Wie die Finanzbranche hilft, Asylbewerbenden den Zugang zu Geld zu erschweren

Alex Gessner Krawallex -

Bezahlkarten für Flüchtlinge sind keine Lösung, sondern ein Instrument zur Diskriminiserung. Es ist höchste Zeit, dass wir aufhören, die finanziell Schwächsten unserer Gesellschaft als Pokerchips zu benutzen.

Wisst ihr, was wirklich so gar nichts mit Chancengerechtigkeit und fairem Zugang zum Finanzsystem zu tun hat? Die Einführung von Bezahlkarten für Asylbewerbende. Oder auch: die aktuelle Runde, die eingeläutet wird, um sicherzustellen, dass wir uns von finanzieller Inklusion wegbewegen. Erschütternd, welche Finanzinstitute in der Ausschreibung darum gebuhlt haben, hier mitzuspielen.

In den einschlägigen Finanzmagazinen findet man dazu freilich: wenig bis nichts. Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit Menschen und Unternehmen, die bereits jede Menge Kohle haben und große Funding-Erfolge feiern können.

Die leidigen Bezahlkarten kehren wir dabei unter den Tisch. „Willkommen im Club der Ausgeschlossenen“. Bayern hat die Karte bereits als Pilotprojekt gestartet und will sie nun weiter ausrollen, auch andere Bundesländer legen im April und Mai los.

Niemand flieht wegen ein bisschen Bargeld

Offiziell will man damit angeblich Migration begrenzen, unterm Strich bedeutet das ganze Diskriminierung, denn natürlich kommt niemand wegen des „vielen“ Bargelds nach Deutschland und entscheidet sich wegen eines Stück Plastiks, dass die menschenunwürdigen Verhältnisse, aus denen man fliehen muss, doch ganz okay sind. Auch das Scheinargument, damit die angeblichen Überweisungen in Heimatländer einzudämmen, ist längst widerlegt.

Also herzlich willkommen, hier ist eine Karte, mit der wir einschränken, wo ihr Geld ausgeben könnt. Aber Hauptsache, die Verwaltung wird entlastet. Apropos Verwaltung: Kosten soll das Ganze am Ende mehr als die bisherige Lösung, auch, weil jede Einschränkung (örtliche Gebundenheit, Limits, „erlaubte“ Geschäfte uund vieles mehr) weiteren Verwaltungsaufwand und Kosten bedeutet. Eine effizientere und weniger bürokratische Lösung wäre das Basiskonto, das auch der Flüchtlingsrat vorschlägt.

Stattdessen füttern wir den Goldfisch mit Diamanten: ein Geldschlucker, der ein Vermögen auffrisst, das besser in sinnvollere Projekte investiert werden könnte. Verdienen wird daran vor allem das Finanzinstitut, das die Karten bundesweit ausgeben wird – die Ausschreibung läuft. Je nach Konstrukt verdient das Institut laut Süddeutscher Zeitung dann sogar pro Aufladung. Weitere Folgen: eingeschränkte Mobilität.

Wir brauchen endlich Chancengerechtigkeit

Die Finanzbranche stagniert und wirbt gleichzeitig mit Werten rund um Diversität, Gleichheit und Inklusion und gleichzeitig bewerben sich viele namhafte Institute mit bunten Werten rund um Vielfalt auf der Website um die Ausgabe der Karten. 

Und zu guter Letzt haben wir die eigentliche Krux der Sache: Diese Bezahlkarten sind keine Lösung, sondern ein Symptom für ein System, das es nicht schafft, Chancengerechtigkeit herzustellen. Es ist höchste Zeit, dass wir aufhören, die finanziell Schwächsten unserer Gesellschaft als Pokerchips zu benutzen, um politische Statements rauszuhauen, und stattdessen echte Lösungen finden, um Ungleichheit abzubauen und Inklusion zu fördern – und dafür müssen mehr Spieler*innen am Pokertisch sitzen als bisher.

Denn wenn es um Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion geht, dürfen wir keine Kompromisse eingehen. 

Autor

  • Alex Gessner ist COO bei ACI Diversity Consulting und Speakerin und Moderatorin. Finance Disruptor by day, diversity activist by night: in der Finanzbranche hat sie mehrere intersektionale Netzwerke aufgebaut, unter anderem futura bei Solaris, und die erste Datenerhebung in Europa durchgeführt, die nicht nur das Thema „Frauen und Finanzen“, sondern insbesondere trans* und migrantisierte Frauen in den Fokus stellt. Sie ist für ihr Engagement im Bereich Diversity von etlichen Unternehmen ausgezeichnet worden, darunter Global Digital Women, Beyond Gender Agenda, Impact of Diversity, sie ist als #1 Prout Executive von Prout At Work und vom Business Insider als eine der „25 Zukunftsmacherinnen, die ihre Branche maßgeblich verändern“ ausgezeichnet worden.

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