Da stimmt was nicht bei den Investments: Das Nachhaltigkeits-Paradoxon

Nachhaltige Investments sind „in“ – immerhin punkten sie mit guten Erträgen, gutes Gewissen inklusive. Aber warum ist dann nicht alles Geld nach entsprechenden Kriterien investiert? Es offenbar sich ein Paradoxon in puncto Nachhaltigkeit.

Alle zwei Jahre erscheint der Global Sustainable Investment Review. Die letzte Erhebung aus dem vergangenen Jahr protokolliert interessante Zahlen: 35 Billionen Dollar stecken dem Datenkonvolut zufolge in nachhaltigen Investments, 15 Prozent mehr als noch 2018. Und auch das Gesamtgewicht grünen Geldes im Weltgesamtvermögen ist von 33,4 auf 35,9 Prozent gestiegen.

Gute Erträge, gutes Gewissen

Das ist eigentlich kein Wunder. Studien zeigen immer wieder, dass nachhaltige Investments der konventionell verwalteten Konkurrenz nicht hinterherhinken, sondern sie oft überflügeln. Gute Erträge und gutes Gewissen, also eine klassische Win-Win-Situation. Nur: Warum werden dann eigentlich nicht alle Assets nachhaltig verwaltet? Ein Paradoxon in Sachen Nachhaltigkeit.

Eine naive Frage möglicherweise, aber eine, die auf der Hand liegt. Immerhin ist der stete Versuch, sein Vermögen bestmöglich anzulegen, nur allzu menschlich. Und wenn nachhaltige Geldanlage so eine Option ist, warum sie nicht vollumfänglich umsetzen. Die Antwort auf dieses Paradoxon? Liegt scheinbar an zwei Faktoren.

Einer dieser Faktoren ist der Trend zu passiven Anlagevehikeln, zu den so genannten ETFs (Exchange Traded Funds). Eine Statistik zur Entwicklung des weltweit in ETFs verwalteten Vermögens von 2005 bis 2020 offenbart, dass 2020 steckten insgesamt sieben Billionen Dollar in der Anlage-Klasse gebunden sind. 

Doch anders, als aktive Fonds haben ETFs Probleme, die neuen EU-Offenlegungsregeln umzusetzen, eine Richtlinie, die im März in Kraft trat. Die Herausforderung, heißt es beispielsweise in einem Beitrag der FT, liegt für die passiven Fonds darin, dass das Portfolio Management nicht dazu befähigt ist, aktive Entscheidungen zu treffen. Aktiv verwaltete Fonds können deutlich agiler reagieren und Strategien schnell anpassen.

Konventionelle Investments kommen durch die Hintertür

„In unserer Arbeit als urgewald beobachten wir viele Finanzinstitute, die Nachhaltigkeitsfonds neben konventionellen Fonds in ihrer Angebotspalette haben“, sagt Stefanie Jellestad, Pressesprecherin von urgewald e.V., ein Verein, der sich seit nahezu 20 Jahren für Umweltschutz und Menschenrechte ein. Doch so recht scheint die Aktivistin das Angebot noch nicht zu überzeugen. Sie sagt: „Wir sehen hier durch die Bank weg Lücken und Nachholbedarf, mit sehr vereinzelten Ausnahmen, sprich den Alternativbanken.“

Aktuell müssten Anleger ihrer Schilderung nach bei jedem Nachhaltigkeitsfonds genau hinschauen, damit sich im Potfolion am Ende zum Beispiel nicht neben erneuerbaren Energien auch noch Kohle, Öl- und Gas im Portfolio befinden. „Das kann unter Umständen direkt sein oder auch indirekt, zum Beispiel über Zulieferer von Infrastruktur für die fossile Industrie. Oder auch indirekt durch Aktien oder Anleihen von Finanzinstituten, die keine ausreichenden Ausschlusskriterien zu Kohle, Öl und Gas haben“, So Jellestad weiter.

Es gibt Zweifel an den grünen Investments

Zahlen des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) deuten in die gleiche Richtung. „Zweifel am grünen Geld sind noch verbreitet“; titelt eine Untersuchung mit Blick auf die Privatanleger. Darin heißt es: 21 Prozent der privaten Anleger geben in der Befragung, die der DIA-Studie zu Grunde lag, an, sie hätten bislang die Finger von nachhaltigen Anlageprodukten gelassen, weil es nur eine mangelhafte Kontrolle des nachhaltigen Wirtschaftens von Unternehmen gibt. 

Und wie sieht es bei den institutionellen Investoren aus? Nicht besser! Auch dort heißt es laut einer Untersuchung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): „Aus Sicht institutioneller Investoren ist es nachteilig, dass durch unklare Begrifflichkeiten die Operationalisierbarkeit im Unternehmen erschwert wird.“ 

Was also bleibt – Frust?

Unter dem Strich sieht es so aus, dass sowohl Groß- wie Kleinanleger, mit der „Wolkigkeit“ des Begriffs und dessen Umsetzung ringen. Sie wollen mehr Klarheit und mehr Nachhaltigkeit. Aber es gibt gute Nachrichten, denn es bewegt sich was. „Weil Nachhaltigkeit alles und nichts sein kann, wird ja gerade um die Taxonomie auf EU-Ebene gerungen, um klarer zu definieren und eine größere Einheitlichkeit herzustellen“, sagt Jellestad.

Und auch der BVI, der Bundesverband Investment und Assetmanagement, pochte zuletzt auf EU-weite Nachhaltigkeitsregeln, um die Zersplitterung des Marktes zu verhindern und den Standort Deutschland damit zu schwächen.

Deshalb fordert der BVI, die Widersprüche zwischen dem aktuellen Entwurf der BaFin und EU-Regeln wie der Offenlegungsverordnung, der Taxonomie und den Vertriebsregeln der Mifid II zu korrigieren. So soll die für Fondsportfolien vorgesehene Mindestquote von 75 Prozent für nachhaltige Anlagen im Portfolio gestrichen werden. Keine der EU-Regeln schreibt das vor.

Weniger Klarheit, statt mehr Klarheit? Willkommen, Paradoxon!

Headerbild iStock: Bildnachweis: arthon meekodong

Autor

  • Arne Gottschalck arbeitet als Redakteur und Autor. Seine Schwerpunkte sind die Themenbereiche Wirtschaft, Finanzen und Technik. Er arbeitet seit 2017 als Redakteur bei der Corporate Publishing Agentur JDB.de. Zuvor war er über zehn Jahre als Journalist beim Manager Magazin angestellt.

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