Es ist immer wieder eine Herausforderung, monatlich eine treffende Kolumne zu verfassen. Das insbesondere, wenn sich im Payment- und Fintechbereich die Ereignisse nicht gerade überschlagen. Wenn sich im Irdischen nicht allzu viel tut, kann man einen Blick in die Welt der Astrologie werfen. Vielleicht wird man hier fündig? Was bedeutet das chinesische Jahr des Tigers für die Branche?
Zum baldigen Beginn des „Jahr des Tigers“ bietet sich daher eine kleine Analyse an. Inwiefern werden die dominierenden Eigenschaften des „Tigers“ auch auf die Lieblingsthemen unserer Community durchschlagen?
Von Risikobereitschaft, Abenteuer, Risikobereitschaft und Optimismus
Am 1. Februar löst nach dem chinesischen Kalender der Tiger den Büffel ab. Steht der Büffel für Ausdauer und Geduld, so symbolisiert der Tiger Mut, Risikobereitschaft, Abenteuer, Durchsetzungskraft und Optimismus.
In der gesamten Fintech-Szene bleibt latent jedes Jahr ein Büffel-Jahr. Nur mit einem langen Atem sind die vielen Herausforderungen, die an ein Fintech-Startup gestellt werden, darunter Technologie, Funding und Regulatorik, dauerhaft zu meistern. Im Jahr des Tigers kommen nun weitere Eigenschaften hinzu.
Bislang kein weißer Rauch bei EPI
Beginnen wir also mit Mut und Risikobereitschaft. Kurz vor Weihnachten hatten wir alle die Hoffnung, dass beim derzeit wichtigsten europäischen Paymentprojekt EPI weißer Rauch aus den Kaminen der beteiligten deutschen Banken und Sparkassen aufsteigt. Umso größer war die Ernüchterung, als die Commerzbank am 17. Januar bekannt gab, dass sie ihr Engagement in EPI unter anderem wegen der Kosten abbläst.
Mutig wäre hier gewesen, trotz der Absage der spanischen Banken, an der Idee des europäischen Zahlungsverkehrs festzuhalten. Und dass nahezu immer relativ hohe Anfangsinvestitionen erforderlich sind, um Neues und Großes zu schaffen, ist systemimmanent. Ohne die Risikobereitschaft eines Elon Musk gäbe es heute nicht diese e-Revolution in der Automobilbranche, die uns alle in unserer persönlichen Mobilität noch prägen wird. Frei nach „the world not enough“ strebt gleichzeitig in den Weltraum und treibt mit einem Tweet den Bitcoin-Kurs in schwindelerregende Höhen.
EPI braucht strategischen Weitblick
Dass sich die Commerzbank beim Thema „Mut zu EPI“ etwas bedeckter hält, könnte man natürlich ihrem betagten Unternehmensalter zuschreiben. Paradoxerweise investiert sie aber erfolgreich über ihren eigenen Venture-Capital Arm, CommerzVentures, Millionenbeträge in Fintechs. Das ursprüngliche Kerngeschäft, der Zahlungsverkehr, wird in der etablierten Bankenbranche nach wie vor mehr cash burner als cash cow betrachtet.
Neben fehlender Risikobereitschaft schlägt hier auch unzureichender strategischer Weitblick durch. Um die Relevanz des digitalen Bezahlens zu erkennen, müsste man noch nicht einmal in den Weltraum blicken.
Das Kneifen der Commerzbank wird sich aber vielleicht im Jahresverlauf durch die von vielen gewünschte Bankenkonsolidierung wieder egalisieren. Und oftmals ist auch „weniger“ (z.B. Gesellschafter) „mehr“, denn bekanntermaßen verderben zu viele Köche den Brei. Sollte eine deutsch-französische Allianz bei EPI ähnlich erfolgreich sein, wie sie es in der europäischen Politik der vergangenen 50 Jahre war, dann kann diese Payment-Initiative zur Stärkung der europäischen Achse beitragen und schließlich doch noch in ein pan-europäisches (Payment)Ökosystem münden. Ein wenig mehr „Elon Musk-Mentalität“ könnte also nicht schaden.
Verzahnung der regulatorischen und kriminaltechnischen Strukturen
Und nun zum Abenteuer: solche Abenteuer á la Wirecard hoffen wir in diesem Jahr natürlich nicht mehr zu erleben. Und damit dies auch nicht geschieht, sorgt jetzt der neue starke Mann an der Spitze der BaFin. Der regulatorische Instrumentenkasten der BaFin ist gut ausgestattet und die Behörde zögert auch nicht, ihre Tools stante pede einzusetzen. Man sollte nur dabei im Blick halten, dass man die ein oder andere Stellschraube nicht überdreht. Regulatorik darf nicht allein dem Selbstschutz der Behörde dienen, sondern muss sich an der Marktentwicklung orientieren. Diese hat in den letzten Jahren wesentlich schneller den Weg in das Internet gefunden, als sich dies viele Experten je vorstellen konnten.
Damit sind jedoch auch viele neue, sehr kreative Szenarien des Cybercrime im Online-Business entstanden. Diese wirksam zu bekämpfen und den Sumpf in diesem „darknet“ des Zahlungsverkehrs trockenzulegen, bedarf einer wesentlich engeren Zusammenarbeit und Verzahnung der regulatorischen und kriminaltechnischen Strukturen auf europäischer Ebene.
Nationale Beschränkungen zu erteilen, haben zwar einen größeren publikumswirksamen Effekt, sie passen aber nicht unbedingt in ein Level Playing Field von internationalen Geschäftsmodellen. Ein richtiger Ansatz ist hier die ambitionierten Gesetzgebungsvorschläge der EU-Kommission aus dem Büffeljahr 2021. Die Umsetzung dieser Gesetzgebungsvorschläge der EU-Kommission zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung dürfen aber nicht in den bürokratischen Mühlen zermahlen oder über die Zeit versanden. Schaffen wir es in der Europäischen Union nicht, mehr Binnenmarkt in der Finanzdienstleistung zu schaffen, werden uns auch hier die Big Techs zeigen, wie Umsetzung und Skalierung im Zeitalter des Internets funktioniert.
Von vertrauten Strukturen trennen
Kommen wir damit zur Durchsetzungskraft. Weil es zum guten Ton gehört, die amerikanischen GAFA (oder inzwischen besser GAMA?) als das größte Risiko für den Finanzsektor zu betrachten, müssten sich Kritiker vielmehr die Frage stellen, ob man sich von deren Durchsetzungskraft nicht eine Scheibe abschneiden sollte? Denn sind echte Vorwärts-Strategien heute eigentlich nicht nur noch mit disruptiven Entscheidungen möglich (siehe Elon Musk)?
Diese Entschlossenheit, sich von vertrauten Strukturen zu trennen und neues Terrain zu betreten, ist oft nicht gewollt. Nur wenn wir immer wieder gerne amerikanische Plattformen oder Kartenorganisationen als Buhmänner/-frauen bzw. als Ursache für die Bedrohung des heimischen Bankenmarktes heranziehen, sollten wir uns selbst vor den Spiegel stellen. Wir sollten die Frage stellen, ob wir wirklich die Schönsten sind und ob ein neues Make-up ausreicht, um den/die KönigIn-KundIn zu gewinnen.
Was sich am Ende durchsetzt
Und last but not least nun zum Optimismus. Über einen solchen sollte man schon verfügen, um weiter an den Wirbel um Krypto, DeFi, NFT & Co. zu glauben. Natürlich werden sich diese Produkte immer mehr etablieren. Aber etwas mehr Seriosität und Know-how bei Angebot und Nachfrage wäre der Sache sicherlich dienlich. Da Feuerwerke aktuell nicht mehr angesagt sind, hat sich dies auch der Bitcoin-Kurs zu eigen gemacht. Seit Jahresbeginn in keine höchsten Höhen mehr geschnellt.
Ob der Bitcoin in diesem Jahr endlich die 100.000 USD Marke knackt, hängt wahrscheinlich wieder mal davon ab, welches Twitterfeuerwerk, angefangen bei Frank Thelen bis Elon Musk, abgeschossen wird. Man darf gespannt sein, was sich die Bitcoin-Fangroup in diesem Jahr einfallen lässt, um hier eine Gegenbewegung auszulösen. Vielleicht ist es die steigende Inflation, denn Bitcoins lassen sich anonymer besorgen und leichter verstecken als Goldbarren oder der gute alte Krügerrand.
Bleiben wir also gespannt, in welchen Feldern des Fintech- und Paymentbusiness in diesem Jahr die „Eigenschaften des Tigers“ zum Zuge kommen. Oder ob es nur viele „zahnlose Tiger“ geben wird.