Die Entwicklung an der Börse kann ein Warnsignal sein. Dabei bietet die Krise auch viele Chancen und Gründer:innen nutzen sie und die Dynamik im Ökosystem ist bemerkenswert. Vor allem das letzte Jahr war trotz der pandemischen Situation geprägt von hohen Fundingrunden und einem regelrechten Boom der Fintechs, denn Krisenzeiten machen oftmals innovativ und lösungsorientiert.
Als Geschäftsführerin des Startupverbands beobachtet und analysiert Franziska Teubert das Geschehen der hiesigen Finanzindustrie. Wir sprechen mit ihr über Digitalisierungstreiber in Zeiten von Krisenzeiten, über Boom-Town Berlin und warum es wichtig ist, Gründer:innen weiterhin sichtbar zu machen.
Wir nähern uns schon wieder allmählich der Jahresmitte. Die Pandemie hat die Startup- und Fintech Welt stark verändert. Wir nehmen ihr die Situation wahr?
Start-ups waren wie die gesamte Wirtschaft von der Corona-Pandemie betroffen. Doch Gründerinnen und Gründer sehen in der Krise meist auch eine Chance und sind es gewohnt, schnell auf neue Situationen zu reagieren. Die Pandemie hat einen Digitalisierungsschub ausgelöst, gleichzeitig konnten einige Start-ups, wie zum Beispiel Lieferdienste, von der Krise enorm profitieren. Der Fintech-Sektor profitiert natürlich auch. FinTechs machen durchschnittlich zwei Drittel ihrer Umsätze im B2B-Bereich und sind echte Digitalisierungstreiber, gerade auch der Finanzwirtschaft. Drei von vier Fintechs sind in Kooperationen mit etablierten Unternehmen und bringen dadurch ihre technische Expertise und digitales Know-how in die Breite.
Aktuell sehen wir aber auch eine zunehmende Unsicherheit im Hinblick auf die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, der steigenden Inflation und der sich abzeichnenden Wirtschaftskrise. Ich bin aber überzeugt, dass sich gute Ideen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten durchsetzen werden.
Im vergangenen Jahr haben wir insbesondere bei den Fintechs hohe Fundings sehen können. Das ist vielleicht auch ein Teil der Tatsache geschuldet, dass viele der Runden noch vor der Pandemie eingeleitet wurden, oder siehst du das anders?
2021 flossen 3,7 Mrd an deutsche Fintechs. Das ist eine positive Entwicklung. Die großen Runden fanden ab Mitte 2021 statt, also anderthalb Jahre nach Beginn der Pandemie. Wir haben 2021 allerdings hohe Nachholeffekte, weil 2020 aufgrund der Pandemie einige Finanzierungsrunden ausgesetzt wurden.
Werden die großen Fundingrunden bei den Fintechs in den nächsten Monaten ausbleiben?
Der Einbruch der Tech-Aktien ist eindeutig ein Warnsignal. Wir haben hierzulande mit Taxfix allerdings schon ein neues Unicorn in Bereich Fintech, primär der Standort Berlin boomt. Sieben von 23 Berliner Unicorns sind Fintechs. Die Dynamik im Ökosystem ist bisher positiv, im Jahr 2022 gab es in Deutschland allerdings noch keine Finanzierungsrunden der Größenordnungen wie bei N26, Wefox & TradeRepublik, die im letzten Jahr Maßstäbe gesetzt haben.
Unabhängig von Covid wurden auch in den Jahren 2020/21 wieder viele Fintechs gegründet. Welche Clusterung könnt ihr verzeichnen? Welche Trends habt dieses Jahr bereits beobachten können?
Mit Blick auf die Finanzierungssummen hat sich unter den FinTechs im Jahr 2021 der Bereich Banking mit Kapitalzuströmen von fast 1,3 Milliarden Euro hervorgetan – dicht gefolgt vom Subsektor Trading, der die meisten Finanzierungsrunden zählt. Bei den Neugründungen setzt sich laut Startupdetector der positive Trend fort, sowohl im Finanzbereich als auch im Blockchain und Krypto-Sektor.
Als Interessenvertretung der Startups steht ihr beim Startup-Verband in direktem Austausch mit der Bundesregierung und Vertreter*innen aus der Wirtschaft. In welchem Spannungsfeld bewegen sich die Gespräche?
Wir blicken mit einer gewissen Erwartung auf die “umfassende Startup-Strategie“, die die Ampel-Koalition für den Sommer angekündigt hat. Wir haben uns als Stimme der deutschen Startups für deren Interessen starkgemacht. Wenn wir den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfest machen wollen, brauchen wir bessere Rahmenbedingungen für Startups.
Uns geht es unter anderem um bessere, attraktivere Regelungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen, vereinfachte Visa-Regeln für Fachkräfte, die Stärkung der Finanzierungsmöglichkeiten in der Wachstumsphase und um die Frage, wie Startups von der Vergabe der öffentlichen Hand stärker profitieren können.
Gibt es nach dem Wechsel der Bundesregierung aus eurer Sicht eine Neuausrichtung in Sachen Digitalwirtschaft und Unterstützung und stimmen für euch die Signale?
Es ist gut, dass es mit Anna Christmann als Startup-Beauftragte im Bundesministerium für Wirtschaft und Klima wieder eine Ansprechperson für das Zukunftsthema Startups gibt, die das Querschnittsthema im Ministerium koordiniert und vorantreibt. In den vergangenen Jahren hat Anna Christmann mit recht auf bestehende Schwächen der Startup-Politik in Deutschland hingewiesen. Wir haben bei ihr ein offenes Ohr für unsere Themen. Ich persönlich begrüße es sehr, dass sie auch die Förderung von Gründerinnen oben auf die Agenda setzt.
Am 19. Mai findet zum zweiten Mal die Verleihung des German Startups Award im Tipi am Kanzleramt statt. Welche Idee verbirgt sich hinter dem Award und warum ist weiterhin so wichtig, Gründer:innen sichtbar zu machen?
Hinter jedem Startup steckt nicht nur eine Idee, sondern eine Vielzahl an Menschen. Sie setzen alles daran, diese Idee zum Leben zu erwecken und wachsen zu lassen.
Mit den German Startup Awards ehrt der Startup-Verband die Kämpferinnen und Macher, Querköpfe und Visionärinnen, Unterstützerinnen und Wegbegleiter, die das deutsche Startup-Ökosystem zu dem machen, was es ist: zu einem der spannendsten und dynamischsten der Welt. Mit den German Startup Awards wollen wir für das Unternehmertum in Deutschland werben und den Persönlichkeiten hinter den Startups eine Bühne geben. Uns geht es darum, die Menschen mit ihren ganz persönlichen Unternehmensreisen zu zeigen.
Und in diesem Jahr freue ich mich ganz besonders, die Awards endlich wieder bei einem großen Gala-Abend zu verleihen. Mit 500 hochkarätigen Gästen werden wir unsere Gewinner:innen, aber auch das Startup-Ökosystem, feiern.
Unter vielen hundert Bewerbungen, habt ihr im Vorfeld insgesamt 24 Finalist:innen ausgewählt. Was zeichnet diese besonders aus?
Die Finalist*innen überzeugen nicht nur mit innovativen Ideen, sondern auch mit ihrer Persönlichkeit. Sie bieten etwa Verbraucher*innen Zugang zu attraktiven Geldanlagen für jeden Lebensabschnitt oder verfolgen die Mission, fossile Energien überflüssig zu machen – dank sich selbst ladender Elektroautos. Unsere Finalist*innen eint, dass sie eine klare Vision antreibt, sie auch bei Gegenwind nicht aufgeben und Verantwortung übernehmen. Damit sind sie echte Vorbilder für die Startup-Szene, aber auch für das Unternehmertum im Allgemeinen.
Franziska Teubert ist seit 2019 Geschäftsführerin des Bundesverbands Deutsche Startups, der als Interessenverband die Belange von Startups gegenüber Gesetzgebung, Verwaltung und Öffentlichkeit vertritt.
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