Start-ups sollen nicht so rumheulen, wenn die Bafin kommt

In Berlin munkeln sie gern, dass die Finanzaufsicht die jungen Wilden viel härter anfasst als die großen Banken. Das ist eine falsche Sichtweise. Fintechs sollten sich eher fragen, warum die Bafin bei ihnen so oft klopfen muss. 

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Schon vor einigen Wochen rief mich meine liebste Redakteurin Christina Cassala an und sagte, ich müsse doch mal eine Kolumne zur Finanzaufsicht Bafin machen. Das sei doch ein total wichtiges Thema und überhaupt würde darüber ja auch viel gesprochen in der Szene, sagte sie grob vereinfacht. Ich war sofort Feuer und Flamme: Natürlich, die Bafin müssten wir wirklich mal in Angriff nehmen, immerhin ist Mark Branson jetzt schon zwei Jahre Chef, der Wirecard-Skandal klingt langsam ab und dann sei da ja auch die Sache mit der Postbank und der vielleicht schlimmsten IT-Migration aller Zeiten. Die Ideen sprudelten nur so und Christina hatte da auch schon einen Arbeitstitel: Wenn die Bafin zwei Mal klopft. Hammer, sofort übernehmen, dachte ich. Also geht es um die Postbank, fragte ich zur Sicherheit noch einmal. Doch Christina war verwirrt: Nein, nein, sagte sie. Es müsse doch darum gehen, warum die Bafin die Fintechs so hart rannimmt und die Banken gar nicht.

Bitte drei-, vier-, oder fünfmal klingeln

Und da war das Thema für diese Kolumne für mich endgültig gefunden: Warum Fintechs und Start-ups aus Berlin gefälligst aufhören sollten, sich ständig zu beschweren, wenn es um die Bafin und ihre Aufsicht geht. Denn ganz anders als Christina finde ich das Vorgehen der Aufsicht hier nicht übervorsichtig und nervig. Im Gegenteil. Ich finde, bei einigen Start-ups sollte die Finanzaufsicht Bafin statt zwei lieber gleich drei-, vier- oder fünfmal klingeln. Von mir aus sollen die Teams von Mark Branson auch in den Büros campieren und jedes Blatt Papier umdrehen, bis sie ausreichend befriedigt sind. Denn wenn wir uns eine Sache am Finanzplatz Deutschland nicht mehr leisten können, dann ist es ein zweites Wirecard. Es bleibt den Fintechs in Frankfurt, München, Berlin nur eines zuzurufen: „Hört auf, herumzuheulen. Wer am Tisch der Erwachsenen sitzen will, muss auch die Anforderungen und Benimmregeln der Erwachsenen akzeptieren.“

Ein gern gespieltes Narrativ ist dieses: Wirecard war ein schlimmer Finanzskandal und die Bafin hat versagt. Weil sie Angst hat, dass das noch einmal passiert, müssen jetzt alle Banker mit tollen neuen Ideen darunter leiden. Besonders Start-ups mit „innovativen“ (sind sie ja meist leider nicht) Ideen würden ins Visier der Bafin geraten. Das führe zu zweierlei: Zum einen würden Anträge auf bestimmte Lizenzen sehr lange bei der Finanzaufsicht in Bonn oder Frankfurt rumliegen. Zum anderen würde die Finanzaufsicht vor lauter Schreck viel härter bei den armen, kleinen Fintechs durchgreifen und die großen Banken verschonen, wenn es um wirklich restriktive Maßnahmen geht. Beides ist Quatsch.

Für alle die gleichen Regeln

Wenn wir uns zunächst nun den Anträgen widmen, lässt sich bestimmt immer feststellen: Ja, das könnte schneller gehen. Aber was Fintechs und Start-ups ganz gern unter den Tisch fallen lassen, ist der Fakt, dass sie gern behandelt werden würden wie Banken – aber nicht zwangsweise nach deren Regeln spielen wollen. Eine Banklizenz (oder auch Abwandlungen davon) zu erlangen, war und ist in Deutschland sehr schwierig, weil hohe Standards gelten. Dass die Finanzaufsicht diese gerade bei neuen, bisher nicht etablierten Unternehmen ausgiebig testet, ist nicht nur in Ordnung, sondern alternativlos. Denn eines der Hauptziele der Finanzaufsicht ist der Verbraucherschutz auf allen Ebenen. Das gilt bei Versicherungen ebenso wie bei Wertpapierdienstleistungen, Kryptodiensten oder bei einfachen Bankgeschäften. Dafür zu sorgen, dass diese ordnungsgemäß laufen und im Not- wie im Krisenfall nicht einfach in sich zusammenbrechen und die Verbraucher als Geschädigte zurückbleiben, ist Aufgabe der Finanzaufsicht. Und wenn Fintechs diese Kontrolle nicht passt, dann sind sie einfach auf dem falschen Markt unterwegs.

Ein Blick auf jüngste Beispiele

Dass die Bafin mit zweierlei Maß misst, ist aus meiner Sicht übrigens nicht zu beobachten. Erst kürzlich äußerte Mark Branson sich erstmals (!) öffentlich zu einem Einzelinstitut und verpasste der Postbank eine verbale Ohrfeige, Zahlungsdienstleister Payone hat ebenfalls auf die Finger bekommen und die Shortseller-geplagte Grenke Bank durfte im August auch noch eine Geldbuße mitnehmen. Viel eher sollten Fintechs sich an die eigene Nase fassen, wenn es um die Frage von Sanktionen geht – und wer daran Schuld hat. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Ausfälle, Schnitzer und Situationen, bei denen man von außen nur die Hände über dem Kopf zusammenschmeißen konnte und die eine strenge Regulierung leider nötig machen.

Schauen wir gemeinsam einmal in die jüngste Vergangenheit, um einen Eindruck zu bekommen: Da war Econos, dem die Bafin ein Produkt untersagen musste, weil es erhebliche „Bedenken für den Anlegerschutz“ gab. Da gab es die Solarisbank, die von der Bafin gerüffelt wurde, dessen Neukundengeschäft eingeschränkt wurde und die aktuell nicht einmal schafft, Geld für einen Deal anzuschaffen. Und der sicherlich prominenteste ist natürlich N26. Dort hofft man seit Monaten, dass die restriktiven Maßnahmen von der Bafin endlich aufgehoben werden und sie das Neukundengeschäft wieder hochfahren dürfen.

Doch die Verantwortung für all diese Maßnahmen, Bremsen oder Hürden trägt nicht die Bafin, sondern tragen Start-ups von Econos bis N26 selbst. Würden diese nicht wiederholt gravierende Fehler machen, hätte die Finanzaufsicht auch nicht eingreifen müssen (das Gleiche gilt analog natürlich für Banken). Statt die Schuld für eine strenge Regulierung also bei der Bafin zu suchen, sollten sich die Gründerinnen und Gründer lieber im eigenen Hause umschauen, wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Dann bleibt gar nicht mehr so viel Zeit, sich über die Finanzaufsicht zu beschweren.

Autor

  • Nils Wischmeyer ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Wirtschaftswoche und die brandeins. An der Finanzbranche findet er (fast) immer was zum Nörgeln.

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