Das SME Referral Scheme – was’n das?

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In ihrem 2020 veröffentlichten „Capital markets union 2020 action plan“ kündigte die EU-Kommission Entwürfe eines „SME Referral Scheme“ angekündigt. Bereits im 4. Quartal 2021 sollte ein Kommissionsentwurf vorgestellt werden. Doch noch lässt er auf sich warten. Was ist mit dem Referral Scheme eigentlich gemeint, warum ist das (vielleicht) interessant und warum ist das heute noch ein Thema?

Was genau ist das SME Referral Scheme?

Das SME Referral Scheme (also: ein Vermittlungssystem für kleine und mittlere Unternehmen) soll nach der Vorstellung der Kommission eine Regelung sein, die Banken verpflichtet, bei Ablehnung von Kreditanträgen kleiner und mittlerer Unternehmen die Antragsteller an Anbieter alternativer Finanzierungsformen zu verweisen.

Was ist das Ziel dieses Vemittlungssystems für kleine und mittlere Unternehmen?

Das Vermittlungssystem zielt darauf ab, einen grünen digitalen, integrativen und widerstandsfähigen Wirtschaftsaufschwung zu unterstützen, indem europäische kleinen und mittleren Unternehmen der Zugang zu Finanzierungen erleichtert wird.

Was schlägt die Kommission vor?

In dem im September 2020 veröffentlichten Capital-Markets-Unions-Aktionsplan hat sich die Europäische Kommission bis zum 4. Quartal 2021 verpflichtet, die Vorteile und die Durchführbarkeit eines Verweisungssystems zu analysieren, um Banken (und andere Finanzierungsanbieter) in Zukunft zu verpflichten, kleine und mittlere Unternehmen, deren Finanzierungsantrag sie abgelehnt haben, an Anbieter alternativer Finanzierungsmöglichkeiten zu verweisen.

Zur Vorbereitung eines möglichen Kommissionsvorschlags des Referral Scheme hat die Kommission im März 2021 in einem sogenannten „call for feedback“ Stellungnahmen beteiligter Stakeholder eingeholt. Verbunden mit der Einholung von Feedback war (auf 258 Seiten!) die Darstellung, wie der derzeitige Status quo der Kapitalaufnahme von KMU durch Bankdarlehen innerhalb der Union ist.

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Ein Schwerpunkt bildete die Untersuchung, mit welcher Quote Kreditanfragen von KMUs in den verschiedenen Mitgliedsstaaten abgelehnt würden. Zum anderen die Gegenüberstellung von dem Vorteil den es für die KMUs hätte, ein breiteres und diversifizierteres Finanzierungsangebot zu haben, welches ein solches Vermittlungssystem gewährleisten könnte und dem möglichen zusätzlichen Aufwand (einschließlich Wartungs-/ und IT-Einrichtungskosten) die auf die Banken und anderen Finanzgeber zukämen, wenn sie verpflichtet wären eine solche Vermittlungsdienstleistung anzubieten.

Welche Maßnahmen bestanden bis dahin auf EU – Ebene zur Unterstützung von KMUs?

Derzeit gibt Art. 431 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Capital Requirements Regulation oder CRR) den KMU das Recht, eine schriftliche Rückmeldung zu verlangen, wenn sie einen Bankkredit beantragen. Eine solche Rückmeldung ist besonders wichtig im Falle einer negativen Kreditentscheidung.

Diese Rückmeldung von Banken zu den abgelehnten Kreditanträgen von KMUs, beinhaltet derzeit nicht die Weiterleitung von KMU an alternative Finanzierungsanbieter. Die Rückmeldungen basieren derzeit in der Regel auf Gründen, weshalb der Kredit abgelehnt wurde und weniger darauf, alterative Finanzierungskanäle aufzuzeigen.

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Die bestehenden EU-Rechtsvorschriften verpflichten Banken und andere Finanzdienstleister aktuell also nicht dazu, KMU´s über alternative Finanzierungsquellen zu informieren. Angesichts des allgemeinen Mangels an Kenntnis über Finanzierungsmöglichkeiten vonseiten der KMUs, sind viele KMUs möglicherweise nicht ausreichend über alternative Finanzierungsmöglichkeiten informiert und wissen nicht wo sie diese finden können.

Die zusätzlichen Kosten, die die KMUs für die Identifizierung und die anderweitige Beantragung nach Ablehnung belasten, können KMUs davon abhalten, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Dies senkt die Chancen auf Vergrößerung und Wachstum. Ein Bankvermittlungssystem würde die Banken dazu verpflichten, abgelehnte KMUs, die eine Finanzierung benötigen, proaktiv an alternative Finanzierungsdienstleistende weitezuleiten.

Angesichts der Quoten abgelehnter Kreditanträge (z.B. 27% vollständig abgelehnte und 18% teilweise abgelehnte Anträge in den Niederlanden oder 20% vollständig abgelehnte und 9% teilweise abgelehnte Anträge in Polen) scheint eine Nachfrage nach einem solchen Referral Scheme nachvollziehbar.

Beispiel eines bereits existierenden Vermittlungspogramms und dessen Aussichten

In England existiert seit 2016 ein Banküberweisungsprogramm. Im Rahmen dieses Programms muss eine Bank, die einen KMU-Finanzierungsantrag über 1.000 GBP ablehnt, alle spezifizierten Informationen, die sie in Bezug auf den Antrag besitzt, an alle benannten Finanzierungsplattformen weitergeben, nachdem sie das betreffende KMU um Erlaubnis gebeten hat.

Wenn das Unternehmen mit der Weitergabe dieser Informationen nicht einverstanden ist, muss die Bank dem Unternehmen die allgemeinen Informationen der Plattformen zusenden.

Die Verordnungen (UK Act 2015 No. 1946) verpflichten die benannten Finanzplattformen außerdem dazu, den Finanzdienstleistern Zugang zu Informationen zu gewähren, die die Plattform erhalten hat, sofern sie der Finanzdienstleister angefordert hat.

In den Verordnungen sind zudem Fristen für die einzelnen Schritte festgelegt, die von der Bank und der Finanzplattform zu erfüllen sind.

Als kleine und mittlere Unternehmen gelten in England solche mit einem Umsatz von bis zu 25 Mio. GBP und mit einer Adresse im Vereinigten Königreich. Anträge für die folgenden Produkte in Pfund fallen in den Anwendungsbereich der Regelung: Überziehungskredite, Darlehen, Rechnungsfinanzierung, Anlagenfinanzierung (ausgenommen Operating-Leasing), Kreditkarten. Dies sind auch Produkte, die typischerweise von den benannten Finanzplattformen abgedeckt werden.

Während das britische Finanzministerium geeignete Banken und Finanzplattformen für das Verweisungssystems benennt, verwaltet die British Business Bank (staatliche Wirtschaftsförderungsbank) das System im Auftrag des britischen Finanzministeriums. Dies beinhaltet die Erhebung der Daten von den Plattformen sowie die Durchführung von Due-Diligence-Prüfungen für Plattformen, die sich um die Aufnahme im System bewerben.

Finanzierungsplattformen agieren als Vermittler

Derzeit gibt es neun Banken – AIB Group (UK) Plc (t/a First Trust Bank), Bank of Ireland (UK) Plc, Barclays Bank Plc, Clydesdale Bank Plc, Northern Bank Ltd (t/a Danske Bank), HSBC Bank Plc, Lloyds Banking Group Plc, Royal Bank of Scotland Group Plc und Santander UK Plc, die vom britischen Finanzministerium für die Teilnahme an dem Programm benannt wurden und drei Finanzierungsplattformen – Alternative Business Funding Ltd, Funding Options Limited und FundingXchange Limited.

Die benannten Finanzierungsplattformen stellen nicht die Finanzierung an sich bereit, sondern fungieren als Vermittler zwischen  Unternehmen und Finanzierungsanbietern. Die Plattformen erwirtschaften Einnahmen aus der von ihnen erbrachten Dienstleistung. Dies kann auf verschiedene Weise erreicht werden, z. B. durch Gebühren, die Kreditgeber für die Aufnahme in die Plattform erheben oder durch Gebühren, die auf der Grundlage der bereitgestellten Mittel erhoben werden. Die Nutzung der Plattformen ist für die Unternehmen kostenlos.

Seit Beginn des Programms im November 2016 wurden mehr als 45 000 infrage kommende kleine Unternehmen, die von einer der großen Banken abgelehnt wurden, an das Programm verwiesen („Bank Referral Scheme: Official Statistics“, HM Treasury, 23. Dezember 2020). Insgesamt wurden über 2.500 Kleinunternehmen durch das Programm Finanzierungen in Höhe von mehr als 56 Mio. GBP gesichert. Davon haben 889 kleine Unternehmen seit dem 1. Juli 2019 über 23 Millionen GBP aufgebracht. Die Zahl der Überweisungen und der abgeschlossenen Geschäfte ging zwar während der Pandemie zurück außerdem ging nach der Einrichtung eines Kreditgarantiesysteme des Vereinigten Königreichs, wie das „Bounce Back Loan Scheme“, der Bedarf der KMU´s an einem Verweisungssystems zurück. Dennoch waren die drei Quartale (Q3 2019 – Q1 2020) vor der Covid-19-Pandemie die erfolgreichsten Quartale seit Beginn des Programms. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Programm an Fahrt aufnimmt und für KMU zunehmend nützlich ist.

Wo steht das Referral Scheme jetzt?

Eigentlich sollte bereits im 4. Quartal 2021 ein Kommissionsentwurf vorgestellt werden. Doch nach Branchenmeinungen ist eine breite Front der Bankenlobby derzeit bemüht, auf den letzten Metern einen nicht allzu ambitionierten Entwurf zu erreichen. Angesichts des möglichen Risikos für die Institute – einen ohnehin seit Jahren aufstrebenden Markt für alternative Finanzierungen aufgrund gesetzlicher Anordnung noch zusätzlich unterstützen zu müssen – scheinen die Verbände sehr bemüht, den Entwurf abzuschwächen. Dennoch sollte der Entwurf in den kommenden Wochen veröffentlicht werden – sofern die Kommission endgültig davon Abstand nimmt.

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Autor

  • Till-Christopher Otto arbeitet seit 2020 als Rechtsanwalt bei der Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und berät in dieser Funktion regelmäßig Kredit-, Finanzdienstleistungs- und Zahlungsinstitute in allen Bereichen des KWG, WpHG, ZAG und GwG. Daneben ist er Autor in verschiedenen Kommentaren zum GwG, dem VermAnlG und dem KAGB und hält regelmäßig Vorträge zu Regulierungsthemen, insbesondere zum GwG.

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