Die App für das eigene Geschäft liegt im Trend und Händler erhoffen sich viel von ihr. Nur: Sie ist nutzlos. Geld sollten die Verkäufer lieber woanders investieren.
Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.
Ich bin ein Mensch, der Dinge liebt, die die Welt nicht gebraucht hat. Auf meinem Fensterbrett steht unter anderem ein kleines rotes Fahrrad mit schwarzen Reifen. Allerdings ist es keine Dekoration, sondern ein Pizzaschneider und der zugegebenermaßen auch eher leidlich funktioniert. Oder in einer Schublade, liegt schon lange vergessen, eine elektrische Fusselbürste, um den Anzug oder das Hemd auch haar- und staubfrei zu bekommen.
Wer mich kennenlernt, kann also guten Gewissens sagen, dass ich mich auch an den Nippes freuen kann, die in ihrer Funktion keinen Sinn haben, mich nur Geld gekostet haben und die ich eines Tages wieder vergessen habe. Doch selbst ein Mensch wie ich bringt es nicht übers Herz, sich etwas so Sinnbefreites wie eine Händler-App aufs Smartphone zu laden. Ich werde Ihnen auch erklären, warum.
Die Händler-Apps haben keinen Mehrwert und müllen mein Smartphone zu
Die großen Marken schwören teils seit Jahren auf die Apps mit den ach so vielen Vorteilen für die Kund:innen. Lidl hat zum Beispiel eine, dm auch, Payback hat seine Klassiker-Payback-Karte darin digitalisiert und selbst Aldi Süd schwört seit einiger Zeit auf die Magie der Apps. Alle Händler dürften sich damit die Daten der Kunden versprechen, ebenso wie häufigere Besuche, wenn den Kundinnen und Kunden alle paar Tage ein paar “exklusive” Rabatte in die App fliegen. Ob sie da tatsächlich dran glauben, wage ich derweil zu bezweifeln: Denn mich hat noch kein Kassierer und keine Kassiererin nach meiner Händler-App gefragt – ganz anders als zu meiner (nicht vorhandenen) Payback-Karte.
Das Problem, das ich aus Kundensicht in der Praxis sehe: Ich verstehe vorne und hinten nicht, warum ich mir so eine App herunterladen sollte. Schon jetzt schmücken meinen Smartphone-Bildschirm viel zu viele Apps, die ich einmal heruntergeladen habe, einmal nutze und dann wieder vergesse. Das verstopft meinen Speicher und macht den Bildschirm unübersichtlich. Noch eine App kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, vor allem keine, bei der ich den Sinn nicht direkt sehe.
Kreditkarte, Cash und ApplePay: Niemand will mit der Händler-App bezahlen
Die tollen Payment-Funktionen der Apps möchte ich da natürlich noch einmal hervorheben, denn diesen Nutzen sehe ich dann wirklich gar nicht mehr. Ich habe Cash, ich habe eine Girocard, ich habe eine Kreditkarte und ich habe ApplePay. Sag mir, lieber Händler, in welchem Szenario hole ich mein Smartphone raus, entsperre es, suche deine App und bezahle damit? Ich würde behaupten: nie. Und damit ist diese App an sich vielleicht einfach keine überragende Idee.
Wenn ich genauer darüber nachdenke, sind die Apps sowieso nur die digitale Erweiterung der Kundenkarten – mit nahezu denselben Fehlern. Denn das Problem an einer Kundenkarte war, dass ich sie meistens nicht gebraucht habe, dass ich sie vergessen hatte, zu faul war, sie rauszukramen oder schlicht nicht mehr daran gedacht habe. Dazu kam, dass die gepriesenen Vorteile dann eben doch nicht so groß waren, wie es bei Abschluss klang. Ähnlich ist es bei den Händler-Apps, die mir zwar Rezepte bieten, die ich überall bekomme, anzeigen, ob eine Filiale geöffnet hat, was ich bei Google Maps sehe oder mir Rabattmarken schicken, die ich ja dann doch nicht einlöse.
Vier Einkäufe, vier Apps: So schlimm wird die Zukunft
Besonders graust es mir dann vor der Zukunft, die unter dem Titel “Wir brauchen keine Kassierer:innen mehr, weil Self-Checkout eh geil ist” aktuell in den örtlichen Payment-Kinos läuft. Denn wie gedenkt ihr, dass ich beim Verlassen des Geschäfts zahlen soll, damit sich das System meine Daten merkt und das System auch zuverlässig von meinem Konto abbucht? Genau! Es braucht hierfür eine App. Das ist heute schon zu sehen in einigen Städten, beispielsweise in Köln bei Rewe.
Meine Shopping-Horrorvorstellung geht so: Wenn ich für ein Hemd kurz zu Peek & Cloppenburg gehe, dann bei Snipes nach Schuhen gucke, einen Kaffee bei meinem örtlichen Bäcker hole und anschließend bei Rewe noch das Abendessen einsammle, brauche ich- lasst mich rechnen! – vier Händlerapps, die mir dann den Speicher zumüllen und mir pausenlos mit Rabattaktionen auf die Nerven gehen. Bitte, liebe Paymentbranche, erspart mir diesen Albtraum.
Daher mein kostenloser, unrabattierter Rat an die Händler: Investiert lieber in eine größere Bio-Auswahl statt in eure eigene Händler-App. Die Kinder danken es euch – und ich sowieso. Und wenn ihr unbedingt mit Rabatten locken wollt: Schickt mir doch einfach einen Bogen Discountbögen per Post. Das Geld ist genau so aus dem Fenster geschmissen.
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