Kai-Uwe Steck, früherer Staranwalt und Mitarchitekt des Cum-Ex-Skandals, hat den deutschen Staat um über 400 Millionen Euro erleichtert. Und verlässt den Gerichtssaal mit einer Bewährungsstrafe. Keine Handschellen, kein Knast, nur ein leichtes Raunen im Saal und der bittere Nachgeschmack, dass sich Wirtschaftskriminelle mit gutem Netzwerk und guter Show vor echter Verantwortung drücken können. Für alle ehrlichen Steuerzahler ist das Urteil ein Hohn. Aber statt uns mit Empörung aufzuhalten, sollten wir uns fragen: Wie verhindern wir, dass sich so ein Betrug je wiederholt?
Die Antwort darauf ist nicht nur juristischer, sondern auch technischer Natur. Denn Cum-Ex war kein raffinierter Trick, sondern ein systematischer Missbrauch von der bestehenden Finanzmarkt-Infrastruktur. Genau hier setzt Blockchain-Technologie an. Sie könnte Cum-Ex dauerhaft unmöglich machen.
Cum-Ex: Der Trick mit dem Eigentum
Zur Erinnerung: Cum-Ex bezeichnet Deals, die rund um den Dividenstichtag abliefen. Durch Leerverkäufe und schnelle Weiterreichung von Aktien wurde den Behörden eine Konstellation vorgegaukelt, in der mehrere Marktteilnehmer scheinbar Anspruch auf dieselbe Kapitalertragsteuererstattung hatten, obwohl sie faktisch nur einmal – oder in einigen Fällen sogar nie – gezahlt wurden. Die Finanzämter zahlten mehrfach, was den Fiskus mehr als zehn Milliarden Euro kostete.
Möglich war das, weil das traditionelle Wertpapier-Settlement mit Verzögerung arbeitet (t+1 oder t+2, also ein bis zwei Tage nach dem Handel), Eigentümerinformationen auf verschiedenen Systemen liegen, und Kontrollinstanzen nur begrenzten Einblick in den Gesamtprozess haben. Ein Paradies für Steuerakrobaten, oder besser: Steuerdiebe.
Blockchain: Eine Quelle der Wahrheit
In einer Blockchain basierten Infrastruktur ist diese Art von Mehrdeutigkeit technisch ausgeschlossen. Jedes Wertpapier oder jeder tokenisierte Vermögenswert, existiert nur einmal digital, und ist einer Wallet / Adresse eindeutig zugeordnet. Alle Transaktionen werden transparent und unveränderlich dokumentiert.
Zum Dividendenstichtag ist damit auf der Blockchain klar erkennbar, wem eine Aktie gehört. Ein Smart Contract könnte auf dieser Basis die Auszahlung an Kapitalertragssteuer automatisch anstoßen. Manipulations- und verzögerungsfrei, und ohne dass mehrere Parteien denselben Anspruch geltend machen könnten.
Das heutige vezögerungsbehaftete System ist ein Relikt aus analogen Zeiten. In der Blockchain-Welt ist t+0 Standard: Atomic Settlement in Sekunden. Kein Raum für Doppelbuchungen, keine Diskrepanzen zwischen Handels- und Eigentumsebene.
Transparenz statt Theater
Hätte ein System wie dieses existiert, wären Cum-Ex-Geschäfte rein technisch gar nicht möglich gewesen. Es hätte nie mehrere „scheinbare“ Eigentümer gegeben. Auch das übliche Spiel mit anonymen Depotbanken, verdeckten Leerverkäufen und verspäteten Meldungen wäre unmöglich gewesen, weil die Blockchain als „single source of truth“funktioniert.
Und das betrifft nicht nur Cum-Ex. Die gesamte Compliance- und Steuerwelt könnte von der Einführung blockchain-basierter Wertpapierregister profitieren: transparente Eigentümerstrukturen, automatisierte Steuerabführung, weniger Intermediäre, und damit auch weniger Reibungsverluste und Schlupflöcher.
Der Rechtsstaat am Limit
Aber zurück zum Fall Steck. Natürlich kann man argumentieren: Die Justiz hat einen Deal gemacht, um mit Hilfe des Kronzeugen größere Fische zu fangen. Aber was bleibt zurück? Ein Mann, der laut eigener Aussage 50 Millionen Euro an Cum-Ex-Gewinnen erzielte, versprach Rückzahlung und überwies nur elf Millionen Euro. Der Rest? Angeblich in wertlosen Start-up-Aktien. Ein anderer würde für sowas als Betrüger gelten. Steck? Gilt als kooperativ. Ein normaler Bürger müsste IMMER die volle Steuersumme zurückzahlen, egal, ob er / sie das Geld in der Zwischenzeit mit Shitcoin-Trading verloren hat. Das Urteil ist ein Symbol für eine Zwei-Klassen-Justiz. Eine für die gut Beratenen, eine für den Rest.
Man kann also einerseits auf härtere Strafen pochen – zurecht. Aber sinnvoller wäre es, ein System zu bauen, in dem solche Straftaten und Manipulationen technisch gar nicht möglich sind. Das ist der Unterschied zwischen Symptombekämpfung und echter Prävention.
Der politische Auftrag: Digitalisierung mit Rückgrat
Was also ist zu tun? Erstens: Die Politik muss die Tokenisierung von Wertpapieren endlich ernst nehmen. Das DLT-Pilotregime der EU, das seit März 2023 läuft, ist ein erster Schritt, aber zu zögerlich. Es gibt diverse Limitierungen (nur Small Caps, bestimmte Wertpapierkategorien erst mal ausgeschlossen), die den Durchbruch unnötig verlangsamen. Die Technologie und die ersten erteilten Lizenzen sind da. Der Rechtsrahmen in Deutschland mit dem Gesetz für elektronische Wertpapiere, kurz eWpG, ist bereits in Grundzügen vorhanden, allerdings fehlen auch hier noch die wesentlichen Wertpapierkategorien wie Aktien, zumal mal man beobachten möchte, wie sich alles entwickelt. Der globale Wettkampf um die Digitalisierung des Finanzmarkts lässt keine Ängste zu. Es ist Zeit für Vollgas, „Rambo Zambo” und „Doppelwumms” gleichzeitig. Tokenisierte Wertpapiere sollten gleichwertig zu klassischen behandelt werden, nicht als technisches Experiment, sondern als neues Fundament des Kapitalmarkts.
Zweitens: Zentralverwahrstellen, Börsen und Banken müssen sich öffnen für moderne Infrastrukturen, die auf Dezentralität, Transparenz und Effizienz setzen. Stablecoins, digitale Wertpapiere, Smart Contracts zur Automatisierung von Steuererhebung und Reporting: All das gehört zusammen.
Drittens: Es braucht eine Debatte über digitale Rechtsstaatlichkeit. Denn der Fall Steck zeigt, dass nicht nur Moral, sondern auch Macht über Urteile entscheidet. Wenn wir wollen, dass Gerechtigkeit nicht länger verhandelbar ist, brauchen wir Systeme, in denen sie eingebaut ist.
Fazit: Cum-Ex war gestern. Ex Cum-Ex ist morgen.
Kai-Uwe Steck hat die Lücken des Systems genutzt. Die Gerichte haben ihm dabei erstaunlich viel Verständnis entgegengebracht. Aber wenn wir verhindern wollen, dass Cum-Ex eine Wiederholung erfährt – in neuer Verpackung, mit neuen Tricks –, dann dürfen wir uns nicht auf Gesetze allein verlassen. Wir brauchen Technik, die Gerechtigkeit erzwingt.
Der Skandal ist ein Weckruf. Die Technologie ist da. Jetzt braucht es nur noch den politischen Willen. Dann wird aus Cum-Ex endlich: Ex Cum-Ex.