchte.
Der freundliche tegut-Mitarbeiter gab mir den Hinweis doch etwas über 20 EUR einzukaufen, dann könne ich ja auch Bargeld an der Kasse bekommen. Diese Antwort schien mir schon fast zu routiniert und ein Schelm wer böses dabei denkt. Eine Packung Calgonit, Sixpack Radler und zwei mal Alpecin Shampoo sowie ein Airwave Kaugummi später hätte ich fast Bargeld an der Kasse bekommen, wenn denn die Bargeldauszahlung nicht an die Girocard gekoppelt wäre. Der großmundige Hinweis an der Kasse auch Bargeld zu bekommen funktioniert nämlich nicht beim Einsatz einer Kreditkarte. Einige Karten später hatte ich dann mein Bargeld – nebst einen Einkauf von Dingen, die ich zwar nicht brauchte aber mir am wenigsten dämlich erschienen. Die ganze Prozedur hat mich 30 Minuten meines Lebens gekostet, zeigt aber ein grundlegendes Problem in Deutschland. Die fehlende Wahlmöglichkeit.
Zahlungsverkehr in Deutschland: Nur Bares ist Wahres
Spricht man in Deutschland über den barlosen Zahlungsverkehr, werden die kritischen Stimmen schnell laut und sogar Initiativen werden gegründet. So hat es sich die Initiative Pro-Bargeld zur Aufgabe gemacht gegen die barlose Gesellschaft zu kämpfen: um nichts geringeres als um die Freiheit scheint es zu gehen. Mit Online-Petitionen und Demonstrationen will man die barlose Gesellschaft aufhalten. Bei der Geschwindigkeit wie in Deutschland die Kartenzahlungen zu nehmen, werden die Aktivisten lange tot sein bevor man in Deutschland wirklich von einer barlosen Gesellschaft sprechen kann. Bargeld ist nach wie vor das meist genutzte Zahlungsmittel in Deutschland. Über die Hälfte der Ausgaben und fast 80 Prozent aller Bezahlvorgänge am Point-of-Sale werden bar getätigt. Und laut der Allensbach-Umfrage aus dem November 2016 gaben 81 Prozent der 1305 Befragten an, dass sie eine Abschaffung des Bargeldes nicht befürworten würden.
Bargeld ist anonym und eine Überwachung von Zahlungen durch den Staat kaum möglich
Bargeld schützt vor staatlichen Diebstahl. Die Abschaffung des Bargelds, ermögliche der EZB die konsequente und lückenlose Einführung von Minuszinsen, und damit den staatlichen Zugriff auf Privatvermögen und deren Teilenteignung, so die Argumentation
Kartenzahlungen, so glaubt man, bergen das Risiko von Fehlern, Manipulationen und digitalem Betrug.
Aber auch weitere Gründe werden immer wieder ins Feld geführt. Bargeld bietet die einfachste Übersicht über die eigene finanzielle Situation und wird überall akzeptiert. Ein weiterer Grund ist in der Vergangenheit zu finden. Deutschland war zwei mal von einer dramatischen Geldentwertung betroffen. Zum einen während der Hyperinflation von 1923 in der Weimarer Republik und nach dem zweiten Weltkrieg, während der Währungsreform und Einführung der D-Mark im Jahr 1948: Bei dem Wechselkurs 10 Reichsmark zu 1 D-Mark wurden ca. 90% der Ersparnisse quasi über Nacht verbrannt. Diese Krisen haben sich tief ins Gedächtnis der Deutschen eingebrannt und das Vertrauen in den Staat und Banken nachträglich erschüttert.
Die Vorteile einer barlosen Gesellschaft
Der wichtigste Vorteil barloser Zahlungen liegt im Wegfall der Bargeldversorgung. In einer barlosen Gesellschaft ist der Gang zum Geldautomaten obsolet. Ein weiterer Grund: Geld stinkt zwar nicht, hat aber bis zu 3.000 Keime und ist im wahrsten Sinne des Wortes sehr schmutzig. Das mag im Alltag vielleicht nicht groß stören, wer aber beim Bäcker sich morgens frische Brötchen holt und der Verkäufer mit der gleichen Hand die Backwaren einpackt mit der auch das Geld entgegen genommen wird, denkt vielleicht anders darüber nach. Auch können elektronische Zahlungen anonym erfolgen, wie man an der Kryptowährung Bitcoin sehen kann.
Fazit: Chancengleichheit – der Nutzer soll entscheiden (können)
Wir brauchen nicht die Abschaffung von Bargeld. Wir brauchen vielmehr die Wahlfreiheit. Es gibt gute Gründe für die Barzahlung, aber auch eben für die Zahlung mit Karte. Eine Chancengleichheit gibt es im Handel nicht. Im Gegenteil, oft wird die Bezahlung mit Karte schlechter gestellt als die Barzahlung. Wir alle kennen die künstliche (und nicht erlaubte) Grenze ab wann manche Händler eine Kartenzahlung akzeptieren. Aber nicht nur der Handel ist hier in der Pflicht, auch die Banken tun noch immer zu wenig um die Kartenzahlung voranzutreiben. Die Kreditkarte war lange Zeit das lukrativste Produkt im Endkundensegment und trotzdem hat man es versäumt an die Kunden zu bringen.
Maik Klotz ist Berater, Sprecher und Autor zu den Themen Banking, Payment, Digital Identity, E-Commerce und Retail mit starkem Fokus auf „mobile“. Seit vielen Jahren berät Maik Unternehmen zu kundenzentrierten Innovationsmethoden und der Fokussierung auf den Nutzer. Er wurde von der Süddeutschen Zeitung in der Serie „Impulsgeber“ der Branche portraitiert und moderiert und spricht auf vielen Branchen-Events. Maik ist Imker.Maik ist Co-Founder von Payment & Banking und ist im Team mitverantwortlich für Marketing, Strategie und Events, insbesondere der Transactions.io [mehr]