Eine Serie der Heilsbringer Technologien, NFC…
Neue Technologien durchleben immer den sogenannten Hype-Cycle. Zunächst ist die Technologie nur Nerds und Spezis bekannt, dann kommt irgendwann mehr Aufmerksamkeit und die Technologie wird in den Himmel gelobt und als das Beste, seit der Erfindung von geschnitten Brot hoch gejubelt, gefolgt von dem Tal der Tränen weil es halt doch nicht alles lösen kann, bis dann langsam die Endkunden Adoption und Adaption (hoffentlich) beginnt und die neue Technologie im Alltag ankommt. So wie NFC.- Seitdem eine Menge Payment Terminals auf NFC umgestellt worden sind, ist meine präferierte Art der Zahlung das “tappen”. Habe das lange nicht für nötig oder sinnvoll gehalten, aber in der Tat ist es gerade bei kleinen Beträgen ein echter Geschwindigkeitsgewinn.Noch einmal forciert wurde meine persönliche NFC Payment Nutzung nach dem Erwerb einer Apple Watch und der damit einhergehenden Aktivierung einer irischen Boon Kreditkarte. Seitdem nutze ich für kleine Beträge, so denn möglich, nur noch meine Uhr. Den Zwischenschritt über das Telefon habe ich dabei ausgelassen. Andere echte Anwendungsbereiche für NFC haben sich darüber hinaus bisher nicht in meinen Alltag geschlichen. Oder nutzt mein Autoschlüssel vielleicht NFC? Ich weiss es nicht genau :-) Klappt jedenfalls.
- Natürlich ist NFC ein riesen Erfolg! Wenn man sich überlegt wer alles auf NFC gewettet hat, konnte es nur „irgendwann“ ein Erfolg durch Zwangsbeglückung werden, oder? Auf den ersten Blick stimmt das. Natürlich bezahlen viele Menschen mittlerweile kontaktlos im Handel und wer mal in London U-Bahn gefahren ist, wird den NFC check-in und check-out lieben.Auch die deutschen Banken und Sparkassen haben ihre Girocards, endlich NFC-fähig gemacht und feiern sich jetzt dafür auf Kongressen. Gratulation! Die laaaange Verzögerung bei uns lag daran, weil man wieder einmal glaubte in Deutschland „anders“ zu sein oder sein zu müssen – je nach Auslegung. So wurde das Rad von den deutschen Kartenmenschen in den Banken & Sparkassen gar national zweimal komplett neu erfunden. Erst versuchte man sich an Girogo, der NFC-Variante der GeldKarte. Nach dem „durchschlagenden“ Erfolg von Girogo, auf den heute niemand in den Banken angesprochen werden möchte, musste NFC für die Girocard erst komplett spezifiziert werden. Wenn ich mir überlege, daß meine Freunde in New York schon 2005/2006 pauschal alle ihre Debitkarten der Citigroup mit NFC ausgestattet bekamen, sieht man wie weit hiesigen Banken auch bei diesem Payment-Thema unnötig lange geschlafen haben. Ich verleihe daher den „Eddie-The-Eagle-Gedächtnispreis“ für diese Glanzleistung die deutschen Girocards „so schnell“ zu „NFC-isieren“!Aber… was sollte nicht alles sonst NFC-isiert werden. NFC war mal das, was heute die Blockchain ist: Die Lösung für alle vergangenen und zukünftige Probleme der Menschheit. Ich erinnere mich an NFC-Hotelschlüssel im Smartphone, die vielleicht die Zimmertür aufmachen, aber dann nicht in den Kartenschlitz für den Stromschalter im Zimmer passen. Ich erinnere mich an NFC-Waschmaschinen, über die ernsthaft bei der Omnicard/Omnisecure Konferenz noch vor 3 Jahren gesprochen wurde. Last but not least die Idee, daß man per NFC Musik/Daten etc. überträgt, wenn man nach Hause kommt, weil es soooo viel besser als Bluetooth oder WiFi ist…Was ist geblieben: Eine Technologie, die seit knapp 20 Jahren herumgereicht wurde, hat jetzt einen guten und sinnvollen Use-Case gefunden. Viele der überzogenen Erwartungen haben sich in der Luft aufgelöst und wir nutzen sie dafür, wo sie überzeugend einen Sinn ergibt. Gut so! Aber ist NFC die Zukunft, vor allem jetzt, wo sie endlich auch in Deutschland angekommen ist? Der Handel entwickelt sich längst weiter. Siehe die Erfolg von Alipay und Wechat, siehe den Erfolg von Starbucks Mobile Payment und siehe neue Modelle wie AmazonGo. Traditionelle kassenzentrierte Modelle lösen sich langsam auf. Enstprechend verliert das eigentliche Zahlungsterminal auch mehr an Bedeutung und somit auch NFC. Ist das schon das Ende des NFC-Booms? Nein, der Magnetstreifen spielt auch noch immer eine Rolle und so wird NFC nicht in wenigen Jahren wieder verschwinden.
- NFC hat den Durchbruch meiner Meinung nach geschafft – aber indirekt – und unsichtbar für den Endkunden – das Schicksal der meisten Technologien (Blockchain hörst du es?) – nämlich im Telefon und im Contactless Payment… Damit ist es die klassischen Zyklen durchgegangen – es wurde viel ausprobiert – manches erscheint rückwirkend “sehr komisch, fast grotesk – wie konnte man da nur Geld reinstecken” – in der Situation aber “sinnvoll” – man darf das Timing nicht vergessen – auch Technologien und ihre “Awareness” sind im Kontext zu sehen…. NFC ist massenmarktfähig – NFC gibt es und wird es als Use Case (ggf. mit anderem Namen) weiter geben…. und der Gartner Zyklus hat sich wieder mal bewährt….
- Immer dann wenn eine Technologie unsichtbar wird und man sich als Konsument keine Gedanken um die Nutzung machen muss, ist der Hype vorbei und die Technologie im Normalbetbrieb. Bei NFC ist das so eine Sache, denn NFC ist fester Bestandteil der meisten Giro- und Kreditkarten. Alle Terminals können NFC und inzwischen sieht man nicht mehr nur Nerds kontaktlos zahlen. Zudem sogar Verkäufer*innen auf diese Möglichkeit immer wieder hinweisen. Von daher ist NFC eine gute Sache, die den Bezahlvorgang einfacher und schneller macht. Ob die Karte das optimale Medium ist, da kann man sich drüber streiten. Wearables wie NFC-Ring von Kerv, NFC-Armbänder von Vpay oder auch Smartwatches sind vielleicht die “Geräte” die in Zukunft mehr Sinn machen.NFC am Smartphone – und damit vor allem Payment am POS – halte ich für überbewertet. Das Smartphone ist von allen der schlechteste Formfaktor.
- Die NFC Technologie war und ist m.E. spannend. Tap and Go beim Bezahlen gehört zum Standard, auch wenn man als Resultat machmal die Karte vor zu gierigen Kassenkräften-Händen schützen muss (Finger weg sonst Tap ich deine Hand!). Leider gibt es auch immer noch diese Situationen wo der Mensch hinter dem Terminal verdutzt guckt und dann noch eine Unterschrift haben will (so sicherheitshalber – aber dann nicht merken wenn ich mit Donald Duck unterschreibe…), aber es wird, langsam aber stetig. Die heilsbringende Zukunft von NFC, die uns versprochen wurde, a la jede Verpackung hat ein NFC Tag und man kann nachgucken welche Augenfarbe das Tier hatte, welches man da gerade kleingehäckselt oder wahlweise filetiert einkauft, ist nicht eingetreten. Dafür spielen wir jetzt mit DNA Aufklebern rum, vermutlich damit ich den Stammbaum des Tieres nachvollziehen kann. NFC hat sich in den Alltag eingeschlichen. ÖPNV in “modernen Städten” – NFC (Oyster card et al), Hotel Zugang – NFC, Carsharing Zugang – NFC (zunächst mit lästigen Karten aber immer noch in den kleinen Chips am Schlüssel), Türöffner bei semi-aktuellen Büro-Schließanlagen – NFC, Alarmanlagen-”Scharfsteller” – NFC. Nur mit dem Smartphone und NFC hat es nur so semi geklappt. Android / Google / “einigt euch endlich mal auf einen Namen” Pay darf schon NFC. Das böse Apple macht weiterhin NFC nur für die hauseigene Payment Variante auf ( du du du) und erntet dafür gaaaanz böse Kritik u.a. von der deutschen Kreditwirtschaft. Auch das wird sich vielleicht endlich ändern. Die Anwendungsbereiche von NFC sind aber m.E. noch nicht ausgeschöpft aber man ist ruhiger und realistischer geworden, so wie sich das für eine langweilige etablierte Technologie gehört.
2 Kommentare
Hallo Michael,
aber natürlich haben die 2005 auch schon mit NFC in USA bezahlt und mussten nicht warten!! NFC-Akzeptanz gab es damals schon breit in den Bereichen wo es um die schnelle Bezahlung ging. Fast Food, Drive Through, die US-Stadien waren damals auf NFC etc…
VG
Jochen
11. Juli 2018
Bezogen auf Jochens Kommentar:
Wenn seine Freunde in New York schon 2005 NFC-fähige Karten bekommen haben, aber dann trotzdem noch mal zehn Jahre warten mussten, bis NFC im Alltag angekommen ist, kann die Entscheidung der DK zur GiroCard nicht sooo falsch gewesen sein.
Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Marktdurchdringung von NFC-fähigen Terminals in Europa und Deutschland mittlerweile deutlich höher als in den USA ist. Dort scheinen Magnetterminals (noch nicht einmal Chipnutzung) ja weiterhin die Regel im Alltag zu sein.
So gesehen hat Europa doch eigentlich im long term alles richtig gemacht ;-)