Von Daten und KI: Ohne Futter kein Gehirn

Portrait Nicola Breyer und Schriftzug Kolumne Nicola macht Daten klar-Thema Open Finance

Chefs von Banken sprechen von KI, doch vergessen sie, dass sie dafür auch dafür nutzbare Daten brauchen. Wie Unternehmen das Dilemma lösen können. Die neue Kolumne von Nicola Breyer. 

Auf jeder großen Bühne stehen heute CEO von Banken, Versicherungen oder eigentlich jedem Konzern und sprechen über Künstliche Intelligenz (KI). Die KI-Unternehmer sind die Stars jeder Tech-Konferenz und nach der letzten Apple-WWDC waren die Kommentatoren irgendwie enttäuscht, dass es nicht mehr um KI ging. Immer mehr Unternehmen verkünden Kooperationen mit Unternehmen wie Open AI, es werden Avatare oder erweiterte Chatbots gelauncht, die Kunden zumindest zum Teil digital bedienen sollen. 

Es freut mich sehr, wenn ich das höre. Die Zynikerin in mir rollt zwar wie mein Lieblingsgif mit den Augen („Alles zu oberflächlich, viel blabla…), aber wenn man den Hype mal wegnimmt, dann sehe ich hierin wirklich viele Chancen – und ich habe Hoffnung für unsere Branche. Wieso?

Weil ich mir seit so vielen Jahren den Mund darüber fusselig rede, dass wir als Industrie den Wert von Finanzdaten für moderne Kundenlösungen heben müssen. Klar, Effizienzen kann man dadurch auch gewinnen. 

Wer KI sagt, muss auch Datenstrategie sagen – oder?

Aber jetzt geht es um viel mehr. Wirklich. Denn wer auf großen Bühnen steht und in internen Town-Hall-Meetings und von der Relevanz von (generativer) KI für das eigene Unternehmen spricht, der muss auch eines haben: eine ausgeklügelte Datenstrategie. Das Thema muss jetzt endlich auf CEO-Ebene angekommen sein und dort Priorität haben. 

Nicht nur das. Ich muss eigentlich sogar davon ausgehen, dass bereits enorme Fortschritte gemacht wurden, hin zu unternehmensübergreifenden Datenaustausch, Standardisierung, Datenzugriff in Echtzeit, Harmonisierung von Systemen wie KYC, Transaktionen, Depots, CRM und so weit, damit die Datenverfügbarkeit sich zumindest parallel zum gewünschten Einsatz von KI und KI Agenten im Unternehmen entwickelt. Das sollte man zumindest meinen. Die Realität stellt sich aber leider etwas anders dar.

Denn leider spricht kein CEO, den ich höre, über den Wert von Daten. Oder über die wirkliche Umsetzungs des Anspruchs, die rasant wachsende, „Digital native”-Menschen als Kunden im Retailbereich, als Unternehmenskunden und als Nutzer im eigenen Unternehmen zu begeistern. Und obwohl es ein guter, erster Schritt ist, vielleicht mal ein kleiner Hinweis an alle Führungskräfte, die jetzt aufschreien: Daten in die Cloud zu heben, reicht, nicht, um a) Effizienzen zu heben (Datenspeicher können gerade dort teuer sein), und b) die Daten auch wirklich Mitarbeitern, Kundinnen und Kunden und den Avataren, Chatbots oder Agents so zugänglich zu machen, dass sie ganzheitliche Prozesse abbilden, beziehungsweise neu denken können. Dafür braucht es erst eine Vision, und dann eineStrategie. Und die fehlt in Banken und Fintechs noch zu häufig. 

Es sind jetzt die C-Level gefragt

Wenn ich mit wirklich smarten und fähigen Menschen in Banken und Versicherungen spreche, dann ist das Wissen darum natürlich bekannt. Und es ist ja nicht so, als würde nichts geschehen. Ganz im Gegenteil: Es gibt massive Transformationsprogramme, die Großes leisten, mit viel Drive und Ambition, die aber Zeit benötigen. Oftmals liegen diese Projekte auch beim CIO, CTO oder in der COO Organisation, aber eben nicht beim CEO. Genau dahin gehört die Datenstrategie aber, wenn eine Firma ernsthaft mit KI arbeiten will. Mehr noch: CEO, die sich unter einer Datenstrategie nichts vorstellen oder sie nicht artikulieren können, sollten überlegen, ob sie in ihrer Position noch richtig sind. 

Was KI wirklich braucht: kontextualisierte Daten

Aber zurück zur KI. Diese benötigt, um personalisiert auf Menschen im und außerhalb des Unternehmens zugehen zu können (oder auf andere KI Agenten) vor allem eines: Kontext. Ein Beispiel: Wenn Frau Schmitt gerade 40.000 Euro geerbt hat und letzte Woche ein Gespräch zur Baufinanzierung geführt hat, sollte ein smarter Bot erkennen: Hier bahnt sich etwas an. Aber das passiert nicht. Stattdessen fragt der Chatbot: „Wie kann ich helfen?“ – ohne zu wissen, was bei der Kundin gerade passiert. Hier verschenken Banken ganz massiv viel potenzielles Geschäft, das mit einer smarten Datenstrategie schnell zu holen wäre. 

Daten haben eine Seele: Das müssen CEO verstehen

Denn was viele nicht verstehen: Daten haben so etwas wie eine Seele. Daten haben Bedeutung. Geschichte. Beziehungen. Wer sie nur als Rohstoff sieht, behandelt sie wie Baustoff, statt wie die Ausstattung und Einrichtung für ein gut gebautes Haus. Die Seele der Daten liegt im Kontext  und dieser entsteht nicht zufällig, sondern durch Verbindung. 

Ein echter KI-Agent ist kein Tool, sondern ein Begleiter. Er weiß, wer du bist. Was dich beschäftigt. Was du brauchst. Vielleicht sogar besser als du selbst. Dafür benötigt er Daten – und zwar solche mit Leben, Kontext und Struktur. Keine isolierten Tabellen, sondern ein lebendiger Datenpool, der sich nach deinem digitalen Handeln verändert.

Diesen zu kreieren, ist für Banken, Fintechs und Versicherungen  in Zukunft essentiell. Open Finance kann dabei eine entscheidende Rolle spielen, weil dadurch überhaupt erst die Möglichkeit entsteht, viele Daten zu sammeln und dann auch zu kontextualisieren. Dann spricht die KI mit uns, kommt uns sogar nahe, weil sie so wirkt, als ob sie uns wirklich versteht. Bauen müssen wir aber auch weiterhin auf die Erfahrung und Empathie der Mitarbeiter:innen, die uns als Kundinnen und Kunden als fühlende Menschen mit Einschätzungsvermögen gegenübersitzen, gerne auch virtuell. In der Kombination wird KI zum Gamechanger.

Autor

  • Nicola Breyer ist Open-Finance-Expertin, berät und investiert in Fintechs. Bis 2024 war sie CEO und Managing Director beim Open-Finance-Unternehmen Qwist, davor arbeitete sie in Führungsrollen bei verschiedenen Finanzunternehmen, unter anderem bei OptioPay und PayPal.

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