Der Neobroker verspricht seinen Kunden eine Insights-KI, die Fragen rund um die eigenen Finanzen beantworten kann. Aber hält das Produkt tatsächlich sein Versprechen? Wir haben es getestet – und teils spannende Antworten bekommen.
Chatbots sind out. Wer etwas auf sich hält, der hat heute eine eigene KI. Immer mehr Unternehmen integrieren mehr oder wenige intelligente Assistenten in ihr Angebot mit dem Versprechen, dass diese Kunden alle wichtigen Fragen beantworten können. Kundenberater? Die sind von gestern.
Auch der Neobroker Scalable hat vor Kurzem verkündet, eine eigene Künstliche Intelligenz einzuführen. Die heißt „Insights“ und ist nach Unternehmensangaben speziell auf die Bedürfnisse der Kunden angepasst. Sie soll Fragen zu Märkten, Nachrichten und Börsenstrategien beantworten können, außerdem die Funktionen des Scalable-Brokers erklären. Basis für Insights sind Modelle von Open AI, für die Daten greift die KI auf Informationen vom Portal JustETF und dem Nachrichtenticker dpa-afx zurück, außerdem auf die Scalable-FAQs. „Mit Insights machen wir den Zugang zu Finanzwissen und damit zur privaten Kapitalanlage insgesamt einfacher“, sagte Julius Weller, Scalables für den Broker zuständiger Vice President, angesichts des Starts des Produkts. Sowohl Anfänger als auch erfahrene Anleger sollen profitieren.
Da wird es doch Zeit für die Probe aufs Exempel. Payment & Banking hat sich Scalable Insights mal angeschaut. Was kann die Broker-KI tatsächlich? Und wo stößt sie noch an ihre Grenzen? Ein Selbsttest.
Noch kein persönlicher Anlage-Assistent
Als Scalable-Kunde gehe ich erstmal ganz offen auf meinen neuen virtuellen Berater zu und stelle die Frage: Sollte ich mein Portfolio anpassen? Ich habe ein paar ETF-Sparpläne und die eine oder andere Einzelaktie, aber da ist doch bestimmt noch etwas rauszuholen, oder? Aber Pustekuchen: „Ihr Portfolio kann ich aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen nicht direkt einsehen oder individuell analysieren.“ Kontodaten und Portfoliowerte kennt Insights nicht. Wirklich schade, aber das ist aktuell bei vergleichbaren KI-Anwendungen Standard. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. „In Zukunft ist es denkbar, dass weitere Datenquellen, wie z.B. auch Konto- und Portfoliodaten der Kunden, für die Antwortgenerierung genutzt werden”, erklärt Scalable selbst hierzu.
Also frage ich mal ganz direkt, welche Fragen Insights mir denn beantworten kann. „Eine breite Palette rund um das Investieren und Scalable Capital“, erklärt mir das Programm großspurig: Informationen zu Aktien, aktuelle Unternehmenszahlen, Details zu Produkten, Funktionen meines Scalable Accounts. Das wollen wir doch mal sehen!
Überraschende Anlagetipps von Scalable Insights
Bezüglich allgemeiner Anlagetipps spuckt der KI-Helfer tatsächlich vernünftige Informationen aus. Langfristiges Investment gelinge am Besten über breit gestreute ETFs wie den MSCI World. Historisch gebe es hier etwa fünf Prozent jährliche Rendite. Dann kommen auch direkt erste ETF-Tipps, die „für den langfristigen Vermögensaufbau“ besonders relevant sein sollen. Und da wird es interessant: Empfohlen werden hier nämlich zwei Multifactor-Equity ETFs des Finanzautors Gerd Kommer. Da ist erstmal nichts gegen zu sagen, nur: Die sind bei 0,5 Prozent Gesamtkostenquote relativ teuer und performen seit Auflage auch leicht schlechter als Klassiker iShares Core MSCI World UCITS ETF USD. Wie kommt Insights auf diesen Tipp?
„Ich empfehle die L&G Gerd Kommer Multifactor Equity UCITS ETFs, weil sie in den verfügbaren Informationen als Beispiel für langfristig orientierte, breit diversifizierte Anlageprodukte genannt werden, die besonders für Anleger mit Fokus auf Stabilität und Wachstum relevant sind.“ Als Quelle weist Insights zwei Artikel bei Just ETF aus. Gründliche Recherche sieht anders aus. Denn als ich Insights auf die recht hohen Kosten und die recht kurze Historie anspreche – die ETFs wurden erst 2023 aufgelegt – räumt die KI diese Punkte zumindest etwas ein. „Wer besonders auf niedrige Kosten und lange Historie Wert legt, findet mit klassischen Welt-ETFs wie dem MSCI World attraktive Alternativen.“ Klingt ja etwas beleidigt, die KI scheint wirklich von Gerd Kommer und seinen ETFs begeistert zu sein. Laut Scalable liegt diese Vorliebe daran, dass die KI, wenn sie auf Deutsch gefragt wird, nach dem Stichwort „Welt” statt „World” sucht. Und das findet sich prominent etwa in den WKNs der Kommer-ETFs. „Dies ist uns bereits bekannt und die KI wird dahingehend weiter trainiert, um hier eine ausgewogene Antwort zu geben”, erklärt die Firma auf Nachfrage.
Aber gut, lassen wir das. Was sagt Insights mir denn zu aktuellen Unternehmenszahlen? Das ist doch wirklich nützlich. Fragen wir also was Leichtes: Welchen Umsatz und Gewinn machte Volkswagen zuletzt?
Tatsächlich kommt postwendend die Antwort: Zum Stichtag 1. September 2025 erzielte Volkswagen einen Umsatz von 324 Milliarden Euro und einen Nettogewinn von 10,7 Milliarden Euro. Das sind tatsächlich die Zahlen des Geschäftsjahres 2024. Allerdings ist die Formulierung etwas irreführend, der unaufmerksame Leser könnte das so interpretieren, dass es die Zahlen für das Jahr 2025 bis zum 1. September wären, die natürlich noch gar nicht vorliegen. Ich weise Insights pflichtbewusst auf die unklare Formulierung hin, die KI räumt dieses Mal deutlich weniger passiv-aggressiv das Feld als noch bei Gerd Kommer und gibt mir als Entschuldigung noch direkt die Zahlen fürs erste Halbjahr 2025 dazu. So langsam werden Insights und ich doch warm.
Zahlen, Produkterklärungen, FAQs: Das kann die Scalable-KI
Versuchen wir es nochmal mit Produkten. Was hält Insights von Kryptowährungen? Immerhin gibt es die mittlerweile auch bei Scalable, da werde ich als Kunde doch vielleicht neugierig. Insights erklärt, dass Kryptowährungen eine „innovative und zunehmend beliebte digitale Anlageklasse“ seien, allerdings mit hohen Risiken und starken Kursschwankungen. So weit, so korrekt. Als Anlageinstrument nennt er mir dann Krypto-ETNs, also im Prinzip Krypto-Schuldverschreibungen. Klingt kompliziert, kann Insights auf Nachfrage aber erklären. Ob das aber wirklich eine gute Idee für Einsteiger ist? Die KI meint schon, es sei einfacher, man brauche keine Wallet und es sei kosteneffizient. Aber auch Risiken wie etwa das bei ETNs vorliegende Emittentenrisiko werden nicht verschwiegen. Insgesamt ist die KI vielleicht etwas zu enthusiastisch bei so einem komplexen Produkt, aber naja, von Krypto sind ja so einige begeistert.
Und überhaupt sollte man Insights’ Antworten auch nicht als Anlageempfehlungen, erklärt Scalable gegenüber Paymentandbanking. Das ist sicherlich ein berechtigter Disclaimer und eine gute Faustregel, die Menschen bei KI-Nutzung anwenden sollten. Allerdings stellt sich schon die Frage, ob manch unbedarfter Anleger die namentliche Nennung nicht trotzdem zumindest als implizite Empfehlung verstehen könnte.
Jetzt würde ich noch gerne meine Sparrate anpassen, bevor ich all die Tipps von Insights sacken lasse. Aber wie geht das nochmal bei Scalable? Hier spuckt die KI eine kurze knackige Anleitung aus. Für mich erledigen kann sie das aber nicht. Datenschutz, na klar.
Damit wird zum Schluss des Tests noch einmal deutlich, dass die Scalable-KI klare Grenzen hat. Ein smarter Assistent ist sie noch nicht, mehr eine Mischung aus Anlagelexikon und FAQ. Das ist nett, funktioniert insgesamt auch, selbst wenn einige der Produktempfehlungen Fragen aufwerfen.