Wird es Zeit für die europäische Zahlungs-Souveränität?

Paneldiskusion über die Paymentsituation in Europa

US-Präsident Trump instrumentalisiert alles, was er kann, bald auch Mastercard und Visa? Europa macht sich deshalb Gedanken um eine eigene Payment-Infrastruktur. Was die Köpfe der Szene von dieser Idee halten.

Auf der PEX 2025 wurde natürlich über Payments diskutiert und auch über die Payment-Situation in Europa. Wie bei einigen anderen Themen ist die Eigenständigkeit Europas in dieser Domäne nur bedingt gegeben. Ja, wir haben SEPA und wir haben einzelne nationale Payment-Champions wie Bizum oder die Girocard, aber eine echte Payment-Lösung im Sinne von Visa oder Mastercard hat Europa nach dem Verkauf von Visa Europe und der Eurocard nicht. Ja, wir haben hoffnungsvolle neue Projekte wie Wero und mit Abstrichen auch den digitalen Euro, aber aktuell ist unsere Abhängigkeit von den International Card Schemes und Online-Payment-Diensten wie Paypal weiter sehr hoch. 

In spannenden Szenario-Diskussionen auf der PEX kam immer wieder die Frage auf, was das denn bedeutet, wenn Paymentsysteme auch ins Blickfeld der Politik kommen und wie andere Themen als Druckmittel für Deals genutzt werden sollten? Platter gefragt: Was passiert, wenn es plötzlich eine Art Zoll auf den ICS Rails gibt? Oder wenn die Nato-Beiträge indirekt über unseren Kartenkonsum ‚eingezogen‘ werden? Klingt grotesk und absurd? Ja und nein zugleich, wenn wir uns die aktuellen Erlasse in Washington vor Augen führen. 

Payment & Banking-Gesellschafter André M. Bajorat hat nach der PEX auf Linkedin die Frage gestellt, wie realistisch solche Szenarien sind – und tatsächlich können sich mehr als 75 Prozent vorstellen, dass es zu so etwas kommt. Was würde es bedeuten und wie könnten wir – wenn überhaupt –  reagieren? Das haben wir einige Kolleginnen und Kollegen gefragt. 

Miriam Wohlfarth, P&B-Gründerin, Gründerin & Co-CEO bei Banxware

vl.n.r: Marcus W. Mosen, Miriam Wohlfarth, Martina Weimert, Kilian Thalhammer

Ich finde, dass die aktuelle Diskussion eine absolut notwendige Auseinandersetzung mit unserer Abhängigkeit von US-Firmen im Zahlungsverkehr darstellt.

Was wäre, wenn US-Unternehmen in einem Handelskrieg gezwungen würden, ihre Dienstleistungen in der EU einzustellen? Die Folgen wären dramatisch: Der Zahlungsverkehr käme weitgehend zum Erliegen und Unternehmen wie Verbraucher stünden vor enormen Herausforderungen. Ich bin überhaupt kein Freund von Panikmache, aber Abhängigkeiten sind immer riskant. 

Deshalb sollten wir den aktuellen Status quo als Chance begreifen, um uns davon zu lösen.

Viele andere Länder und Regionen haben das bereits erfolgreich umgesetzt – allen voran China und andere asiatische Länder, aber auch die Schweiz mit TWINT.

Die Schweiz hat es wirklich klasse gemacht: TWINT ist nicht nur das wichtigste Zahlungssystem, sondern wurde letzte Woche auch zur stärksten Marke des Landes gekürt. 2016, als Apple Pay auf den Markt kam, haben sich alle relevanten Stakeholder zusammengerauft, sich auf ein gemeinsames Ziel verständigt und ein funktionierendes Payment-mit-Mehrwert-System geschaffen. Das zeigt, was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen. Genau das brauchen wir jetzt in Deutschland!

Ein echter Mindshift ist nötig – doch gerade in Deutschland passiert Veränderung oft erst unter dem Druck einer Krise. Leider funktioniert Angst als Brandbeschleuniger besonders gut. Wero hat als europäisches Bezahlsystem genau jetzt eine echte Chance und kann das Momentum für sich nutzen. In den letzten Monaten ist es auf über 40 Millionen Nutzer gewachsen – leider aber nicht in Deutschland. Hier sollten jetzt endlich alle wichtigen Banken, einschließlich Deutscher Bank und N26, mitmachen. Nach Schweizer Vorbild sollten sie endlich an einem Strang ziehen und ohne ständige Machtkämpfe an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Deutschland braucht weniger Meckern und mehr Machergeist. Statt Probleme endlos zu diskutieren und zu analysieren, müssen wir sie endlich lösen!

Was mir abschließend noch wichtig ist: Ja, viele deutsche Payment-Produkte hatten in der Vergangenheit mit Herausforderungen zu kämpfen. Aber das als Argument gegen neue Zahlungsalternativen zu nutzen, ist eine Kapitulationserklärung. Nur weil Paydirekt oder andere Initiativen gescheitert sind, heißt das nicht, dass Wero ebenfalls scheitern muss. Vielmehr zeigt es, dass strukturelle Fehler behoben und innovative, extrem nutzerzentrierte Lösungen mit guter User Experience entwickelt werden müssen – mit klarem Fokus auf Skalierbarkeit und echten Mehrwerten für Endkunden.

Nicole Nitsche, P&B-Geschäftsführerin 

Die Diskussionen auf der PEX haben gezeigt, dass viele Befragte sich vorstellen können, dass solche Szenarien eintreten könnten. Die Frage ist, was das bedeutet und wie wir darauf reagieren könnten. Wie das eben mit Abhängigkeiten so ist, fallen diese einem irgendwann auf die Füße. Die Abhängigkeit von US-amerikanischen Zahlungssystemen ist ein reales Risiko, das Europa minimieren sollte.

Die jüngsten Entwicklungen haben gezeigt, dass Zahlungssysteme als politisches Instrument eingesetzt werden können. Die Sperre russischer Banken von SWIFT ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Europa sollte sich auf mögliche Szenarien vorbereiten, in denen US-Unternehmen gezwungen sein könnten, ihre Dienstleistungen in der EU einzustellen. Die Folgen wären dramatisch und wir könnten von sowas wie Stillstand im Zahlungsverkehr sprechen.

Projekte wie Wero und der digitale Euro bieten eine echte Chance, die europäische Zahlungslandschaft zu verändern und den Wettbewerb zu beleben. Deutschland und Europa sollten diese Chance nutzen, um ihre Zahlungsinfrastruktur zu modernisieren und innovativ zu gestalten. Auch andere europäische Länder haben gezeigt, dass es möglich ist, mit lokalen Schemes ein erfolgreiches und mehrwertstiftendes Zahlungssystem zu schaffen, wenn alle relevanten Stakeholder zusammenarbeiten.

Was wäre, wenn wir endlich an einem Strang ziehen und unsere nationalen Interessen in den Hintergrund stellen, um ein starkes, europäisches Zahlungssystem zu schaffen? Die Zukunft des Zahlungsverkehrs in Europa hängt davon ab, ob wir in der Lage sind, gemeinsam zu handeln und unsere Zahlungsinfrastruktur zu stärken. Eine stärkere Unabhängigkeit im Zahlungsverkehr wird Europa nicht nur vor geopolitischen Risiken schützen, sondern auch die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Insgesamt zeigt sich: Die plötzliche Relevanz solcher Szenarien bietet uns die Chance, Europa zu einem führenden Akteur im Zahlungsverkehr zu machen. Wir sollten diese Herausforderung annehmen und gemeinsam daran arbeiten, eine starke, unabhängige europäische Zahlungsinfrastruktur aufzubauen. Zumindest eine Alternative zu haben, ohne gleich von einem Entweder-Oder zu sprechen.

Maik Klotz, P&B-Gründer, Direktor Digital Payments beim DSGV

Das ist doch Unsinn, haben sie mir gesagt. Ich soll mal nicht so übertreiben, haben sie mir gesagt. Sollen Banken im Hintergrund darüber nachdenken, wie ein “Plan B” aussehen könnte. Das nennt man dann Risiko-Szenarien bewerten. Long story short: auch im Zahlungsverkehr ist man nicht sicher und ganz vielleicht sind wir am Ende heilfroh, dass wir eine Girocard haben und ärgern uns, nicht mit Wero früher angefangen zu haben. Ist das ein realistisches Szenario? Nur heiße Luft? Naja, der Golf von Mexiko heißt Golf von Amerika und die Grönländer schlafen dieser Tage auch eher mittelgut. Was heißt also bei einem US Präsident, der wie eine Unguided Missile agiert, schon realistisch?

Mit der zweiten Trump-Administration stehen die europäischen Finanzmärkte und der Zahlungsverkehr vor neuen Herausforderungen. Die USA deregulieren zunehmend, während Europa auf strenge regulatorische Maßnahmen setzt. Diese Diskrepanz birgt das Risiko, dass Trump beleidigt mit neuen Maßnahmen reagiert, die den Zahlungsverkehr beeinträchtigen könnten. Ein realistisches Szenario könnte die Einführung zusätzlicher Gebühren für grenzüberschreitende Zahlungen zwischen den USA und Europa sein. Trump hat mehrfach gezeigt, dass er bereit ist, etablierte Wirtschaftsbeziehungen für politische Ziele zu instrumentalisieren. 

Weitere Beispiele gefällig? Obwohl die EU seit 2018 Obergrenzen für Interbankenentgelte festgelegt hat (0,3 % für Kreditkarten und 0,2 % für Debitkarten), könnte die US-Regierung amerikanische Card-Schemes dazu drängen, diese Beschränkungen durch alternative Gebührenstrukturen für transatlantische Transaktionen zu umgehen. Eine noch schwerwiegendere Maßnahme könnte die gezielte Einschränkung des Zugangs zu US-basierten Zahlungsnetzwerken sein. Sozusagen die Atombombe unter den Möglichkeiten.

Eine europäische Souveränität im Zahlungsverkehr ist also wichtiger denn je. Der Aufbau einer eigenen europäischen Zahlungsinfrastruktur, wie etwa mit dem digitalen Euro oder Wero, könnte und sollte nicht nur eine Antwort auf mögliche US-Maßnahmen sein, sondern auch den Wettbewerb beleben und den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Auswahl bieten.

Insgesamt zeigt sich: Eine stärkere Unabhängigkeit im Zahlungsverkehr wird Europa nicht nur vor geopolitischen Risiken schützen, sondern auch die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Not macht bekanntlich erfinderisch, sieht man gerade übrigens in Russland, die haben sich bei Payments auch was einfallen lassen müssen. 

André M. Bajorat, P&B-Gründer

v.l.n.r.: André M. Bajorat, Martina Weimert

Ehrlicherweise kann ich mir vorstellen, dass die Systeme in den kommenden Monaten noch deutlicher politisiert werden. Wir sehen es schon heute, wie zum Beispiel Krypto Teil der US-Politik geworden ist. Die klassischen Payment Rails sind aus meiner Sicht zu relevant, als dass sie von der aktuellen US Administration NICHT für ihre Zwecke genutzt werden könnten. Ob es dann bei Drohgebärden bleibt oder wirklich Einfluss genommen wird, sollte uns als Europa eigentlich egal sein, denn eine Antwort sollten wir im besten Fall haben – ob als Antwort auf Drohungen oder die potenzielle Einflussnahme.

Was könnten wir tun oder anders gesagt, haben wir eine gute Alternative? Ehrlich gesagt haben wir diese wohl nur bedingt – der europäische Flickenteppich an nationalen Payment Schemes wie der Girocard und unabhängigen Rails ist wohl allein keine starke Antwort, sondern maximal ein potenzieller Lösungsbaustein in solchen Überlegungen. Mir scheint einzig das SEPA-Netzwerk und die damit einhergehende europäische Infrastruktur eine echte Alternative und Antwort. Dieses Netz ist vorhanden und in weiten Teilen von Europa im Einsatz. Durch die aktuelle Instant-Payment-Verordnung haben wir zudem eine Grundlage, um dieses Netz auch online sinnvoll nutzen zu können. Allerdings ist diese SEPA-Infrastruktur Stand heute nur in Ansätzen in die bestehenden Payment-Systeme wie Terminals am POS integriert. Wero bereitet genau dies zwar aktuell vor, aber im Einsatz ist das System vor allem im Handel noch nicht. Um eine schnelle europäische Lösung als mögliche Antwort zu haben, wäre ein echter Kraftakt und ein konzentriertes Vorgehen der europäischen Player nötig – Banken, Acquirer, die Aufsicht. Zudem wäre ein Zusammenspiel starker nationaler Lösungen mit einer ganzheitlichen europäischen Payment-Lösung sicher denkbar und sinnvoll, wenn die nationalen Lösungen bereit sind, sich in die Regeln des europäischen Systems einzugliedern. Aber das sollte unter Druck einfacher möglich sein, als zuvor. 

Kurz gesagt, traue ich Europa eine gute Antwort zu, wenn nationale Player ihre Alleingänge schnell beenden und an einem Strang ziehen. Sicher kein leichter Weg, aber ein möglicher, wenn wir denn wollen. 

Jochen Siegert, P&B-Gründer, Senior Advisor

In den aktuellen, emotional aufgeheizten Diskussionen sollten wir erst einmal ruhig und unaufgeregt die Ausgangssituation analysieren. Eine angebliche “Bedrohung” durch Trump im hiesigen Zahlungsverkehr ist aktuell eine reine PR-Behauptung. Ausgerechnet betont wird sie von Vertretern der hiesigen Zahlmethoden, die sich im schwierigen Wettbewerb befinden. Wie oft werden deren fehlende Kunden-Mehrwerte, Value Proposition, fehlende Innovation und am Ende auch fehlende Akzeptanz zurecht kritisiert? Da kommt das angebliche Bedrohungspotential von Trump für die Protagonisten dieser Verfahren doch ungemein gelegen. Schließlich floppten schlecht gemachte europäische Me-Too-Alternativen auch bei anderen digitalen Services spätestens beim Kunden: Bei Social Media, Messengern, Cloud-Lösungen und zuletzt auch bei Paydirekt/Giropay, trotz des USP “Datenhaltung in Germany”. 


Vorsicht an der Bahnsteigkante bei der unreflektierten Übernahme von PR-Behauptungen einzelner Payment-Verfahren beziehungsweise deren Vertreter! Eine Einschränkung von dominierenden US-amerikanischen Zahlverfahren in Europa ist doch das genaue Gegenteil von MAGA, das vielmehr eine Stärkung der USA und US-Firmen bedeutet. Glauben wir ernsthaft, die USA würden beispielsweise unsere ebenso große Abhängigkeit von den Services der großen Technologiekonzerne, der Magnificent Seven, ausnutzen und mit deren Einschränkungen für Europa drohen, nur um ihre Verhandlungsposition gegenüber der EU zu verbessern? Nein, denn wir sehen ja das genaue Gegenteil. Es wird mit höheren Zöllen gedroht, wenn die hiesige Regulierung gegenüber der Magnificent Seven in Europa nicht reduziert wird.

Entsprechend halte ich die aktuelle Diskussion im Payment für massiv übertrieben und ein Ablenkungsmanöver durch hiesige Anbieter von Zahlungsalternativen, die die Diskussion weg von ihren intrinsischen Produktschwächen leiten wollen. Lasst uns nicht auf diese billige Masche reinfallen! 

Reine Drohpotentiale durch übermotivierte Fintech-Gründer auf der Suche nach Aufmerksamkeit haben beispielsweise bei Banking-Fintechs außerhalb der Payment-Blase noch nie funktioniert. Dies haben wir in diversen Artikeln, Podcasts und auf Konferenzen bei Payment & Banking, zurecht immer stark kritisiert. Warum reagieren wir plötzlich im Zahlungsverkehr anders, nur weil dieses Mal das gleiche, überstrapazierte Playbook von (Zentral-)Bankern anstatt von jungen Fintech-Managern kopiert wird? Swish, Twint, Bizum und Co. zeigen doch wie es besser geht: Man gewinnt Kunden und Märkte über starke und überzeugende Produkte und nicht mit Abgrenzungs-Mimimi!

Marcus W. Mosen, Berater, N26-Aufsichtsratsvorsitzender

Mache den europäischen Zahlungsverkehr great! Endlich, möchte man hinzufügen, denn again war er leider noch nie…

Auch wenn in diesen Tagen die politischen Debatten an der einen oder anderen Stelle heiß laufen, sollten wir als Vertreter der Finanzbranche nicht darauf einsteigen. Ich teile Jochen’s Meinung, dass jetzt gerne die Lokalmatadore wieder gegen jedes amerikanische Payment-Unternehmen schießen. Aber jedem Insider ist klar, dass dies nur Ablenkungsmanöver von den eigenen, zu kurz gesprungenen Plänen und Budgets sind. Gerade Deutschland hat keinen guten Track Record bei der Umsetzung von strategischen Initiativen im Payment. Beispielhaft seien hier Monet, Yapital, Paydirekt oder Kwitt genannt, die allesamt gute Idee waren, aber wahlweise an fehlender Strategie, falscher Vermarktung und/oder bürokratischer Governance gescheitert sind. 

Ehemals deutsche Payment-Unternehmen mit guten Brands, die mehrheitlich von der Kreditwirtschaft gehalten wurden, galten irgendwann als „nicht mehr strategisch“ und wurden verkauft. Chancen, eigene deutsche Payment-Champions mit Beteiligung deutscher Banken zu bauen, wurden in den letzten 20 Jahren regelmäßig vertan. Hier erinnern wir uns an GZS, Telecash, Easycash, B+S Kartenservice, Concardis und einige mehr. Diese Assets werden heute von Unternehmen gehalten, hinter denen mehrheitlich amerikanische Investoren stehen. Zugleich arbeiten alle Banken und Sparkassen mit Mastercard und Visa zusammen. Und aus Kunden und Händlersicht stehen gerade diese beiden Brands für globale Akzeptanz, reibungslose Abwicklung und sind diejenigen, die immer wieder mit neuen Lösungen das Zahlungserlebnis einfacher und auch sicherer machen.

Wenn wir über Souveränität im Payment oder Banking nachdenken, dann sehe ich die Unternehmen im Vordergrund, die mit einem Plattform-Geschäftsmodell am Standort Europa (zum Teil in Deutschland) zukunftsgewandte und innovative Dienstleistungen erbringen. Sie sind die First Mover, wenn es darum geht, überholte Strukturen in Frage zu stellen, weil es mit modernster Technologie und KI einfacher geht. Ein bekannter Name ist Adyen aus den Niederlanden. Aber auch in Deutschland gibt es inzwischen einige etablierte Fintechs wie Sumup, N26, Trade Republic, Pliant, die in ihren jeweiligen Sektoren das Establishment herausfordern, weil sie neue Wege gehen. 

Aber auch hier muss konstatiert werden, dass diese Unternehmen im Wesentlichen mit Venture Capital aus Amerika gefundet sind. Auch wenn man selbst als hochrangiger Repräsentant im Oval Office nicht mehr sicher sein kann, öffentlich vorgeführt zu werden, sollten wir im Payment die transatlantischen Beziehungen nicht in Frage stellen. Das sollte uns jedoch nicht davon abhalten, auch europäisch getragene Angebote weiter voranzutreiben. Innovation geht für mich einher mit Schnelligkeit. Clubstrukturen auf der Gesellschafterseite haben solchen Projekten bei der Umsetzungsgeschwindigkeit selten geholfen – ein Aspekt, der beim Governance-Ansatz von Wero vielleicht nochmal hinterfragt werden sollte.

Martina Weimert, CEO European Payments Initiative (EPI)

Zu der aktuellen Bedrohungsdebatte mit Bezug auf Trump und die US-amerikanische Politik kann man schon sagen, dass wir heute ein höheres Risiko als noch vor ein paar Monaten in Europa haben, da wir uns politisch auseinander bewegen. Es gibt konkrete Beispiele von US-Maßnahmen, wenn es politische Divergenzen gibt: Man sollte sich daran erinnern, wie innerhalb von ein paar Tagen nach dem Ukraine-Einmarsch durch die russischen Truppen, Visa, Mastercard und Apple Pay in Russland von den USA zurückgerufen wurden und einfach nicht mehr vor Ort funktionierten. 

Aber die starke Abhängigkeit Europas von den USA im Zahlungsverkehr bestand schon lange vor dieser politischen Wende – die Situation hat sich nur zugespitzt. Schlimmer als die Politik wirken sich im Moment jedoch die neuen Zwangsmaßnahmen der amerikanischen Schemes aus, wie die Einführung von Click-to-Pay, die dem ganzen europäischen Markt, Handel sowie Banken einfach aufgezwungen wird. Auch das Wachstum von Apple Pay und die damit verbundenen Kosten für Banken wirken sich entscheidend auf die Einnahmen im Zahlungsverkehr in Europa aus und machen Finanzierungen von Innovationen schwierig. Das hat alles nichts mit der US-Politik zu tun und zeigt einfach nur, dass wir in Europa viele Gründe haben, unabhängig zu werden.

Es ist ein Fakt, dass in Europa amerikanische Player im Zahlungsverkehr ihre Dominanz jahrelang aufgebaut haben. Um dem etwas auf europäischer Ebene entgegenzusetzen, werden Ausdauer und einiges an Investitionen notwendig sein, weil wir zu lange in Europa zu wenig gemacht haben und SEPA eben nur ein gemeinsamer Standard und Regelwerk, bestenfalls ein Infrastrukturebene, aber keine Zahlungslösung für den Handel hergibt. Dennoch sollte man diesen gemeinsamen Sockel schätzen und nutzen.

Auch wenn die Mehrheit der involvierten Akteure im Zahlungsverkehr von der Notwendigkeit einer europäischen Lösung überzeugt sind, bedeutet das noch lange nicht, dass alle aktiv werden. Bei den Banken versteifen sich auch heute noch einige auf die nationalen Interessen. Andere stellen Forderungen nach mehr Europa, tun aber dann selbst nichts dafür. Wer soll Europa sein, wenn nicht wir alle? Für mich ist die Antwort auf jeden Fall nicht noch mehr Regulatorik, sondern kollektives Engagement. Zum Glück gibt es mittlerweile immer mehr Händler, Verbände wie Eurocommerce und auch Acquirer, die sich engagieren. 

Bleibt die wichtige Frage nach den Kunden: Wird diese Situation das Verhalten im Zahlungsverkehr verändern? Wir wissen von Kundenbefragungen, dass ungefähr 27 Prozent der Bevölkerung eine europäische Unabhängigkeit als ein wichtiges Kriterium für die Auswahl ihrer Zahlungslösung ansieht. Es bleibt jedoch sehr fraglich, ob dieses Wahlkriterium ausreichend sein wird, um das Verhalten wirklich zu prägen. Deshalb gilt für uns bei EPI weiterhin das einfache Marktprinzip: Mehrwert schaffen und die Kunden und Händler damit überzeugen. Dabei hilft nach unserer Einschätzung nur von erfolgreichen Lösungen zu lernen, auf den Kunden und den Handel zu hören, sich den Marktlücken anzunehmen, Innovationen liefern und arbeiten. 

Ein Abschlusskommentar zur Governance-Struktur von Wero, die Marcus Mosen ansprach: Ja, EPI ist ein Club, in dem von Aktionären verlangt wird, dass sie Europäer sind. Aber dieser Club ist ansonsten sehr offen und bietet sehr unterschiedliche Möglichkeiten der Teilnahme an: als einzelner Aktionär, oder als Gruppe für kleine Institute, die sich zusammenschließen wollen, um mehr Gewicht zu haben, oder als einfaches Mitglied, das die Lösung gegen eine geringe Teilnahmegebühr für seine Kunden nutzen kann (Mitgliedschaft ist übrigens auch für nicht-Europäer vollends möglich). Da ist für alle Willigen etwas dabei.

Autor

  • Bei Payment & Banking navigieren wir Dich durch die dynamische Landschaft der Finanz- & Fintech-Branche. Wir sind ein vielseitiges und diverses Team aus Gründer:innen, Investor:innen, Berater:innen und Redakteur:innen mit der Mission, tiefere Einsichten zu liefern und die Branche aktiv zu formen. Als unabhängiger Wirtschafts-Hub berichten, recherchieren und analysieren wir die wichtigsten Themen rund um die Themen Payment, Banking, FinTech und mittlerweile auch Krypto und digitale Assets.

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