Blockchains haben ein grundsätzliches Problem: Sie skalieren nicht gut. So kann die Bitcoin-Blockchain auch zehn Jahre nach Start noch immer nicht viel mehr als drei bis sieben Transaktionen pro Sekunde abwickeln. Eine bescheidene Zahl im Vergleich mit bestehenden zentralisierten Zahlungsnetzwerken, die mehr als 10.000-mal leistungsfähiger sind.

Davon darf man sich aber nicht täuschen lassen. Die Kapazität der Blockchain ist zwar knapp, doch ist das letztlich gar kein so großes Problem. Denn durch ein neues Protokoll, das auf der Bitcoin-Blockchain aufbaut, lassen sich längst schon zehntausende Bitcoin-Transaktionen pro Sekunde abwickeln. Sogar schneller, anonymer und billiger als bisher. Und das ist erst der Anfang. Denn noch ist das Lightning-Protokoll jung und experimentell. Doch es wächst rasant und könnte bald unsere Vorstellung von Geld und was wir damit im Internet machen können, vollkommen auf den Kopf stellen.

Wie funktioniert Lightning?

Ganz einfach gesagt, geht es bei Lightning darum, nicht mehr jede einzelne Bitcoin-Transaktion in die Blockchain zu schreiben, sie aber dennoch so sicher zu machen, als würde sie in der Blockchain stehen. Dafür wird auf sogenannte Zahlungskanäle zurückgegriffen, die jeweils zwei Parteien miteinander öffnen und schließen können. Ein Zahlungskanal wird dabei mithilfe einer „normalen“ Bitcoin-Transaktion per Smart Contract in der Blockchain verankert.

Mit dieser Eröffnungstransaktion wird gleichzeitig eine bestimmte Anzahl Bitcoins so lange geblockt, bis der Kanal wieder geschlossen wird. Die geblockten Bitcoins können beide Parteien dann über den Zahlungskanal beliebig oft untereinander hin- und herschicken. In bis zu 500 Transaktionen pro Sekunde.

Bitcoin ist kein Geld. Doch mit Lightning könnte sich das bald ändern

Am Ende wird der Zahlungskanal dann mit einer Abschluss-Transaktion wieder geschlossen und beide Parteien bekommen die ursprünglich geblockten Bitcoins gemäß dem Saldo ihres Zahlungskanals ausbezahlt. In puncto Skalierung bedeutet das, dass nur zwei in der Blockchain sichtbare „On-Chain“-Transaktionen letztlich für eine beliebig große Anzahl sogenannter „Off-Chain“-Transaktionen stehen können.

Von einzelnen Zahlungskanälen ins große Netzwerk

Solche Zahlungskanäle sind im Blockchain-Business eigentlich ein alter Hut. Schon Satoshi Nakamoto diskutierte das Konzept, bevor er sich 2011 aus dem Bitcoin-Projekt zurückzog. Wegen der limitierten Einsatzmöglichkeiten einzelner, separater Kanäle gab es aber lange Zeit nur wenige ernsthafte Anwendungen für das Konzept.

2015 erschien dann aber ein Paper, in dem beschrieben wurde, wie sich verschiedene Zahlungskanäle zu einem komplexen Netzwerk verbinden lassen, in dem man nicht nur denjenigen Geld schicken konnte, zu denen man selbst einen direkten Zahlungskanal besitzt, sondern über geschicktes Routing letztlich zu jedem Netzwerkteilnehmer. Das Konzept sorgte insofern für große Begeisterung, als dass damit endlich die Art von Bitcoin-Zahlungen ermöglicht werden sollte, also schnell, sicher, anonym, billig, weltweit verfügbar, unmanipulierbar, nicht zensierbar und unumkehrbar. Eigenschaften, die reine „On-Chain“-Transaktionen nicht im großen Maßstab bieten können.

Anfang 2018 wurde das Lightning-Netzwerk schließlich vom Testnet ins Mainnet übertragen und seitdem wächst es rasant. Fast 6000 Knoten mit mehr als 20.000 Zahlungskanälen umfasst das Netzwerk aktuell. Und obwohl es noch jung und sehr experimentell ist, fließen schon jetzt mehr als 600 Bitcoins (mehr als 2 Mio. US-Dollar) durch diese Kanäle. Diese Zahl ist insofern bemerkenswert, als dass das Lightning-Netzwerk eigentlich nicht für das Versenden großer Summen gedacht ist, sondern, ganz im Gegenteil, Bitcoin endlich die Funktionen eines digitalen Alltagsgeldes geben soll, indem sich kleine Summen schnell, sicher, anonym und günstig übertragen lassen.

„Obwohl das Lightning-Netzwerk noch jung und experimentell ist, fließen schon jetzt mehr als 600 Bitcoins durch diese Kanäle. Bitcoin soll so langfristig zum digitalen Alltagsgeld werden.“

Noch ist alles experimentell

Natürlich sind noch viele, auch teils kritische Fragen offen. Sind Off-Chain-Transaktionen wirklich so sicher wie On-Chain-Transaktionen? Wie lässt sich der technisch noch sehr anspruchsvolle Umgang damit vereinfachen? Gefährdet Lightning das ökonomische Anreizmodell, dass die Bitcoin-Blockchain überhaupt erst ermöglicht? Doch lassen sich viele dieser Fragen letztlich nur im Live-Betrieb überprüfen und neue Lösungen entwickeln.

Bitcoin ist kein Geld. Doch mit Lightning könnte sich das bald ändern.

Dass das Lightning-Netzwerk bisher aber funktioniert, zeigen die ersten Tests und Experimente der Bitcoin-Community. Im Herbst vergangenen Jahres wurde die erste Rechnung im Berliner Room 77 mit Lightning bezahlt.

Die Kreuzberger Kneipe war schon 2011 das erste Ladengeschäft weltweit, das Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptierte. Bei der Lightning-Zahlung vergangenes Jahr wurde nun eine Rechnung von rund 30 Euro beglichen. Die entsprechenden Bitcoins brauchten dabei für ihren Weg durch das globale Lightning-Netzwerk neun Sekunden und verursachten Gebühren von 0,017 Cent.

Wobei genau die schnellen, günstigen und maschinenlesbaren Transaktionen von Kleinst-Summen eines der größten Alleinstellungsmerkmale des Lightning-Netzwerks sind. In einem weiteren Proof of Concept wurde vor ein paar Wochen ein Kunstwerk an denjenigen versteigert, der es schafft, den kleinstmöglichen Betrag zu bieten und über das Lightning-Netzwerk zu bezahlen. Der Gewinner erstand das Bild namens „Black Swan“ schließlich für einen Millisatoshi im Wert von 0,000000037 US-Dollar (37 Millionstel eines Cents).

Streaming money

Das Konzept und die Möglichkeiten des Lightning-Netzwerks begeistern dabei die Bitcoin-Community wie kaum ein anderes Projekt zuvor. Denn die Idee von schnellen, extrem billigen Kleinstzahlungen, die aber alle durch die Institution der mächtigen Blockchain abgesichert sind, eröffnet vollkommen neue Möglichkeiten der Interaktion. So gibt es bereits erste Computerspiele, in denen der Spieler selbst den Spielverlauf durch Lightning-Transaktionen manipulieren kann oder in denen die im Stream zugeschalteten Zuschauer mit Instant-Nano-Payments direkt auf das Spiel Einfluss nehmen können. „Bezahlen“ wird so zu einer ganz neuen Form von Kommunikation. Aus einzelnen, langsamen und statischen Payments wird ein permanenter dynamischer Prozess. Dafür braucht es aber eine offene, sichere und universelle digitale Instant-Payment-Infrastruktur. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Lightning und die Bitcoin-Blockchain dafür gerade die Grundlagen legen.

Zum Autor

Friedemann Brenneis ist Journalist, Blogger und Dozent zum Thema Bitcoin und Blockchain. Seit 2013 begleitet er das Thema intensiv und kritisch u.a. in seinem Rechercheblog https://coinspondent.de.

Dass das Lightning-Netzwerk bisher aber funktioniert, zeigen die ersten Tests und Experimente der Bitcoin-Community. Im Herbst vergangenen Jahres wurde die erste Rechnung im Berliner Room 77 mit Lightning bezahlt.
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