Bleibt mir weg mit eurem Zwang zum Trinkgeld 

clear glass jar

Auf Terminals ist immer häufiger ein Trinkgeld voreingestellt oder die Option, keines zu geben, in den Untiefen der Technik versteckt. Das ärgert mich – und ist nachteilig für Geschäfte und die Paymentbranche.

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Liebe Leserinnen und Leser, eigentlich wollte ich Ihnen an dieser Stelle ein frohes neues Jahr wünschen und ganz besinnlich in ein ruhigeres 2023 starten. Doch trotz sehr festlicher Feiertage und Urlaub zwischen den Jahren kann ich keine 20 Arbeitstage und diverse Café- und Restaurantbesuche schon nicht mehr an mich halten.  

Trinkgeld ist Privatsache

Was mich schon so früh im Jahr wieder auf die Palme bringt? Immer häufiger verlangen Terminals, dass ich Trinkgeld gebe, mal fest, mal flexibel, aber jedenfalls ist es immer ein Drahtseilakt, da als Kunde (gesichtswahrend)  wieder herauszukommen. Ich weiß zwar nicht, ob er aus den USA nach Deutschland geschwappt ist oder sich Terminalbetreiber nur schlichtweg eine neue Einnahmequelle gesichert haben, aber bei einer Sache bin ich mir dann doch sehr sicher: Er nervt! Tierisch!


🇲🇽 Die heißeste Payment-Party des Jahres! 🇲🇽


Ich schicke vielleicht ein paar beruhigende Worte vorneweg, denn: Ich bin eigentlich ein Netter, glaube ich, ein Verfechter des Trinkgelds, gebe auch nach zwei Glas Wein gerne eher zu viel denn zu wenig. Ich bin überzeugt, Restaurants sollten ihre Mitarbeiter – anders als in den USA – so bezahlen, dass sie ihren Lebensunterhalt damit verdienen können, aber Trinkgeld bei guter Serviceleistung gehört einfach dazu. Punkt. 

Vorgegebene Beträge sind nervig

Meine Wut richtet sich also weniger gegen das Konzept Trinkgeld, denn vielmehr gegen die Unart von Terminalbetreibern mich derart dazu zu drängen, wie sonst nur 14-Jährige ihre Mitschüler zu unüberlegten Entscheidungen treiben. Aber lassen Sie mich eine typische Szene skizzieren, damit Sie wissen, was hier überhaupt gerade abgeht: Wir sind in einer Großstadt. Ich habe meinen Kaffee an der Theke bestellt, mich hingesetzt und ihn später an eben jener Theke abgeholt. Die Serviceleistung betrug also die Zubereitung des Getränks, für die, ich werfe das mal so dreist in den Raum, der oder die Barista ja auch bezahlt wird. Als ich später zahlen will, halte ich meine Karte ans Terminal – und da kommt es. Ich soll doch bitte auswählen, wie viel Trinkgeld ich geben will: 10, 15 oder doch 20 Prozent. 

Trinkgeldzwang schadet dem Café

Eigentlich möchte ich für die Serviceleistung, die ich mir selbst erbrachte, gar nichts geben. Aber die Schlange hinter mir wartet, der Kellner steht mir gegenüber und beobachtet, was ich eintippe. Also drücke ich widerwillig die 15 Prozent, fühle mich genötigt und ziehe mit schwärzerer Laune als es mein Kaffee sein könnte und einer schlechten Nachricht für den Terminalbetreiber davon. Denn, du Schlaumeier, ich markiere das Café in meinem Kopf als „bar bezahlen oder woanders hingehen“ und das dürfte dem Terminalanbieter wie auch Café gar nicht gefallen, wenn er über den Umsatz verdient. Gut, nun bin ich ein einzelner Typ, der unregelmäßig Kaffee holt, aber wenn mehrere Menschen so denken wie ich? Dann ist diese blöde Voreinstellung sogar geschäftsschädigend! 

Dabei ist diese Unart noch die kleinere Dreistigkeit, wenn man im Bereich Terminal & Trinkgeld unterwegs ist. Denn eines dieser neuen Terminals ist in diesem Fall nicht nur eine Frechheit, eine Unart, nein, es ist gleich auch ein enormes Sicherheitsrisiko für mich, meine Bank und die 37,50 Euro auf meinem Konto. 

Sicherheitsrisiko „dank“ Terminal

Denn, halten Sie sich fest, dieses Terminal* hat keine feste Prozentzahl für Trinkgeld eingestellt, nein, sondern einen ganzen Zwischenschritt, bei dem ich eingeben kann, was ich an Trinkgeld geben will. Das klingt gut für Sie als Payment-Nerd? Dann führe ich Sie mal durch einen normalen Abend in einem Restaurant für Normalsterblichen. Ich will zahlen, der Kellner bringt das Gerät, trägt den Betrag (ggf. schon plus Trinkgeld) ein und reicht es mit für die PIN-Eingabe. Nur klappt das mit dieser Höllenmaschine von neuem Terminal so überhaupt nicht. Denn statt der PINs gebe ich dort eine Trinkgeld-Summe ein, ohne dass ich das irgendwo auf die Schnelle sehen könnte. Die fatale Folge: Aus, sagen wir 100 Euro, wurden dank imaginärer PIN-Eingabe auf einmal 112,34 Euro. Wie das geht? Der Ursprungsbetrag wird addiert mit der PIN und dann dem Kellner zurückgereicht, der diese so natürlich leicht zurückrechnen könnte. Wie zuvor erwähnt: ein Sicherheitsrisiko und dann noch ein fettes – das reicht doch schon für 2023. 

Also fassen wir den Schmu einmal zusammen: Schafft diesen Trinkgeld-Eingabe-Zwang auf Terminals bitte, bitte, bitte wieder ab. Bei einigen Terminals nervt er nur und verrät meine PIN, wenn ich nicht wie ein Windhund aufpasse. Und bei den anderen fühle ich mich wie der schlechteste Mensch der Welt, wenn ich keine 15 Prozent Trinkgeld für Serviceleistungen gebe, die es einfach nicht gab. Ach, vielleicht bleibe ich am besten einfach zu Hause. Da kann ich mir selbst Trinkgeld in bar auf den Küchentisch legen. 

*Ich habe leider nicht herausfinden können, welches das ist. Sachdienliche Hinweise bitte in die Kommentare. 

Autor

  • Nils Wischmeyer ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Wirtschaftswoche und die brandeins. An der Finanzbranche findet er (fast) immer was zum Nörgeln.

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