Digitale Währungen haben im letzten Jahrzehnt rasant an Bedeutung gewonnen. 2024 markierte einen Wendepunkt im globalen Zahlungsverkehr: Erstmals übertraf das Transaktionsvolumen von Stablecoins das von Mastercard. Lange im Schatten von Bitcoin und Ether, rücken diese blockchain-basierten, an Fiat-Währungen oder andere Assets gekoppelten Token zunehmend in den Fokus. Ihr stabiles Preisniveau und ihre wachsende Akzeptanz im Unternehmensumfeld sorgen dafür, dass sich Stablecoins zu einer ernstzunehmenden Alternative in der Zahlungslandschaft entwickeln. Ein Signal, das Banken nicht übersehen dürfen.
Ein neuer Markt entsteht – und Banken müssen Stellung beziehen
Parallel beobachten wir auf staatlicher Ebene unterschiedliche Haltungen zu Central Bank Digital Currencies (CBDCs). Die Europäische Zentralbank (EZB) bereitet die Einführung eines Digitalen Euro für den Interbankenhandel (Wholesale CBDC) vor. Die US-Regierung hingegen hat sich im Januar 2025 gegen die Entwicklung eines eigenen digitalen Dollars ausgesprochen – und setzt verstärkt auf private Stablecoins. Das unterstreicht Trump durch die Forderung nach einem klaren Regulierungsrahmen für ihren Einsatz.
Diese dynamische Gemengelage zeigt: Das Rennen um die globale Vorherrschaft im digitalen Zahlungsverkehr ist in vollem Gange. Banken stehen dabei keineswegs nur Beobachter. Sie können die Entwicklung von Stablecoins aktiv mitgestalten, Mehrwerte für Unternehmen und Privatkunden schaffen und zugleich regulatorische und sicherheitstechnische Anforderungen in Einklang bringen.
Stablecoins vs. klassische Kryptowährung – was unterscheidet sie?
Stablecoins sind Blockchain-basierte Vermögenswerte, deren Wert typischerweise an Fiat-Währungen (z.B. US-Dollar, Euro) oder Rohstoffe (z.B. Gold) als Basiswert gekoppelt ist. Ihr Versprechen: den Wechselkurs zum Basiswert stabil zu halten, um Kursschwankungen wie bei Bitcoin oder Ether zu vermeiden – vorbehaltlich einer schwankungsarmen Basis wie dem US-Dollar oder dem Euro.
Dabei existieren unterschiedliche Modelle:
- Fiat-besicherte Stablecoins (z.B. USDC, USDT) halten Reserven in Banken oder Geldmarktfonds.
- Krypto-besicherte Stablecoins (z.B. DAI) hinterlegen andere Kryptowährungen als Sicherheit.
- Algorithmische Stablecoins nutzen komplexe Mechanismen, um den Preis zu stabilisieren.
Bitcoin, Ether oder XRP stehen für dezentrale Ansätze. Es gibt keine zentrale Institution, die Emission und Wertentwicklung kontrolliert. Sie weisen eine hohe Volatilität auf und sind deshalb für den täglichen Zahlungsverkehr in Unternehmen wenig attraktiv. Stablecoins sollen dieselbe technische Effizienz der Blockchain bieten, jedoch ohne große Preisschwankungen. Gerade im Cross-Border-Zahlungsverkehr hat sich ein Anwendungsgebiet herauskristallisiert, in dem Stablecoins ihre Vorteile zeigen können.
Insgesamt bieten Stablecoins durch ihre Schnelligkeit auf der Blockchain, durch (teils sehr) geringe Kosten, ihre Finalität sowie den internationalen Einsatz ein weit umfassendes und attraktives Anwendungsfeld für Banken und Unternehmen.
CBDCs weltweit: Digitale Währungen auf dem Vormarsch
CBDCs sind digitale Darstellungen staatlicher Währungen, die von Zentralbanken emittiert und reguliert werden. Weltweit laufen zahlreiche Initiativen. China gehört zu den Vorreitern und hat mit dem e-CNY bereits weitreichende Pilotprojekte initiiert. Auch die Bahamas (Sand Dollar) und Nigeria (eNaira) verfügen über funktionierende CBDCs. Schätzungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zufolge, beschäftigen sich über 100 Zentralbanken weltweit mit CBDC-Konzepten, wobei die meisten Projekte noch in der Erprobungs- oder Entwicklungsphase stecken.
Während in Europa die EZB intensiv an einem digitalen Euro für den Interbankenverkehr feilt, ist die politische Weichenstellung in den USA deutlich heterogener. Unter Präsident Donald Trump wurde die Idee eines „digitalen Dollars“ mit einer Anordnung im Januar 2025 verboten. Die Einrichtung, die Ausgabe, der Umlauf und die Verwendung einer digitalen US-Zentralbankwährung (CBDC) wurde untersagt. Damit hat sich die US-Regierung gegen einen europäischen Ansatz ausgesprochen. Man wolle keinen digitalen Euro für den US-Markt adaptieren, sondern setze weiterhin auf privatwirtschaftlich getriebene Stablecoins. Ein Signal für differenzierte nationale Strategien.
Der Markt für Stablecoins wächst – und Banken können profitieren
Dass das Gesamttransaktionsvolumen von Stablecoins 2024 erstmals Mastercard übertroffen hat, unterstreicht ihre rasant wachsende Bedeutung. Trotz dieses Erfolgs liegen die Anzahl und der monetäre Gesamtwert aller Kreditkartentransaktionen weltweit immer noch deutlich über dem, was Stablecoins bislang verzeichnen. Doch die Dynamik ist eindeutig: Kein anderes digitales Zahlungsmittel wächst schneller.
Besonders im globalen Cross-Border-Zahlungsverkehr, mit einem geschätzten Volumen von 150 Billionen US-Dollar pro Jahr, bieten Stablecoins enormes Potential: Selbst ein kleiner Anteil an Stablecoin-basierten Transaktionen könnte hier für Unternehmen beträchtliche Effizienzgewinne und Kostenersparnisse bedeuten.
Unternehmen, die internationale Lieferketten managen oder mit einer hohen Zahlungsfrequenz agieren, profitieren von schnelleren Abwicklungen, niedrigeren Gebühren und höherer Transparenz. Das Szenario ist keineswegs ein Entweder-Oder zwischen klassischen Zahlungsabwicklungen und Stablecoins: Banken können diese Entwicklung aufgreifen und anbieten, Stablecoin-Zahlungen sicher in ihre bestehenden Dienstleistungen zu integrieren. So entsteht eine kombinierte Lösungspalette, aus der Kunden je nach Anwendungsfall wählen können.
Die entscheidende Rolle der Banken: Vom Vermittler zum Kooperationspartner
Oft wird befürchtet, dass Banken in einer Welt mit Stablecoins und CBDCs an Bedeutung verlieren. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Kreditinstitute eine unverzichtbare Rolle als vertrauenswürdige Schnittstelle einnehmen können – nicht nur, was die Verwahrung von Reserven oder die Regulierung betrifft. Banken können ihren Kunden den einfachen Zugang zu Stablecoins ermöglichen, indem sie mit vertrauenswürdigen und hochspezialisierten FinTechs eine Lösung für die Verwahrung und den Transfer bereitstellen.
Insbesondere im B2B-Geschäft kann eine Bank, die Stablecoin-Transaktionen prozesssicher abwickelt, erhebliche Mehrwerte schaffen:
- Rechts- und Regulierungsrahmen: Sicherstellung der Einhaltung der Vorgaben durch Aufseher, bspw. bei komplexen Compliance-Anforderungen (z.B. Anti-Geldwäsche-Gesetze).
- Services und Beratung: Beratung zu Währungsabsicherungen oder zu Smart-Contract-Anwendungen, die auf Stablecoins basieren.
- Sicherheit: Kombination des vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Bank und Kunde sowie Bank und Kooperationspartner.
Anstatt ein Konkurrenzverhältnis aufzubauen, kann sich hier eine Arbeitsteilung herausbilden: Banken fungieren als „Gatekeeper“ für Stabilität, Vertrauenswürdigkeit und regulatorische Sicherheit und bieten Value Added Services an, während Technologieunternehmen die innovative Dynamik beisteuern.
Wholesale Digitaler Euro vs. Stablecoins: Stärken und Grenzen
Während ein Retail-CBDC grundsätzlich auf den Massenmarkt abzielt, hat der Wholesale Digitale Euro primär zum Ziel, Interbankentransaktionen zu modernisieren. So sollen Banken, große Unternehmen und ggf. andere Institute Transaktionen schneller, sicherer und kosteneffizienter untereinander abwickeln. Deshalb ist auch die LBBW intensiv an den EZB Trials der letzten 12 Monate beteiligt und übernimmt eine aktive Rolle bei der weiteren Umsetzung des Wholesale CBDCs.
Ein kritischer Aspekt bleibt jedoch die regionale Begrenzung. Sollte der digitale Wholesale Euro zunächst nur im Euroraum einsetzbar sein, wäre er für Unternehmen, die global agieren, nur begrenzt attraktiv. Gerade im internationalen Zahlungsverkehr außerhalb der Eurozone könnten weiterhin private Stablecoins bevorzugt werden, da sie sich – je nach Emittent – weltweit verwenden lassen. Fraglich ist zudem, ob andere Staaten oder Märkte die Integration des digitalen Euro akzeptieren oder ob er nur regional Bedeutung erlangt.
Die Praxis zeigt zudem: Bei grenzüberschreitenden Zahlungen über klassische Banknetze fallen häufig hohe Gebühren an und die Transaktionsdauer kann mehrere Tage betragen. Stablecoins versprechen hier niedrigere Kosten und nahezu Echtzeit-Geschwindigkeit. Ein Wholesale Digitaler Euro könnte diese Vorteile theoretisch ebenfalls bieten, wenn er auf effizienten Blockchain- oder DLT-Systemen basiert. Allerdings wird er in erster Linie Interbankenzahlungen abdecken und nur in einem regulierten Raum funktionieren, was möglicherweise die Innovationsdynamik einschränkt.
On-Ramp- und Off-Ramp-Lösungen: Der Schlüssel zur Massentauglichkeit
Stablecoins begeistern vor allem durch ihre niedrigen Transaktionskosten im internationalen Zahlungsverkehr. Doch damit Unternehmen Stablecoins tatsächlich in den Alltag integrieren können, sind leistungsfähige On-Ramp- und Off-Ramp-Infrastrukturen unerlässlich.
- On-Ramp: Ermöglicht den Kauf bzw. Tausch von Fiat-Währungen in Stablecoins.
- Off-Ramp: Ermöglicht den Rücktausch von Stablecoins in Fiat-Währungen oder andere Assets.
Hier können Banken durch Kooperationen mit Krypto-Brokern oder FinTechs die nötige Brücke schlagen, um die Liquidität sicherzustellen. Ein einfaches Beispiel: Eine Bank, die Stablecoin-Guthaben direkt über Online-Banking-Portale verwalten lässt, könnte eine echte One-Stop-Lösung für Unternehmen anbieten – inklusive Compliance, Liquiditätsmanagement und Währungsabsicherung.
Stablecoins und Smart Contracts: Die nächste Stufe der Finanzautomatisierung
Stablecoins sind nicht nur ein Tauschmedium, sondern können auch in Geschäftsprozesse integriert werden. Über Smart Contracts lassen sich Zahlungen automatisieren, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Beispiele dafür reichen von automatisierten Versicherungsleistungen bis zur Finanzierung von Lieferketten, bei der Bezahlung erst erfolgt, sobald Ware vom Logistikdienst gescannt und übernommen wurde.
Banken und Unternehmen können hier gemeinsam neue Lösungen entwickeln: etwa automatisierte Forderungsverbriefungen oder programmierbare Zahlungen, die in Echtzeit auf Vertragsbedingungen reagieren. Damit erweitert sich das reine „Zahlungsthema“ hin zu einer umfassenden Finanz- und Geschäftsprozessdigitalisierung.
Stablecoins zwischen Vertrauen, Regulierung und technologischen Grenzen
Ein zentraler Kritikpunkt an Stablecoins bleibt die Vertrauensfrage: Ist die behauptete Deckung durch Fiat-Reserven jederzeit nachweisbar? Skandale, bei denen sich Emittenten als nicht ausreichend besichert entpuppten, haben das Vertrauen in der Vergangenheit punktuell immer wieder untergraben.
Auch da Stablecoins einen direkten Zugriff auf Währungsmärkte ermöglichen, ohne klassische Intermediäre, rufen sie selbstverständlich Regulierungsbehörden auf den Plan. Die Rechtslage unterscheidet sich stark von Land zu Land. Einheitliche internationale Standards stehen noch aus. Hier können Banken ihre Stärke ausspielen: Sie verfügen dank ihres global vernetzten Compliance-Systems über eine günstige Ausgangsposition, um hier für mehr Harmonisierung zu sorgen.
Doch technische Herausforderungen bleiben. Anders als Visa oder Mastercard basieren viele Stablecoins auf öffentlichen Blockchains wie Ethereum, die bei hohem Transaktionsaufkommen an Skalierungsgrenzen stoßen. Layer-2-Lösungen oder andere neue Blockchain-Protokolle versprechen Abhilfe. Dennoch muss die Technologie noch reifen. Das gilt insbesondere im Sinne der weiten (prozessualen) Akzeptanz, bis sie vollends mit den gängigen Zahlungsverarbeitungsnetzen konkurrieren kann. Im Bereich automatisierter Zahlungen sind Stablecoins aber schon heute eine gesetzte Lösung mit sehr hohen Volumina.
Ein hybrider Weg zwischen Innovation und etablierten Strukturen
Insgesamt lässt sich festhalten: Stablecoins haben sich in den letzten Jahren zu einem ernstzunehmenden Instrument im internationalen Zahlungsverkehr entwickelt. Gleichzeitig treibt die EZB den digitalen Euro voran – wenn auch mit Fokus auf den Wholesale-Bereich. Weitere Länder rund um den Globus arbeiten an CBDC-Projekten.
Die Entscheidung der USA gegen einen digitalen Dollar, zeigt, wie hochpolitisch das Thema ist und wie sehr es von nationalen Wirtschaftsinteressen geprägt wird. Banken und Unternehmen sollten dennoch nicht auf staatliche Vorgaben warten, sondern bereits jetzt prüfen, wie Stablecoins und gegebenenfalls CBDCs in ihre Finanz- und Geschäftsprozesse passen.
Banken spielen dabei eine Schlüsselrolle. Sie können die Brücke zwischen traditionellem Bankgeschäft und der neuen Welt digitaler Assets schlagen. Dabei muss es keine Dichotomie zwischen „altem“ und „neuem“ System geben. Vielmehr kann ein diversifiziertes Angebot aus konventionellen Zahlungswegen, digitalen Zentralbankwährungen und privaten Stablecoins den Zahlungsverkehr effizienter, transparenter und kostengünstiger machen.
Wer frühzeitig die Vorteile dieser digitalen Revolution im Payment-Bereich erkennt, sichert sich Wettbewerbsvorteile und Innovationskraft. Denn eines scheint klar: Stablecoins und CBDCs werden die internationale Finanzarchitektur grundlegend verändern – mit oder ohne Zustimmung einzelner Regierungen.