Zusammenarbeit von Fintechs und Banken in der Krise

Zusammenarbeit von Fintechs und Banken in der Krise

In Krisenzeiten zeigt sich nicht nur, ob die Ehe noch intakt ist – auch die Kooperationen zwischen Banken und Fintechs durchleben eine massive Belastungsprobe. Gleichzeitig entsteht viel Raum für Innovation und neue Spielregeln. Wird die Finanzbranche durch Corona endgültig digital? Darüber haben wir uns mit Chris Bartz unterhalten, Mitgründer und CEO von Elinvar, der Platform as a Service für Geschäftsmodelle in der Vermögensanlage.

Chris, welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Zusammenarbeit von Banken und Fintechs?

Schon vor der Krise haben wir erlebt, dass die Wertschöpfungskette in der Finanzbranche aufbricht. Früher haben sich Institute vor allem auf sich selbst konzentriert, heute funktioniert die Finanzindustrie eher wie ein Ökosystem, in dem verschiedene Partner entlang der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten.

Viele Banken bemühen sich schon seit längerem, in eine moderne digitale Infrastruktur zu wechseln und entscheiden, welche Prozesse sie selbst abbilden möchten, und für welche Dienste Spezialisten eingekauft werden. Jetzt in der Krise zahlen sich die zahlreichen Kooperationen mit Fintechs aus, viele Banken arbeiten zum Beispiel in der Kreditvergabe eng mit ihren Technologiepartnern zusammen, optimieren gemeinsam die Antragsstrecken und können so den hohen Ansturm besser bewältigen.

Welche Folgen hat die Krise für die Digitalisierung der Finanzbranche?

Zusammenarbeit von Fintechs und Banken in der Krise
Chris Bartz

„Wir erleben, dass die Einschränkungen durch die Coronakrise ohne Internet eine noch größere Katastrophe wären. Deswegen drückt auch die Finanzbranche aufs Gaspedal.“

Wo sich manche Banken mit dem Wechsel in die digitale Infrastruktur vielleicht noch ein paar Jahre Zeit gelassen hätten, ist jetzt Eile geboten. Die Coronakrise wirkt in der Finanzindustrie ganz klar als Beschleuniger der Digitalisierung.

Im Banking müssen jetzt nicht nur Kunden handlungsfähig bleiben, etwa durch komplett digitale Antragsstrecken, sondern auch die Organisation selbst. Sie muss es ermöglichen können, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter remote arbeiten. Da sprechen wir nicht nur über das Frontend, über die direkte Kundeninteraktion, sondern auch über alle nachgelagerten Prozesse. Wir bei Elinvar sind schon länger der Überzeugung, dass gerade die Digitalisierung der zugrundeliegenden Infrastruktur nachhaltig wettbewerbsentscheidend ist. Diese Einschätzung gewinnt in der Krise an Nachdruck.

Gleichzeitig ändert sich die Perspektive auf die Digitalisierung. Bisher wurde sie in der Finanzbranche vor allem im Hinblick auf Effizienz diskutiert und betrieben: Wie können Prozesse effizienter und skalierbarer gemacht, Ressourcen optimal eingesetzt werden? Diese Diskussion erweitert sich jetzt um Sicherheit, Stabilität und Business Continuity Management.

Das betrifft auch die Partnerschaften. In der Krise zeigt sich, wie belastbar die einzelnen Partner innerhalb der Wertschöpfungskette sind. Habe ich Partnerschaften etabliert, mit denen ich die aktuellen Herausforderungen stemmen kann?

Wird sich dadurch etwas an der Zusammenarbeit zwischen Banken und Fintechs verändern?

Künftig wird es bei Vertrags-verhandlungen zwischen Banken und Fintechs viel stärker um das Durchspielen von Krisenszenarien gehen: Können wir gemeinsam handlungsfähig bleiben? Kann uns dieser Technologieanbieter gezielt bei der Digitalisierung helfen? Haben wir denselben Anreiz, Probleme zu lösen? Wenn es dem Technologieanbieter – zum Beispiel durch mangelnde Anreizsysteme – egal ist, ob der Partner erfolgreich arbeitet oder nicht, ist das in Zeiten wie diesen natürlich eine große Herausforderung.

Zusammenarbeit von Fintechs und Banken in der Krise

Sollten Banken künftig wieder mehr Lösungen selbst entwickeln, um weniger abhängig von Technologie-Partnern zu sein?

Ich finde die Frage immer schwierig, was Banken pauschal anders machen sollten. Das schert sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle, die ganz individuelle Antworten verdienen, über einen Kamm. Meiner Meinung nach sollte jeder das machen, was er am besten kann. Die Frage, wer in der Wertschöpfungskette welche Kernkompetenzen stabil abbilden kann, wird an Bedeutung zunehmen. Sei es die Arbeit an der Kundenschnittstelle, die regionale Spezialisierung, der Fokus auf eine Nische oder eine spezielle Zielgruppe – hier können sich Institute vom Wettbewerb differenzieren. Wichtig ist: die Kernkompetenz muss konsequent im Mittelpunkt des eigenen Geschäftsmodells stehen. Für komplementäre Bereiche gilt auch weiterhin, dass diese am besten in Kooperation mit anderen Anbietern abgedeckt werden, die jeweils dort Spezialexpertise haben.

Parallel zu diesem Prozess muss sich aber auch die Regulierung auf die Anforderungen des digitalisierten Ökosystems anpassen. Die Perspektive muss weg vom einzelnen Institut, hin zur Regulierung von Schnittstellen und der Frage, wer an welcher Stelle Verantwortung trägt. Es muss klarer definiert werden, wie Partner innerhalb dieses Finanz-Ökosystems reibungslos zusammenarbeiten können. Ein Lerneffekt der Coronakrise ist, auch diesen Prozess zu beschleunigen.

Stichwort Regulierung: Wie schlagen sich die Behörden in der Krise?

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Ich bin beeindruckt von der Geschwindigkeit, in der die Regierung und die Regulierungsbehörden mit den aktuellen Entwicklungen mithalten, vor allem wenn es um Ad hoc-Lösungen geht. Wir sollten aber aufpassen, dass es nicht nur bei kurzfristigen Lösungen bleibt, sondern dass es danach konsequent weitergeht. Ein Beispiel: Das Thema Cloud erlebt gerade einen echten Boom, viele IT-Infrastrukturen müssen und werden schneller in die Cloud wandern als ursprünglich erwartet.

Die entsprechenden Vorschläge des FinTechRats zur Cloud-Regulierung im letzten Jahr sollten nun konsequent und schnell umgesetzt werden, um optimale Rahmenbedingungen sicherzustellen.

Ein weiteres Thema, für das sich Banken und Fintechs schon länger einsetzen, und das schnell gelöst werden muss, ist die volldigitale Identifizierung. Video-ID ist gut, aber eher eine Brückenlösung. Gerade jetzt entstehen da lange Warteschleifen, weswegen mit Hochdruck an einer Lösung gearbeitet werden sollte, die wirklich schnittstellenfrei läuft. Ich denke da etwa an Referenzüberweisungen, die fast überall in Europa schon funktionieren, nur in Deutschland nicht.  Auch das Thema „Schriftform“ sollte noch konsequenter angefasst werden, damit man nicht immer wieder in manuelle Prozesse zurückverfällt.

Grundsätzlich denke ich nicht, dass im Banking künftig in jedem Anwendungsfall alles online stattfinden wird, aber wir sehen gerade, wie wichtig es ist, dass Prozesse end-to-end komplett digital und schnittstellenfrei funktionieren – egal ob ein Abschluss dann online oder vor Ort erfolgt. Hier sollten wir die Erkenntnisse aus der Krise aktiv nutzen, um wichtige und überfällige Themen anzupacken und umzusetzen.

Chris Bartz haben wir als Gast in unserem nächsten „Ask me anything“ Interview und freuen uns über zahlreiche Fragen eurerseits. Ihr wollt unbedingt was von dem Gründer wissen, dann schreibt an: [email protected]

Autor

  • Miriam Wohlfarth ist Unternehmerin, Aufsichtsrätin und Beirätin. 2009 hat sie das Payment Unternehmen Ratepay gegründet und war dort bis zum Okt 2021 Geschäftsführerin. 2020 hat sie das Fintech Banxware mitgegründet und ist dort Co-CEO und GF. Seit 2016 ist Miriam Gesellschafterin bei Payment & Banking. Sie ist außerdem Aufsichtsrätin bei Daimler Mobility AG, Freenet AG und talentsconnect AG. Weiterhin engagiert sie sich ehrenamtlich als Mitglied im Digital Finance Forum de Bundesfinanzministeriums, als Gesellschafterin bei Startup Teens e.V., als Beirätin der Programmierschule School 42 und im Kuratoriums Vorsitz des Bundesverband Deutsche Startups.

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