Von der Steueroase zum Fintech-Eldorado 

Liechtenstein als aufstrebender Fintech-Standort

Was Finanzen betrifft, genießt Liechtenstein nicht den besten Ruf. Immerhin gilt der Zwergstaat als Petrischale voller Geldwäscher und Steuerhinterzieher. Doch nun will sich das Fürstentum neu erfinden: Als Top-Standort für Fintech-Gründer.

In Liechtenstein gibt es den Technopark. Und in dem wird nicht geraved, sondern gegründet: Das Fürstentum als Träger des Start-up-Hubs tut alles, damit Gründende Lust haben, hier noch eine weitere Runde zu tanzen. Dem kleinen Land ist die heimische Innovationsförderung ein echtes Anliegen. Dass hier die Menschen mit dem weltweit höchsten Durchschnittseinkommen pro Kopf leben, soll nämlich so bleiben. Kein anderes Land investiert gemessen am Bruttoinlandsprodukt so viel Geld in Forschung und Entwicklung – und macht es den schlauen Köpfen möglichst einfach, ihre Ideen auch hier umzusetzen.

Im zweitkleinsten Staat Europas mit nur 38.000 Einwohnern sind traditionell die behördlichen Wege kurz und die Entscheidungen schnell, erzählt Tobias Fitz vom Verein fintech.li: „Man muss nicht wie bei der Bafin ewig auf Termine warten. Ist es wichtig genug, kann man sogar einen mit dem Regierungschef selbst bekommen.” Die Unternehmen bewegen sich auf einem international renommierten Marktplatz für Finanzen und haben gleichermaßen Zugang zum Europäischen Wirtschaftsraum wie auch zur Schweiz – ein großer Vorteil gegenüber der Schweizer Konkurrenz. Dazu kommt die moderate und einfache Besteuerung für Unternehmen von 12,5 Prozent, mit denen alles abgegolten ist. „Dazu legt Liechtenstein Wert darauf, Unternehmen attraktive Angebote machen zu können”, erzählt Fitz. Es gibt viele Förderungen, Projekte, Zuschüsse. Copyrights sind gut geschützt, Rechtsformen kostengünstig und leicht änderbar. Allein das macht Liechtenstein attraktiv für Gründungen. Für Fintechs gibt es aber noch etwas viel Wichtigeres: Hier wird besonders beim Thema Finanzen moderner gedacht, als es die 800 Jahre alten Mauern des Schloss Vaduz vermuten lassen. 

Am Postschalter können nicht nur Briefe verschickt, sondern auch Bitcoins gekauft werden. 2018 wurde der erste Blockchain-Studiengang an der Uni eingerichtet. In diesem Jahr folgte das Bank Frick Innovative Finance Lab als Zentrum für innovative Finanzforschung. „Mit dem neuen Studiengang möchten wir die Position Liechtensteins als führendes Zentrum im Bereich Fintech weiter stärken”, heißt es von Edi Wögerer, CEO von Bank Frick. 

Das war nicht immer so, erzählt Tobias Fitz: „2015, als wir noch im Studium waren, haben wir gemerkt, dass die Regierung in Liechtenstein Fintechs nicht wirklich auf dem Schirm hat.” Mit seinen Kommilitonen entschied er, eine Konferenz zu veranstalten, bei der sich spannende Unternehmen vorstellen konnten. Die Konferenz gibt es bis heute, es kommen jedes Mal rund 400 Gründende, Investierende, Firmen und Talente. 

Fintechs geht es in Liechtenstein fürstlich

Der liechtensteinischen Regierung dämmerte damals auch das Potenzial von Fintechs – weshalb sie die Stabsstelle Finanzplatzinnovationen einrichtete, die sich um die Innovationsfähigkeit des Fürstentums kümmert. Dazu gehören die Innovationsclubs, ein staatliches Format, das die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern soll. Behörden und Markt tauschen sich miteinander aus, schauen, welche Gesetze und Förderungen es braucht, helfen dabei, zu gründen. 2017 dann durfte die Finanzmarktaufsicht das Mindestkapital von Banken und Wertpapierfirmen an deren Risikoprofil anpassen. Das spielt Fintechs besonders in die Karten, weil sie sich oft auf ein bestimmtes Segment konzentrieren, in anderen Ländern aber dennoch den allgemeinen Regelungen von Banken gerecht werden müssen. In Liechtenstein müssen Finanz-Gründer also niedrigere Kriterien bei vollem Marktzugang erfüllen und haben zugleich einen direkten Ansprechpartner bei der Behörde, der sich eigens um ihre Anliegen kümmert. 2020 folgte das Token- und VT-Dienstleister-Gesetz (TVTG). Als erstes Land weltweit führte Liechtenstein damit ein sogenanntes „Blockchain”-Gesetz ein, das einen rechtssicheren Rahmen für die Blockchain-Technologie und damit alle Innovationen schafft, die sich ihrer bedienen. Es soll Risiken und Beschränkungen der Kryptowährung minimieren, was heimische Gründende zum Bleiben bewegt, aber auch ausländische Start-ups anlockt, weiß Thomas Ankenbrand von der Hochschule Luzern: „Das TVTG macht Liechtenstein besonders für Blockchain-Ideen attraktiv, wodurch Gründende in diesem Bereich einen echten Standortvorteil sehen.” 

Gäbe es für Ausländer nur nicht das Problem, dass Liechtenstein sie lieber als Touristen als als Staatsbürger sieht. Aufenthaltsgenehmigungen werden nur in ganz besonderen Ausnahmen oder jährlich durch eine Verlosung an eine mickrige Zahl an Bewerber vergeben, erzählt Fitz. Viele Pendeln deshalb aus dem Umkreis. „Die, die in der Schweiz wohnen, genießen ähnliche Steuervorteile. Aber für die, die in Österreich oder Deutschland leben, fallen diese zumindest weg.” Doch alle anderen Benefits bleiben. So kommt es, dass Liechtenstein mehr Arbeitsplätze als Staatsbürger hat. Eine Firma gründen kann hier nämlich jeder, und zwar ziemlich schnell und unbürokratisch: Eine Woche dauert es laut Technopark Liechtenstein, bis die Firma steht. Der bietet sogar Büroräume zu Mieten an, damit der Firmensitz gesichert ist. 

Deshalb funktioniert das liechtensteinische Modell trotz der strengen Einwanderungspolitik: Für Neulinge, die sich in einem hochregulierten System mit jahrzehntealten Recht herumschlagen müssen, ist Liechtenstein mit seiner modernen Gesetzgebung und dem Netz aus Erleichterungen ein Paradies. Denn wo andernorts träge Rechtssysteme Innovationen ausbremsen, beflügelt das liechtensteinische Modell sie eher. „Das ist der Schlüssel: Es muss Leute geben, die Spaß an der Arbeit haben, das Potenzial sehen und etwas vorantreiben wollen”, sagt Fitz. „Aber auf der andere Seite muss es auch immer Leute geben, die dem Gehör schenken.” Und weil die Liechtensteiner zuhören, gab es 2023 hier elf Prozent mehr Fintechs als noch ein Jahr zuvor.

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Autor

  • Isabel Fisch ist Journalistin im Journalistenbüro dreimaldrei und schreibt seit April 2024 regelmäßig für Payment & Banking.

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