Stefan Roesler treibt über die DSV-Gruppe die Digitalisierung der Sparkassen voran. Kann KI die Probleme der Roten lösen – und hängt man nicht meilenweit hinter Klarna & Co. her? Zeit für ein Interview.
Die DSV-Gruppe ist der zentrale Dienstleister für alle Sparkassen in Deutschland und setzt seit einigen Monaten schon stark auf neue KI-Produkte. Doch KI und Sparkassen – kann das wirklich klappen? Und haben Fintechs wie Klarna die Roten nicht längst abgehängt? Das wollten wir von Stefan Roesler wissen. Er ist Teil der Geschäftsführung der DSV-Gruppe und hat sich am Rande der Sparkassen-Messe „Scope24” viel Zeit für ein Interview mit Payment & Banking genommen.
Herr Roesler, die Sparkassen machen jetzt auch was mit Künstlicher Intelligenz. Ihre Botlösung heißt Linda. Was kann diese?
Wir machen ganz viele Dinge mit Künstlicher Intelligenz in der Sparkassen-Finanzgruppe. Dazu gehört zum Beispiel unsere Business-KI, die unter anderem Dokumente, wie Finanzberichte, lesen und auswerten kann. Und ja, dann gibt es Linda. Die war zuerst ein Chatbot mit KI dahinter. Jetzt nutzen wir Linda auch als Voicebot für Kundenanrufe.
Und das klappt?
Ja, das funktioniert. Linda ist so gut, dass sie viele Anfragen und Fälle abschließend beraten kann. Und das tausendfach jeden Tag.
Bei der Sparkasse will ich doch persönliche Beratung. Warum soll ich denn jetzt mit Linda sprechen?
Unser großes Problem sind die tausenden Serviceanfragen, die wir jeden Tag im Call-Center bekommen. Viele Kunden wollen die Digitalisierung, können damit aber gar nicht umgehen. Das heißt, wenn die Leute ins Online-Banking wechseln, dann suchen sie möglicherweise erst mal was, oder haben ihr Passwort vergessen und rufen dann im Call-Center an. Die Top-10-Geschäftsvorfälle hängen alle mit Online-Banking zusammen, von „Bin nicht reingekommen“ bis „Wo finde ich das nochmal?“ oder eine ganz banale Kontostandabfrage, die besonders zum Monatsultimo gehäuft auftritt. Und das sind natürlich zur heutigen Zeit alles Anfragen, die nicht jedes Mal ein Mitarbeiter beantworten muss.
Voicebots können einen aber auch in die Verzweiflung treiben. Haben Sie davor keine Angst?
Wir testen aktuell eine Sentiment-Analyse, die ganz genau registriert, wann eine Kunde ungeduldig wird oder wann er sauer wird. Wir arbeiten auch daran, dass der Voicebot erkennt, wenn die Stimme aggressiv wird. Dann stellt der Voicebot die Kunden direkt zu einem Mitarbeiter durch, weil er merkt: Oh, der ist nicht zufrieden mit dem Ergebnis gerade.
Also, wer schreit, kommt durch?
Ganz vereinfacht wäre das richtig. Das ist dann nicht besonders toll für den Mitarbeiter, der einen wütenden Kunden ans Telefon bekommt. Aber das ist ja auch nur der Worst-Case. In den allermeisten Fällen kann der Voicebot das Problem lösen. Um da mal eine Zahl zu nennen: Eine Großsparkasse nutzt einen Voicebot aus unserem Portfolio und steuert darüber schon heute ihr gesamtes Anrufvolumen, was durchschnittlich 50.000 Anfragen jeden Monat ausmacht. Überlegen Sie mal, wie viele Mitarbeiter Sie im Call-Center dafür bräuchten. Und der Bot ist rund um die Uhr an sieben Tagen erreichbar; der schafft ordentlich was weg.
Oftmals scheitert die Kommunikation mit so einem Bot aber an der Sprache.
Die Sparkassen haben sich verpflichtet, jedem ein Konto zur Verfügung zu stellen und haben deshalb auch viele Kundinnen und Kunden unterschiedlichster Herkunft, die vielleicht kein Deutsch sprechen. Aber unser Bot kann dank KI auch live übersetzen, sodass der Mitarbeiter auf Deutsch etwas im Chatfenster schreibt und der Kunde auf der anderen Seite es in seiner Sprache lesen kann – und andersherum. Das geht beim Chatbot aktuell in neun Fremdsprachen und wird im Bereich des Voicebots auch sukzessive eingeführt und erweitert werden. Und ja, es ist noch nicht in allen Einsatzbereichen perfekt. Aber das muss es nicht sein. Es hilft, zu verstehen, was der Kunde auf der anderen Seite überhaupt für ein Problem hat. Und da hat die KI sehr positive Aspekte: Die Kunden sind durch die leichtere Interaktion schneller zufrieden und Anliegen können lösungsorientierter bearbeitet werden. Das wiederum erleichtert auch die Arbeit und Serviceleistung der Berater an den Telefonen oder in den Filialen. Sozusagen auf beiden Seiten eine Win-win-Situation.
Das Fintech Klarna hausiert gerne mit der Geschichte, dass die eigene KI so viel Arbeit leisten würde wie 700 Servicemitarbeiter und die Bearbeitungszeit um ein Vielfaches kürzer wäre. Sehen Sie solche Zahlen auch bei den Sparkassen?
Ich glaube, wir sind bei KI auf Augenhöhe mit anderen Anbietern wie Klarna, auch wenn ich an deren Darstellung etwas Zweifel habe. Klarna betont ja immer, dass es ohne Mitarbeiter geht. Das kann ich mir nur schwerlich vorstellen, denn wir haben ganz oft Fälle, in denen immer noch mal die persönliche Beratung eines Mitarbeiters gebraucht wird. Beispielsweise bei einem Sperrnotruf: Da ruft ja keiner besonnen an und sagt, er heißt Max Müller und nennt seine IBAN. Da rufen Leute an, die nur „Online-Banking, sperren, sofort“ ins Telefon schreien – ganz einfach, weil sie Angst haben in dem Moment, wenn sie beispielsweise eine unautorisierte Buchung gesehen haben. Das ist keine Situation für einen Voicebot.
Als DSV-Gruppe sind Sie für die Digitalisierung zuständig. Was ist neben KI ein wichtiges Thema?
Was wir zurzeit sehr kritisch verfolgen, sind Quantencomputer und wie diese sich entwickeln. Denn wir müssen davon ausgehen, dass nicht nur gute, sondern auch weniger gute Menschen diese Technik nutzen. So ein Quantencomputer kann aber in nur wenigen Sekunden bald kryptografisch hochkomplexe Probleme lösen. Dies könnte ein Thema sein, zu dem wir uns – mit fortschreitender Entwicklung von KI – Gedanken um neue Sicherheitsmechanismen machen müssen. Da sind wir aktuell dabei, Lösungen zu entwickeln, um für diesen Fall vorbereitet zu sein.
Was investieren Sie jedes Jahr, um am Ball zu bleiben?
Wir investieren jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag in eigene Entwicklung, aber auch in Partnerschaften. Wir sind ja auch Partner von Google, IBM, Oracle und weiteren großen internationalen Firmen. Wir schauen dabei ganz genau, was gerade wichtig wird, aber auch, was Sparkassen wirklich brauchen. Wir machen beispielsweise nicht KI um der KI Willen. Das fänden die Sparkassen, denen wir ja gehören, nicht gut.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person: Stefan Roesler ist seit Januar 2017 Mitglied der Geschäftsführung bei der DSV-Gruppe, dem zentralen Dienstleiter der Sparkassen-Finanzgruppe mit Hauptsitz in Stuttgart. Neben ihm gehören Michael Stollarz (Vorsitzender) und Sven Korschinowski zur Geschäftsführung.