Brauchen wir wirklich einen Zusammenschluss nachhaltiger Finanzakteure?
Mitte November machten sich Vertreter*innen der wichtigsten nachhaltigen Finanzakteure auf den Weg nach Brüssel. Der Grund: Der gemeinsame Auftakt der Sustainable Banking Coalition. Was diesen Zusammenschluss ausmacht, welche Lücke er schließt und was er fordert, das berichtet Inas Nureldin, der als Co-Gründer von Tomorrow selbst bei der Gründung in der belgischen Politik-Metropole dabei war.
Das ist die Sustainable Coalition
Das gab es noch nie: In der Sustainable Banking Coalition schließen sich erstmals die wichtigsten nachhaltigen Finanzakteure der EU zusammen, die auf fossile Energieträger verzichten und sich für ökologische und soziale Nachhaltigkeit einsetzen – von Bank bis Fintech.
Damit unterscheidet sich die Sustainable Banking Coalition von vorherigen Zusammenschlüssen, bei denen für eine Teilnahme eine Banklizenz oder eben weniger – beziehungsweise gar keine, wie der gemeinhin als Deutsche Bankenlobby bezeichnete “Deutsche Bankenverband” – Nachhaltigkeitskriterien vorausgesetzt waren.
Anders bei der Sustainable Banking Coalition. Hier ist die Eintrittskarte – wenig überraschend – die Nachhaltigkeit der teilnehmenden Unternehmen. So sind nur Unternehmen dabei, die sich nicht an den Branchen Tabak, Rüstung, Glücksspiel, fossile Brennstoffe, Abholzung, Pestizide oder Massentierhaltung beteiligen. Wer diese Regeln auflegt, ist die Brüsseler Agentur Sustainable Public Affairs, die den Zusammenschluss initiiert hat und auch organisiert.
Sustainable Public Affairs war es auch, die uns und alle anderen Mitglieder Mitte des Jahres zur Teilnahme eingeladen haben. Und dabei haben sie wirklich gute Arbeit geleistet: Denn in der Summe bilden alle teilnehmenden Unternehmen der Sustainable Banking Coalition ein breites Spektrum an ESG-Dimensionen ab und bringen ganz verschiedene Lösungsansätze ein. Das ist für uns als vergleichsweise junges Unternehmen beispielsweise nicht nur Expertise im Bereich Nachhaltigkeit, sondern auch ein spezieller Fokus auf Kund*innenbedürfnisse, innovative Technologien und eine starke Community.
Mit einer Transformation der Finanzbranche das Pariser Abkommen stärken
Die Finanzbranche spielt in der Umsetzung des Pariser Abkommens eine zentrale Rolle. Um den Temperaturanstieg der Erde auf maximal 2 °C zu begrenzen, müssen Finanzakteure aktiv Verantwortung übernehmen und ihre Finanzflüsse mit den globalen Zielen in Einklang bringen. Doch die Realität ist nach wie vor eine andere: Seit dem Pariser Klimaabkommen haben die größten Banken der Welt $ 3,8 Billionen in fossile Brennstoffe gesteckt (Quelle), nur 7 % der Energiefinanzierung für erneuerbare Energien bereitgestellt (Quelle) und allein die Deutsche Bank hat rund $ 123 Milliarden in fossile Energien investiert (Quelle, Seite 12).
Demgegenüber stehen die Anbieter für nachhaltiges Banking, die die Ziele des Pariser Abkommens durch ihre Geschäftstätigkeit unterstützen – und die sich nun in der Sustainable Banking Coalition zusammengeschlossen haben. Es kann und sollte nicht möglich sein, dass nur einige wenige Unternehmen aktiv zum Pariser Abkommen beitragen, während andere sich von diesen Zielen abwenden. Dieses Verhalten geht nicht nur zu Lasten des Planeten, sondern auch und insbesondere aller Menschen, die heute und in Zukunft auf diesem leben wollen. Und zu Lasten der Wirtschaft. Denn um das Pariser Abkommen umzusetzen, bedarf es weltweiter Investitionen in Höhe von geschätzten $ 75 Billionen sowie Innovation und Bereitschaft zur Veränderung (Quelle). Das bedeutet auch: Je länger die Transformation hinausgezögert wird, desto teurer und aufwendiger wird sie.
Um es kurz zu fassen: Um das Pariser Abkommen einzuhalten, braucht es eine nachhaltige Transformation der Finanzbranche. Und um die Wirtschaft nachhaltig zu transformieren, braucht es die richtigen politischen Rahmenbedingungen.
Klare Forderungen für ökologische und soziale Verantwortung
Natürlich gibt es bereits erste und enorm wichtige Grundpfeiler politischer Rahmenbedingungen: Das Pariser Abkommen und die EU-Taxonomie reichen jedoch in ihrer aktuellen Form nicht aus, um durch (De-)Investments Finanzflüsse in tatsächliche, wirksame ESG-Bereiche zu steuern und Greenwashing zu verhindern.
Was es braucht, sind weiterführende Maßnahmen und Regelungen auf EU-Ebene: Da viele der richtungsweisenden Entscheidungen nicht nur auf individueller Landesebene, sondern in internationalen Zusammenschlüssen getroffen werden, setzt auch die Sustainable Banking Coalition an dieser Stelle an.
Durch die bereits etablierten Strukturen und Regelungen der teilnehmenden Unternehmen, die ein an ESG-Kriterien ausgerichtetes Wirtschaften sicherstellen, kann die Sustainable Banking Coalition mit Entscheider*innen auf EU-Ebene in den Austausch gehen und konkrete Lösungsvorschläge anbieten. Konkret widmen wir uns in der Sustainable Banking Coalition diesen drei Themenfeldern:
- Erarbeitung eines angemessenen EU-Rechtsrahmens für Finanzakteure, die sich auf ESG-Auswirkungen konzentrieren.
- Stärkere Vertretung von Finanzakteuren, die sich auf ESG-Auswirkungen konzentrieren, in den finanzpolitischen Gremien der EU.
- Sicherstellen, dass die Privatbankbeziehungen der EU die Ziele des Green Deal und der Europäischen Säule sozialer Rechte unterstützen.
Wir haben Tomorrow mit dem Ziel gegründet, nachhaltige Finanzen in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. Daher ist es uns ein Herzensanliegen, mit unserem Ansatz nicht nur eine Blaupause für die Finanzindustrie zu schaffen, sondern auch Wege zu finden, wie wir die Finanzindustrie im Ganzen systemisch verändern können. Hin zu mehr Nachhaltigkeit, um die Finanzindustrie zu einem Teil der Lösung zu machen und nicht wie bisher nur Teil des Problems zu sein. Also ja: Es braucht einen Zusammenschluss nachhaltiger Finanzakteure. Deshalb gehen wir nach Brüssel, geben nachhaltigen Finanzen eine aktive Stimme und mischen uns in öffentliche Diskussionen ein.