Parqet: Das steckt hinter dem Fintech

Sumit Kumar - Portfolio-Trackingtool

Beim Investieren den Überblick verlieren, kann fatal sein. Das dachte sich auch Sumit Kumar und baute sich ein Portfolio-Trackingtool. Heute nutzen 250.000 Menschen Parqet. Seine Geschichte zeigt: Gründen kann ein Befreiungsschlag sein. 

Als Sumit Kumar die ersten Code-Zeilen schrieb, saß er auf der Couch. Auf seinem Schoß: seine Katze und sein Laptop. Es war spätabends, denn der Programmierer arbeitete eigentlich Vollzeit bei Stripe, ein Fintech, das Zahlungen abwickelt. Kumar verdiente dort gut. So gut, dass er viel Geld anlegen konnte – was mit den zig verschiedenen Banking-Apps irgendwann recht unübersichtlich wurde. Ein automatisches Portfolio-Trackingtool könne da nur helfen, dachte er sich damals. Dann begann er, zu programmieren.

Die Feierabend-Idee vom Sofa wuchs zu seinem Fintech Parqet mit mittlerweile 16 Mitarbeitern und 250.000 Nutzern nach Kumars Angaben. Der Jahresumsatz laut ihm: siebenstellig. Sein Leben hat sich seitdem komplett verändert. Was gleich geblieben ist: Sein Ansatz, auf Investoren zu verzichten. Wie aber geht man mit dem plötzlichen Erfolg um – und kann man wirklich weiterhin gesund wachsen und auf fremdes Geld verzichten? 

Vor gut fünf Jahren, als Kumar anfing, war die Welt noch eine andere. Damals, im Dezember 2019, war die Pandemie zwar noch nicht absehbar, „aber ich tracke und visualisiere Dinge schon immer gerne”, erzählt Kumar. „Denn was man trackt, das optimiert man und das motiviert mich sehr.” Er tat das mit Gesundheitsdaten, beim Sport. Nur eine App, die alle möglichen Geldanlagen gesammelt und anschaulich darstellt, gab es nicht. Und die, die es gab, waren aufwendig und manuell. 

Das Tool, das dem 36-Jährigen vorschwebte, sollte anders sein, voll automatisiert und cloudbasiert. Erst währenddessen kam Kumar der Gedanke, dass das ja vielleicht auch für andere ganz praktisch sein könnte. „Als im März 2020 die erste Version fertig war, habe ich mir in Foren Feedback dazu eingeholt.” Es kam gut an. Die ersten zehn Nutzer für die erste kostenlose Version kamen – dann folgte die Pandemie, die Neobroker groß machte und viele motivierte, an die Börse zu gehen. „Corona gab mir definitiv Rückenwind”, sagt Kumar. Inzwischen geht es aber auch ohne Pandemie:  Noch immer verzeichnet Parqet ein jährliches Wachstum von 50, 60 Prozent, sagt Kumar. „Das zeigt: Der Need war und ist da.” 

Erst die Doppelbelastung brachte ihn zur Kündigung

An den ersten zahlenden Kunden erinnert sich Kumar vermutlich den Rest seines Lebens: „Das war im Mai 2020, es waren nur fünf Euro, aber das Gefühl war irre, dass da jemand ist, der sagt: Das, was du gebaut hast, ist mir etwas wert”, erzählt er. Die App war zu diesem Zeitpunkt auf 300 Smartphones. Trotzdem wollte er schnell wissen, ob es etwas ist, wofür Menschen bereit sind, zu zahlen. „Als der Erste es tat, dachte ich: Cool, vielleicht kann ich mir ein kleines Nebeneinkommen aufbauen, 500 Euro im Monat oder so.” Dass Parqet so groß werden würde, damit hätte er nie gerechnet. 

Doch das wurde es – und der Erfolg brachte Kumar an seine Grenzen. Irgendwann wurde es zu viel. „Wir bekamen ein Baby, dazu der Vollzeitjob und die App. Ich hatte überhaupt keine Zeit mehr”, erinnert er sich. Er vernachlässigte Freunde, Familie, seine Gesundheit. „Irgendwann kam der Punkt, an dem ich merkte, dass ich körperlich und mental nicht beides weitermachen kann.” Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon vier Mitarbeiter. Kumar kündigte bei Stripe. Rückblickend viel zu spät, findet er: „Ich kann in Urlaub gehen, ich habe viel mehr Freizeit als damals als Angestellter, ich bin viel flexibler und habe mehr Freiheiten.” Trotzdem hat er seitdem seine App stetig weiterentwickelt. „Und sie wird auch nie fertig sein, ich werde nie sagen: genau so und nicht anders” – allein schon, weil sich auch die Bankenbranche stetig wandelt. 

Um Parqet zu nutzen, laden Privatanleger dort ihre Orderbelege hoch. Die liest ein Algorithmus dann aus und erstellt eine Portfolioübersicht. Tortendiagramme, Charts und Tabellen: Parqet will all das möglichst ansprechend darstellen. Es gibt eine kostenlose Basisversion. Für tiefere Analysen und viele Depots braucht es die Bezahlversionen zwischen acht und 30 Euro pro Monat. User bekommen Nachrichten zu fallenden Kursen, Warnungen bei Klumpenrisiken, Dividendenzahlungen, außerdem gibt es eine Community, wo sie sich austauschen können. 

Kein Geld von Investoren

Bislang ging das alles ziemlich gut auf: Kumar kann mit Parqet ein großes Plus vorweisen. Bisher konnte er auf Investoren komplett verzichten und dennoch stark wachsen. Es unterscheidet sein Fintech von der Konkurrenz, etwa von Getquin, in die Investoren wie der N26-Gründer Maximilian Tayenthal insgesamt 16 Millionen Euro gesteckt haben. Komplett ausschließen will er Investoren in Zukunft aber nicht. „Es gibt Szenarien, etwa wenn wir expandieren wollen, dazu brauchen wir einfach fremdes Kapital. Aber so lange es geht, will ich es ohne schaffen, wenn auch langsamer”, sagt er. „Erstens wird ja die Verhandlungsposition besser, je größer ein Unternehmen wird, weil man weniger Bittsteller ist.” Und zweitens empfinde er die Erfolgsschwelle als niedriger: „Man hat kein Messer im Nacken, muss keine fremd vorgegebenen Ziele erreichen.” 

Die Konkurrenz im Blick 

Wachstumspotenzial ist jedenfalls da: ganze zehn Millionen Deutsche an der Börse und damit potenzielle Neukunden. Selbst in Zeiten, in denen Kurse fallen und es bei den Neobrokern kriselt, laden sich mehr und mehr Menschen Tracking-Tools herunter. Dafür bereiten ihm andere Dinge Sorgen: 

Ein kleineres Kapital bringt eben doch Nachteile mit sich, die Kumar besonders dann spürt, wenn neue Konkurrenz dazu kommt. Denn Parqet zieht nur auf diejenigen ab, die Konten bei mehreren Banken haben und trotzdem eine Übersicht in einer einzigen App haben wollen. Auf den ersten Blick heißt das: Wer den Markt erobern möchte, muss schnell sein – und Geld haben.  „Als Finanzfluss im Januar sein Tool gelauncht hat, hat mir das wochenlang Bauchschmerzen bereitet”, gesteht daher Kumar. Das hohe Kapital, die vielen Follower, das immense Marketing, das er selbst nicht betreiben kann, das alles drückte auf seine Stimmung. Früher sei das noch extremer gewesen. Manchmal so extrem, dass er Existenzängste hatte.

Von seinem Weg beirren lassen, hat Kumar sich dennoch nicht. Vor Angst hätte er zum Beispiel auf Investoren setzen können, es gab Gespräche. Stattdessen entschied er sich dafür, mehr Geld in Marketing zu investieren, wo er früher eigentlich nur auf Weiterempfehlungen setzte und sein Wachstum ganz organisch und fast von alleine kam. Heute ist Kumar zumindest etwas gelassener. „Wir haben ein Produkt, das funktioniert. Also lohnt es sich auch, es zu bewerben.” Wie sein Marketingbudget wuchs also auch sein Selbstbewusstsein: „Wir können auf dem Markt bestehen. Nur weil jemand anderes erfolgreich ist, heißt das nicht automatisch, dass wir es nicht mehr sind.”

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Autor

  • Isabel Fisch ist Journalistin im Journalistenbüro dreimaldrei und schreibt seit April 2024 regelmäßig für Payment & Banking.

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