Finanzgeschäfte in Deutschland sollten vorrangig über Honorarberatung laufen. Das schützt den Kunden und würde endlich zu besseren Produkten führen.

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab sofort monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

An Beispielen schlechter Beratung mangelt es in der Finanzbranche nicht. Angefangen bei teuren Publikumsfonds über unsinnige Versicherungen bis hin zum Lehman-Zertifikat für Rentner. Für die Verbraucher bleibt am Ende einer verlustreichen Investition dann die immer gleiche Frage: Warum aber hat mein Berater mir das empfohlen? Die Antwort ist einfach: Die Finanzbranche lebt von Provisionen, die sie beispielsweise von Fondsgesellschaften bekommt, wann immer sie ein Produkt verkauft. Egal, ob es gut oder schlecht auf Steffi oder Stefan passt, egal, ob sie Geld in den Sand setzen oder der Totalausfall droht: Die Berater verdienen dank Provisionsgeschäft.

Dieser Anreiz aber ist falsch, führt zu schlechten Beratungen und einem Vertrauensverlust der Menschen in die Finanzbranche. Provisionen sollten deshalb verboten werden und Honorarberatung das Mittel zur Wahl sein – staatlich finanziert. Für die erste oder auch zweite Beratung beispielsweise könnten Bund und Länder aufkommen, etwa mit der Begründung, den Bürgern so langfristig mehr finanzielle Freiheit zu ermöglichen. Ergänzend dazu könnten die Kunden ihren Beratern langfristig ein Kickback oder eine Provision gewähren, wenn alles läuft wie geplant oder versprochen. 

Klingt schlimm, liebe Berater? So oder so ähnlich könnte es dann bald auch kommen. Der Chef der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) Steven Maijoor sagte zuletzt in einem Interview mit FondsProfessionell das Problem mit Provisionen sei, “dass Empfehlungen von Finanzprodukten beim Provisions­modell keineswegs immer im besten Interesse des Kunden ausfallen.“

Auch bei der ESMA überlege man daher, ob ein europaweites Provisionsverbot nicht sinnvoll wäre. Setzt sich diese Ansicht durch, würde kommen, was die deutsche Finanzbranche meidet wie der Teufel das Weihwasser: Honorarberatung. Die Kritik ist vorprogrammiert: Wer soll das bezahlen? Wie sollen wir den Aufwand stemmen? Und wer soll sich das denn leisten?

Streicht die Provisionen

Die Finanzindustrie ist selber schuld an der Diskussion

Dass man über eine solche Pflicht aber überhaupt diskutieren muss, ist die Industrie selbst schuld, hat sie das Vertrauen in den vergangenen Jahren doch auf der Suche nach mehr, mehr und mehr Rendite verspielt. Die Exzesse des Vertriebs vor der Finanzkrise haben dazu sicherlich ihren Teil beigetragen, doch auch seither ist die Beratung oftmals allenfalls Mittelmaß und eben sehr beschränkt darauf, wofür der örtliche Vertrieb eben eine nette Provision bekommt. Würde die Branche eine sehr gute Beratung anbieten, die auch Anlegern und Sparern langfristig eine stabile Rendite bringt, würde der ESMA-Chef kein Verbot für ganz Europa erwägen.

Übrigens ist Honorarberatung ja kein Untergang. In Großbritannien oder den Niederlanden hat das durchaus gut funktioniert, ohne den Finanzplatz zu ruinieren. In einer Studie der FCA nach der Implementierung in Großbritannien heißt es, dass Berater “professioneller” geworden, die Gebühren für Retailprodukte gefallen sind und der Markt sich stärker an den Bedürfnissen der Konsumenten orientiert. Oder wie es auch heißt: “Diejenigen Verbraucher, die jetzt umfassend beraten werden”, würden aufgrund der “besseren Qualifikation der Berater und der Verringerung der Produktverzerrung wahrscheinlich eine bessere Beratungsqualität” erhalten.

Eine Beratungslücke ist kein Problem

Mit der Quirin Bank gibt es immerhin eine Bank, die auch hierzulande damit ganz gut fährt, auch wenn man dafür natürlich das nötige Kleingeld braucht, um dort überhaupt sein Geld anzulegen. Und natürlich: Es ist längst nicht gesagt, dass der Verbraucher auch bereit ist, ein paar Hundert Euro zu zahlen, nur um beraten zu werden. Das ist neu und Verbraucher sind nicht daran gewöhnt, für eine Dienstleistung zu zahlen, die bis dato vermeintlich umsonst war.

„Es ist längst nicht gesagt, dass der Verbraucher bereit ist, ein paar Hundert Euro zu zahlen, nur um beraten zu werden.“

Die große Angst der besorgten Berater: Es wird eine Beratungslücke geben. Und ja, es ist zwar richtig, dass die Kunden eine Beratung oftmals ablehnen, wenn sie hunderte Euro je Stunde kostet. Die einen, weil sie nicht können, die anderen, weil sie nicht wollen. Dabei ist die Honorarberatung oftmals nicht teurer als die Provisionsberatung – die Kosten fallen nur plötzlich auf.  Genau hier sollte entsprechend der Staat mit Zuschüssen eingreifen und das neue Provisionsmodell greifen, das belohnt, wenn der Kunde glücklich ist – und nicht der Produktanbieter.

Eine Honorarberatung ist eine Chance für die Branche

Anstatt zu jammern, sollte die Branche ein mögliches Provisionsverbot sowieso als Chance betrachten. Sie können endlich wieder Vertrauen aufbauen, indem sie Kunden nicht mehr das für das Geldinstitut sie beste Produkt verkaufen würden, sondern eben das, was der Verbraucher wirklich braucht. Den meisten Finanzhäusern würde ein kleiner Vertrauensschub doch gerade Recht kommen –  oder etwa nicht?


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