Anbieter wie Trade Republic und sogar die Deutsche Bank wollen ihren Kunden hochriskante Investments in Private-Equity & Co. schmackhaft machen. Da muss ich doch mal fragen: Tickt ihr alle noch ganz sauber? Die neue Folge „Nils nörgelt”.
Die Payment- and Banking-Szene ist zweifellos niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Heck beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.
Liebe Leserinnen und Leser,
Wir müssen diesen Monat leider über einen Hype reden, von dem ich dachte, dass er an uns vorbeigeht: Private Markets. Nachdem Investments in dieser Anlageklasse für Normalkunden lange Zeit unmöglich und dann allenfalls eine Nische waren, bringen Geldhäuser sie nun an die breite Masse. Und da stellt sich doch die Frage: Seid ihr nun vollkommen wahnsinnig geworden, liebe Fintecher:innen und Banker:innen?
Die breite Masse aktiv in Private Markets, sprich Infrastrukturfonds oder Private Equity, rein zu quatschen, ist aus meiner Sicht etwa so sinnvoll, wie einem durchschnittlichen Autofahrer in ein Formel-1-Auto zu setzen und zu hoffen, dass das schon alles glatt geht. Schließlich sind diese Fonds in aller Regel illiquide, die Bewertung der Anteile intransparent und das Risiko dermaßen groß, dass es schon Sinn ergeben hat, dass dieser Bereich des Finanzmarkts für Privatanleger lange Zeit unzugänglich war. Wenn nun aber Trade Republic schon Rapper Luciano oder Blogger Maurice Höfgen (Ist dir das Geld ausgegangen, Kollege?) vorschickt, um Normalo-Investoren in ein Hochrisiko-Investment zu drängen, dann ist das aus meiner Sicht nicht nur moralisch fraglich. Es ist eine unangenehme Geldmacherei auf dem Rücken von Menschen, die doch einfach nur der Altersarmut entgehen wollen. Oder in anderen Worten: Das ist purer Wahnsinn.
Private Markets und Demokratisierung: Das passt nicht
Das fängt schon bei der Vermarktung an, die natürlich mein absolutes Hasswort für jegliche Art von neuem Produkt enthält: Demokratisierung. Das wird leider ständig genutzt und ich muss hier einen kurzen Schwenk machen, um das ein für alle mal abzuräumen. Denn Leute, mal ganz ehrlich: Könnt Ihr einen Duden lesen? Seid ihr der deutschen Sprache mächtig? Dann dürfte euch auffallen, dass weder der Launch eines ETF und sicherlich schon gar nicht der Launch von Hochrisiko-Private-Equity-Investments irgendetwas mit „Demokratisierung” zu tun hat. Denn Demokratisierung bedeutet tatsächlich Teilhabe und Mitentscheidungsgewalt. Das ist hier ganz sicherlich nicht gegeben. Also hört bitte auf, dieses Wort ständig für Produkte zu missbrauchen, die nur ein verdammtes Ziel haben: Eurer Firma mehr Geld zu machen. Haltet uns, Eure Kundinnen und Kunden, doch bitte nicht für so dumm, dass wir das nicht checken würden. Gut, haben wir das also abgehakt.
Nur bei den Verheißungen in Bezug auf die Rendite sieht es nicht besser aus. Trade Republic beispielsweise wirbt mit einer „Marktzielrendite” von zwölf Prozent, was „historisch höher als am Kapitalmarkt” sei. Schon dieses Wort: Marktzielrendite. Das klingt so toll, doch am Ende kann sich jeder so eine Zielrendite quasi ausdenken. Ist ja keine Garantie. Ist nur das Ziel und naja: Mein Ziel ist es auch einen Marathon zu laufen, aber ich komme halt nur fünf Kilometer weiter. Wenn es gut läuft. Warum also stellt eine seriöse Firma so etwas in Aussicht? Bei Aktien und ETF wird schließlich auch aus gutem Grund nicht gesagt, dass der MSCI World eine bestimmte Zielrendite von acht oder neun Prozent hat. Sondern es wird deutlich darauf hingewiesen, dass die bisherige Performance die Zukunft nicht abbilden kann. So ist es nun logischerweise auch bei Private-Market-Fonds. Und ja, beides ist auf irgendwelchen Unterseiten oder Pressemitteilungen sicherlich abgebildet. Aber bei der Werbung hat man das irgendwie vergessen zu erwähnen.
Hinzu kommt, dass die zwölf Prozent Zielrendite auch im Vergleich zu Public-Markets und einem ganz einfachen Investment in einen MSCI World jetzt gar nicht mal verrückt klingen. Natürlich kalkulieren alle Anleger im Kopf immer mit sieben bis acht Prozent pro Jahr an Rendite, so wurde es ihnen eingtrichtert. Aber wer in den vergangenen zehn Jahren mal auf die annualisierte Rendite des absoluten Basic-ETFs von iShares zum MSCI World schaut, der wird feststellen: Da waren im Schnitt mehr als zwölf Prozent drin. Wer auf einen Momentum-ETF gesetzt hat, der konnte sogar mehr als 14 Prozent Rendite pro Jahr verzeichnen. Und das mit jeden Tag handelbaren ETFs. Mit Fonds, die transparent sind. Mit Fonds, die kaum Gebühren nehmen. Warum also zur Hölle, sollte ich in einen komplizierten PE-Fonds einsteigen?
Noch schlimmer sieht es aus, wenn man sich das Ganze risikoadjustiert. Das zeigt eine Studie der Columbia-Universität in den USA. Für jeden investierten US-Dollar haben die Autoren eine risikoadjustierte Nettorendite ausgerechnet und siehe da: Die ist in den vergangenen Jahren über alle Private-Market-Assetkategorien hinweg negativ gewesen. Noch hinzu kommt, dass viele Angebote für Retailkunden bisher sogenannte Fonds-in-Fonds-Strukturen mit teils hohen Gebühren sind. Privatanleger investieren also in den gleichen Markt, sind aber häufig nur Kunden zweiter Klasse, die noch lange nicht an die Top-Fonds kommen, die dann auch ein Pensionsfonds zeichnen kann. Und das ist nun das richtige Produkt für Matthias, 32, Bauingenieur aus Wuppertal? Na klar, liebe Fintecher:innen, liebe Banker:innen, das hat gefehlt. Möchte vielleicht noch jemand eine Riesterrente dazu haben?
Mehr Stabilität im Portfolio: Leider nein, leider gar nicht
Weiter geht es mit einem noch schöneren Werbeversprechen: Private Markets sollen angeblich mehr Stabilität in mein Portfolio bringen. Auch das klingt auf den ersten Blick sinnvoll, ja, geradezu selbstverständlich. Immerhin schwanken die Werte der Firmen und Infrastrukturprojekte auf dem Papier erst einmal nicht. Doch das liegt eben auch nur daran, dass ihre Anteile nahezu vollkommen illiquide und ihre Bewertung völlig intransparent sind. Natürlich ändert sich der Firmenwert von Mittelständler Müller nicht von Montag auf Dienstag. Er ändert sich höchstens von Jahr zu Jahr oder vielleicht auch von Monat zu Monat. Dafür dann aber teilweise gewaltig, weil Defizite oder Gewinneinbrüche erst so richtig auffallen. Zu behaupten, Private Markets seien also stabiler, ist aus meiner Sicht absoluter Quatsch. Sie sind lediglich versetzt volatil. Was auch hier die Frage aufwirft: Und das soll jetzt wirklich das neue Hype-Produkt für Claudia, 42, Buchhalterin aus Arnsberg, werden? Na klar. Jemand noch einen geschlossenen Immobilienfonds dazu?
Ich verstehe ja, liebe Fintecher:innen und Banker:innen, dass die Rendite am Ende des Tages auch irgendwoher kommen muss. Dass irgendwer das tolle Wachstum Eures Geldhauses bezahlen muss. Und ich mache das gern über ETF-Sparpläne, vielleicht auch mal die ein oder andere Wette auf eine Aktie. Weil ich das verstehe. Weil sie liquide sind. Doch das Ihr den Menschen mit halbgaren Versprechen nun hochriskante, illiquide Anlageklassen aufschwatzen wollt, das finde ich falsch. Und ja, ich könnte hier die verbale Keule von Irrsinn und Wahnsinn noch einmal schwingen. Aber ich möchte diese Kolumne leise beenden und Euch fragen: Ist dieses Angebot wirklich das, was Menschen brauchen, die sich auf die Rente nicht mehr verlassen können? Denkt doch mal drüber nach.