Jedes Jahr gehen Deutschland viele Milliarden Euro durch die Lappen, weil Gastronomen und andere Dienstleister mit Bargeld an der Steuer vorbei arbeiten. Das sollte die Politik verbieten und zwar schnell.
Die Payment-and-Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Heck beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.
Und schon wieder beult sich die Hosentasche unter all dem unnötigen Bargeld in meinem Geldbeutel. Ein paar Scheine fliegen im größten Fach umher, daneben türmen sich die Cent- und Euromünzen zu wahren Geldbergen auf. Bargeld mit sich herumzuführen: Das empfinde ich als lästig, weil es so viel Platz einnimmt und die Hosentaschen aussehen lässt, als wäre man mit einer halben Schachtel Golfbälle unterwegs. Noch dazu empfinde ich es als Zumutung, doch kann mich dem nicht verwehren. Denn in meiner Stadt Köln (wie in vielen anderen) gibt es dutzende Geschäfte, die bis heute nur Bargeld akzeptieren oder bei denen leider „heute” das Kartenlesegerät kaputt gegangen ist – ausgerechnet. So wie übrigens schon letzte Woche Freitag, davor die Woche Donnerstag und überhaupt alle Monate seit ich in diesem Geschäft einkaufen gehe. Spitzengastronom Vincent Moissonnier hatte das in einem Interview, das ich vor einiger Zeit mit ihm führen durfte, auch schon angemerkt und zurecht angemerkt: „Dieser Egoismus muss aufhören.”
Denn ja, nichts anderes ist es, wenn Gastronom:innen und andere Dienstleister:innen sich weigern, Kartenzahlung anzubieten. Denn die Firmen können so leichter am Fiskus vorbei arbeiten und den Staat austricksen. Oder wie Maik Klotz es diese Woche vortrefflich festhält:
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Bargeld ist gelebte Steuerhinterziehung – nicht Freiheit
Diese Art der Steuerhinterziehung halte ich für moralisch extrem verwerflich, bietet der Staat ihnen doch Infrastruktur, Sicherheit und viele weitere Annehmlichkeiten. In vielen Fällen hat womöglich die örtliche Sparkasse sogar noch mit einem Anschubkredit die Ladeneröffnung überhaupt möglich gemacht. Dass ausgerechnet diese Geschäfte nun den Staat betrügen, wird seit vielen Jahrzehnten einfach so hingenommen, verursacht aber jedes Jahr einen Schaden in Milliardenhöhe. Jedes Jahr sollen Gastronom:innen mit Hilfe von Bargeld rund 70 Milliarden Euro in die eigene Tasche stecken, die eigentlich Fiskus und Sozialversicherungen gehören. Geld also, das uns allen zusteht, das sich einige wenige aber in die Taschen stecken – weil das Bargeld es ihnen ermöglicht.
Das ist nicht nur brutal rückständig, wenn man sich so auf der ganzen Welt umschaut. Nein, es ist vor allen Dingen extrem unfair, asozial und ein Wettbewerbsnachteil für alle Firmen, die ehrlich ihr Geld verdienen.
Bargeld ist gelebte Steuerhinterziehung – nicht Freiheit
Diese Art der Steuerhinterziehung halte ich für moralisch extrem verwerflich, bietet der Staat ihnen doch Infrastruktur, Sicherheit und viele weitere Annehmlichkeiten. In vielen Fällen hat womöglich die örtliche Sparkasse sogar noch mit einem Anschubkredit die Ladeneröffnung überhaupt möglich gemacht. Dass ausgerechnet diese Geschäfte nun den Staat betrügen, wird seit vielen Jahrzehnten einfach so hingenommen, verursacht aber jedes Jahr einen Schaden in Milliardenhöhe. Jedes Jahr sollen Gastronom:innen mit Hilfe von Bargeld rund 70 Milliarden Euro in die eigene Tasche stecken, die eigentlich Fiskus und Sozialversicherungen gehören. Geld also, das uns allen zusteht, das sich einige wenige aber in die Taschen stecken – weil das Bargeld es ihnen ermöglicht.
Das ist nicht nur brutal rückständig, wenn man sich so auf der ganzen Welt umschaut. Nein, es ist vor allen Dingen extrem unfair, asozial und ein Wettbewerbsnachteil für alle Firmen, die ehrlich ihr Geld verdienen.
Der Gesellschaft fehlen 70 Milliarden Euro, weil Menschen bar bezahlen
Wir als Gesellschaft dürfen uns das nicht mehr gefallen lassen. Denn ja, es gibt durchaus ein gutes Argument für das Bargeld und das ist die Anonymität bei bestimmten Einkäufen. Einige Bargeldliebhabe:innen nennen es sogar „gelebte Freiheit.” Doch dieser Vorteil führt zu einem eklatante Nachteil der gesamten Gesellschaft. 70 Milliarden Euro sind schließlich nicht wenig Geld. Nein, mit 70 Milliarden Euro könnte Deutschland hunderte Brücken renovieren oder fast eine neue Zeitenwende der Bundeswehr einläuten – und zwar jedes Jahr.
Wägt man hier also die Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft ab, kann ein Jeder nur zu dem Schluss kommen, dass eine Barzahlung in gastronomischen (und anderen) Betrieben nicht im Sinne einer Gesellschaft sein kann. Und sie ist demnach auch nicht im Sinne des Einzelnen. Noch dazu kommt, dass Kartenzahlungen viel bequemer und einfacher zu handhaben sind für die meisten Kunden.
Für ehrliche Firmen ist Kartenzahlung die bessere Option
Auch aus Sicht von Gastronomen ist Kartenzahlung durchaus eine gute Sache. Sie ist schnell, unkompliziert und die Rechnungen jederzeit digital abrufbar. Noch dazu sind die Einnahmen aus Kartenzahlungen sicher vor Raubüberfällen und für Kunden deutlich einfacher zu handhaben. Schon im Sinne der (Achtung, Hasswort) „Customer Journey” sollten Gastronomen und andere Dienstleister also ein ureigenes Interesse daran haben, Kartenzahlung anzubieten – und Bargeld direkt ganz abzuschaffen im eigenen Laden. Zu argumentieren, dass dies aber viel teurer als Barzahlung sei, ist leider ein Mythos, den bis heute viele glauben. Dabei sind es in der Realität nur wenige Cent Unterschied, die eine Kartenzahlung mehr verursacht – indirekte Kosten nicht mit eingerechnet. Es ist also durchaus ein Betrag, den Gastronomen und andere Unternehmer zum Wohle der Gesellschaft schultern können.
Das gilt gerade jetzt, wo es so aussieht, als würde die Mehrwertsteuer für Gastronomen wieder auf sieben Prozent sinken. In der Schweiz hat eine Studie sogar gezeigt, dass Bargeld für die Gesellschaft das teuerste Zahlungsmittel ist. Weder aus Sicht der Verbraucher noch der Gastronomen kann es ein echtes Interesse an Bargeldzahlungen im Alltag geben. Zumindest dann nicht, wenn die Firmeninhaber nicht ein bisschen Steuern hinterziehen wollen.
Bargeld abschaffen: Friedrich Merz muss das lösen
Da es für die schwarzen Schafe der Branche mangels ausreichender Kontrollen keine Anreize gibt, die Barzahlungen einzudämmen, braucht es einen Eingriff durch die Politik. In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD das immerhin angeschnitten, wenn sie fordern, dass mittelfristig zumindest die Option auf eine digitale Zahlart gegeben sein soll. Aus meiner Sicht reicht das aber lange nicht aus. Wer die gestohlenen Steuermilliarden wirklich zurückholen will, der muss sich zu einer Kartenzahlungs- und Rechnungspflicht für Gastronomen durchringen. Anders können wir das Problem nicht lösen. Und wir müssen es lösen. Denn unsere Gesellschaft braucht das Geld. Außerdem wäre es nur fair. Allen gegenüber.