Wenn die Filialen sterben…

Das große Bankensterben

Die deutsche Bankenlandschaft schrumpft weiter. Der Schwund der Filialen und Geldhäuser ist nicht neu, aber er schreitet unaufhaltsam voran – nicht zuletzt wegen der derzeitigen Situation. Woran es liegt und in welche Richtung die Entwicklung gehen müsste, damit etablierte Banken in Zukunft wettbewerbsfähig sind.

Für die Banken und Kreditinstitute in Deutschland eine erschreckende Zahl, die eine deutliche Sprache spricht: In den letzten beiden Jahrzehnten ist die Anzahl der Bankfilialen hierzulande um sage und schreibe 50 Prozent gesunken[1]. Existierten 1997 noch über 66 000 Niederlassungen, waren es 2017 bereits nur noch rund 32 000 bis 35 000 Filialen. Das Bankensterben ging in den letzten Jahren rigoros und unaufhaltsam von statten. Erschwerend kommt hinzu: Eine Aussicht auf Besserung der Lage besteht kaum – die Zahl der Banken wird weiter sinken oder aber sie werden zu Fusionierungen gezwungen sein.

Schon 2018 veröffentlichte die Unternehmensberatung Oliver Wyman eine Untersuchung, nach der in den nächsten Jahren unzählige weitere Filialen und Geldinstitute schließen werden. Rund 1900 Banken existieren in Deutschland aktuell, in naher Zukunft (in etwa zehn bis 15 Jahren) gebe es laut der Untersuchung nur noch 150 bis 300[2]. Ein radikales Rückbautempo.

Das große Bankensterben

Darum sterben die Banken

Die Gründe für das Bankensterben und den Fusionsdruck sind vielfältig und nicht neu:

  • durch die Finanzkrise hat das Vertrauen der Deutschen in den Bankensektor sehr stark gelitten. Zwar liegt der Höhepunkt der Krise bereits über zehn Jahre zurück – Studien aber zeigen, dass sich das Vertrauen der Menschen in die Banken und die Finanzbranche nur langsam wieder aufbaut[3]. Demnach glauben noch heute nur etwa 50 Prozent der Befragten, dass das eigene Geld bei der Bank gut und sicher aufgehoben sei.  In den Köpfen vieler Kunden seit der Finanzkrise verankert: Die Befürchtung, die Bank würde sich auf ihre Kosten bereichern, zu riskanten Geldanlagestrategien bzw. -geschäften raten oder unseriöse Beratungen bieten
  • die voranschreitende Digitalisierung: Neue (digitale) Wettbewerber und Anbieter drängen seit Jahren auf den Markt. Sie stehen meist für innovative Geschäftsideen und Technologien. Ihre Angebote richten sich an die sich zunehmend wandelnden Kundenwünsche im Zeitalter der „digitalen Revolution“. Der Trend könnte künftig verstärkt sein: weg von den Filialen hin zu den rein digitalen Zahlungsdienstleistern und Online-Banken, deren Angebote rund um die Uhr zur Verfügung stehen

  • der hohe Wettbewerbsdruck, der nicht nur auf die wachsende Zahl von Digital-Only-Anbietern und Fintechs zurückzuführen ist – sondern der zwischen den Banken selbst besteht. Denn noch immer kämpfen dutzende Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie kleinere (private) Banken – gerade in den städtischen Gebieten und „auf engem Raum“ – um die Kunden

  • der Kostendruck, hervorgerufen nicht zuletzt durch die dauerhafte Null- oder Niedrigzinspolitik der EZB. Die höheren Strafzinsen für Bankeinlagen schmälern die Gewinne der Kreditinstitute und zwingen sie zum verschärften Sparen oder anderen unliebsamen Maßnahmen. Mit Folgen auch für private Geldanleger und Sparer: Denn einige Geldhäuser erheben bereits Negativzinsen von einem Teil ihrer Geschäfts- und Privatkunden[4]. Oder aber sie erhöhen die Kontoführungsgebühren. Einige hundert Geldhäuser[5] haben das in diesem Jahr bereits getan. Und damit treiben sie so manch einen Kunden direkt in die Arme der digitalen Konkurrenz sowie der oft wesentlich günstigeren Digitalbanken

Bankensterben: Tech-Giganten drängen ins Finanzwesen

Das große Bankensterben

Zu alledem kommt, dass künftig eine weitere, mächtige Konkurrenz für die Banken erwachsen und den Finanzsektor nachhaltig verändern könnte: die großen Tech-Konzerne. Technologie-Giganten könnten allein von ihrer Marktmacht und den Möglichkeiten her problemlos (weiter) in die Finanzbranche vordringen.

Denn Google, Apple, Amazon und Co. sind bekannt und weit verbreitet. Und: Sie verfügen über massenweise wertvoller Daten. Seit 2018 bieten Google und Apple ihre eigenen Dienste für mobiles Bezahlen an – möglicherweise erst der Anfang von dem was da noch alles kommen mag. „Vermutlich sind es die Datenriesen wie Google oder Facebook, die in wenigen Jahren die härtesten Konkurrenten von Banken sind“, äußerte der Hauptgeschäftsführer des privaten Bankenverbandes, Andreas Krautscheid, bereits Mitte 2018[6].

Im Rahmen einer vor wenigen Monaten veröffentlichten Studie fanden die Experten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) heraus, dass Bank- und Finanzdienstleistungen aktuell „nur“ rund 11 Prozent der Umsätze der großen Tech-Konzerne ausmachen. Die deutschen Bankmanager aber gehen fest davon aus, dass sich diese Zahl künftig drastisch erhöhen wird. Und dass die Digitalriesen die Finanz- und Bankengeschäfte noch stärker ins Visier nehmen.

Das jüngste Bankenbarometer (einer Befragung unter 120 Banken und 30 Fintech-Unternehmen) der internationalen Beratungsfirma Ernst & Young (E&Y) ergab: Fast 70 Prozent der Banken rechnen mit einer zunehmenden Konkurrenz durch die Tech-Riesen in naher Zukunft. Und fürchten sie deshalb noch mehr als die Fintechs. Der Rat der E&Y-Analysten an die Kreditinstitute: Mehr in moderne, innovative Produkte und mobile Services zu investieren.

„Fast 70 Prozent der Banken rechnen mit einer zunehmenden Konkurrenz durch die Tech-Riesen.“

Lösungen aus einer Hand

Einen Schritt in diese Richtung unternahm in diesem Jahr die Postbank/Deutsche Bank mit ihrer Digitalbank „Fyrst“. Das digitale Angebot richtet sich vor allem an Gründer, Selbstständige und Startups. „Fyrst“ bietet viel von dem, womit auch Fintechs, die als reine „Mobile-only“-Banken agieren, die Kunden locken. Darunter

  • Banking per Smartphone-App bzw. den konsequenten Online-Fokus
  • ein einfaches Handling
  • klassische „Banking-Services“ und eine
  • Kundenzentrierung

Kundenzentrierung heißt hier: Die Bank erkennt genau, was die Zielgruppe braucht oder dieser fehlt und liefert ihr genau das. Dass es für die digital-affinen Verbraucher heute vor allem schnell, komfortabel und unkompliziert gehen muss, haben Challenger-Banken wie N26, Revolut, Moneyou oder Fidor längst erkannt. Ihr Credo: Mobiles Banking rein aus der Sicht des Kunden zu denken.

Ihr ganzes Geschäftsmodell fußt auf dieser Erkenntnis. Und: Sie bieten Lösungen aus einer Hand, da sie mit Kooperationspartnern und Drittanbietern sehr eng zusammenarbeiten. Auf diese Weise erzeugen sie digitale „Mehrwert-Ökosysteme“ mit einem breiten Partnernetzwerk.

Das große Bankensterben
Die digitalen Ökosysteme der Challenger-Banken

So kooperiert N26 hierzulande zum Beispiel mit der Plattform auxmoney, um den Kunden Kredite zu offerieren. Durch die Zusammenarbeit mit dem britischen Fintech Transferwise bietet N26 die Möglichkeit für Auslands-überweisungen zu günstigen Konditionen. Und seit einigen Monaten tritt etwa die Direktbank Fidor mit dem digitalen Versicherungsmakler FinanzRitter als Kooperationspartner auf. Fidor-Kunden erhalten damit Zugriff auf die FinanzRitter-Services, wie zum Beispiel eine automatisierte Beratung zur aktuellen, individuellen Versicherungssituation – natürlich via App.

Die Message ist klar: Die Etablierung eines solchen „Mehrwert-Ökosystems“ wird begünstigt, wenn man den angestammten Geschäftsbereich verlässt, sich etablierte Partner mit Digitalkompetenz[7] sowie anderen Schwerpunkten sucht und seine digitale Plattform auf diese Weise um zusätzliche, nutzerzentrierte Angebote und Services erweitert. Hier könnte eine Chance für die traditionellen Kreditinstitute liegen, auch in Zukunft zu bestehen und relevant zu bleiben.


Quellen:

[1] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bankfiliale-deutsche-bank-commerzbank-bankensterben-1.4421844

[2] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/studie-sagt-deutschland-massives-bankensterben-voraus-a-1190841.html

[3] https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/umfrage-jeder-zweite-hat-kein-vertrauen-in-banken/24070030.html

[4] https://www.biallo.de/geldanlage/ratgeber/so-vermeiden-sie-negativzinsen/#

[5] https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/abkassiert-so-stark-steigen-die-gebuehren-bei-banken-und-sparkassen/25096884.html

[6] https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/google-apple-facebook-banken-fuerchten-den-angriff-von-tech-riesen-doch-die-lassen-sich-zeit/22798596.html?ticket=ST-63442505-ymUsthuOyAt2yQYlAh1B-ap5

[7] https://www.it-finanzmagazin.de/digitale-oekosysteme-banken-zukunft-wegweisend-ueberraschend-96503/

Autor

  • Nicole Nitsche ist studierte Theaterwissenschaftlerin und hat mehrere Jahre als Regieassistentin beim Thalia Theater Hamburg gearbeitet. Danach war Nicole Leiterin der Presse-und Marketingabteilung eines Hamburger Musiklabels. Als klassische Quereinsteigerin hat sie die komplette Kommunikation sowie den Aufbau der Redaktion bei Payment & Banking geleitet und verantwortet. Nicole ist seit August 2021 Geschäftsführerin von Payment & Banking und ist verantwortlich für die Bereiche Struktur, Planung, Umsetzung und Konzipierung von allen Events (z.B PEX, BEX, TRX & CryptX).

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