Sind Krypto-Investments moralisch noch vertretbar?

Meinungen vom Team Payment & Banking zum Thema Sind Krypto-Investments moralisch noch vertretbar?

Lange waren Kryptowährungen einfach eine weitere Anlageklasse, so unpolitisch wie Fonds und Aktien. Doch die Nähe der Szene zum neuen US-Präsidenten stellt Investor:innen vor ein Dilemma. Sollte ich jetzt meine Krypto-Assets verkaufen?

Kryptoinvestments werden unter Donald Trump nicht nur gefördert, sondern gleichzeitig auch zur Farce. Noch nie hat es ein US-Präsident auch nur gewagt, innerhalb kürzester Zeit mit dem Amt ein Milliardengeschäft zu machen, wenn auch das Amt per se das eigene Leben in aller Regel vergoldet. 

Anleger:innen der sowieso schon schwierigen Anlageklasse Krypto werden dadurch nun endgültig vor die Frage gestellt, vor die auch schon Investor:innen in Gold einst gestellt wurden: Ist es moralisch noch vertretbar, mein Geld in Kryptowährungen anzulegen – und wo ziehe ich die Grenze? Wir haben uns im Payment & Banking – Team ein wenig umgehört und wollen die Frage aber unbedingt auch Euch, der Community, stellen. Schreibt uns Eure Meinung also gern an [email protected]. Die besten Leserzuschriften ergänzen wir hier im Artikel. 

Lange Rede, kurzer Sinn: Hier kommen unsere Meinungen. 

André Bajorat, Gründer Payment & Banking: 

In den vergangenen Tagen und Wochen habe ich, wie viele andere, sehr viel in die USA geschaut und teilweise mit Entsetzen und auch einer Spur Angst die Aussagen und Handlungen der neuen „Regierung“ verfolgt. Bezogen auf einen Bereich der Payment- und Bankingwelt hat diese neue Regierung ja einen sehr relevanten Einfluss: Krypto.

Nachdem sich Donald Trump in den letzten Jahren sehr krypto-skeptisch gab, hat sich seine Meinung zu dem Thema im Laufe des Wahlkampfs massiv geändert. Sicher aus taktischen Gründen, um eine klar andere Meinung als die letzte Administration einzunehmen, aber – wie man jetzt ahnen kann – auch aus sehr egoistischen, monetären Gründen. 

Ich selber habe auch seit langer Zeit Krypto-Assets und habe dies auch immer wieder öffentlich kundgetan. Für mich sind der Bitcoin, Ethereum und Solana eine weitere Asset-Klasse im Portfolio und eine interessante Beimischung. Natürlich versprechen alle Coins unterschiedliches, aber darum geht es mir hier nicht. Die in Summe erfolgreiche Entwicklung der relevanten Krypto-Assets über die letzten Jahre habe ich daher auch sehr wohlwollend verfolgt und persönlich klar profitiert.

Jetzt allerdings gerate ich ins Schwanken. Das Geschehen und die Aktivitäten des aktuellen US-Präsidenten und seines Umfelds sind für mich mehr als verstörend: am Tag vor der Wahl einen eigenen Meme Coin zu starten, als “Wahlversprechen” an die unterstützende Community, Bitcoin als „strategische“ Reserve ins Spiel bringen und damit den Kurs befeuern und vieles mehr. Dieses Verhalten hat nichts mehr mit einer normalen Marktentwicklung und potentiellen Technologiefortschritten zu tun, sondern sieht aus wie ein Selbstbedienungsladen und vielleicht sogar eine Untergrabung des heutigen Geldsystems sowie eine einfache Art der Korruption zur Stärkung der eigenen Macht.

Ich denke also ernsthaft über das Motto „take the money, and run” nach. 

Lilith Wittmann, IT-Expertin und Kolumnistin bei Payment & Banking

Moralisch vertretbar waren Kryptoinvestments noch nie. Nichtmal unbedingt wegen irgendwelcher aktuellen Ereignisse, sondern einfach ganz grundsätzlich finde ich digitale Nachweise über die Verschwendung von eklatanter Mengen Strom als Spekulationsobjekt scheiße. Gleichzeitig stabilisiert man damit eine digitale Währung, welche primär dazu verwendet wird, illegale Geschäfte zu tätigen und Scams durchzuführen.

Vor zehn Jahren fand ich es super, damit so einiges im Darknet einfach und anonym bezahlen zu können. Allerdings steht das für mich heute in keinem Verhältnis mehr zu dem Schaden, den Kryptowährungen in unserer Welt anrichten. Deswegen besitze ich seit vielen Jahren auch keine mehr.

Kryptowährung in Deutschland staatlich zu legitimieren oder darauf basierend sogar staatliche Leistungen anzubieten, ist also in etwa so sinnvoll wie den Bundestag mit alten Autoreifen zu heizen.

Gleichzeitig wird es durch die aktuellen Entwicklungen in den USA noch wichtiger, mehr staatlich gesteuerte öffentliche Aufklärung über digitale Währungen, Panini-Bildchen (NFT) & Co. voranzutreiben. Der Schaden, der durch Betrugsmaschen in diesem Kontext entsteht, ist einfach zu hoch. Umso wichtiger sind deshalb natürlich auch eindeutige politische Signale, dass es sich dabei nicht um legitime oder gar sinnvolle Anlageprodukte handelt. Auch die Debatte um staatliche alternative Kryptowährungen halte ich für nur beschränkt hilfreich.

Nils Heck, Autor bei Payment & Banking 

Die Frage, ob Krypto-Investments moralisch verwerflich sind, ist mit einem klaren Ja zu beantworten. Denn es ist doch so: Kryptowährungen haben zunächst einmal keinen realen Gegenwert in der realen Wirtschaft, sind also per se für mich ohne Wert und damit nicht gleichzusetzen mit anderen Assetklassen wie Immobilien oder Gold, sondern eher mit Spekulationsobjekten wie Uhren, Autos oder von mir aus auch Pokerchips. Nun kann man sagen, dass auch der Kauf einer Uhr nicht moralisch verwerflich ist, doch muss anerkennen, dass es um die Umstände geht. Kaufe ich die Uhr bei einem Uhrmacher, der mir zertifizieren kann, dass daran keine kleinen Kinder geschraubt haben und die Uhr nicht vorher gestohlen und mir dann angedreht wurde, ist das ein vollkommen veritabler Kauf.

Kaufe ich eine Uhr aber auf dem Schwarzmarkt, ohne Steuern zu zahlen und helfe damit, die Mafia zu finanzieren, wäre das verwerflich. Das ist unbestritten. 

Es stellt sich daher die Frage: Welche Art von Spekulationsobjekt oder Uhr ist nun eine Kryptowährung? Auf den ersten Blick sieht es nach einer regulär gekauften Uhr aus, weil dank Begriffen wie „Kryptobörse” oder „Blockchain“ ein legaler Anstrich vorhanden ist. Faktisch ist es aber so, dass es für Kryptowährungen nahezu keine Regulierung gibt und die meisten Meme-Coins (wie der von Donald Trump) schlicht eine Möglichkeit für Verbrecher, Mafiosi und andere Gangster sind, Geld zu waschen oder Geld einzunehmen, um damit ihre illegalen Geschäfte zu finanzieren. Das kann sicherheitspolitisch keinesfalls gewollt sein. Noch dazu unterwandern Kryptowährungen die Idee von staatlichen oder intrastaatlichen Währungen und destabilisieren damit ein etabliertes und wirksames System, das nicht zuletzt für die Lenkung der Wirtschaft elementar ist. Wer in Kryptowährungen investiert, ist deshalb nicht direkt ein schlechter Mensch. Er oder sie aber sollte sich dessen bewusst sein, was sie da fördern und sich überlegen, ob er oder sie damit noch ruhig schlafen kann. 

Maik Klotz, KI-Podcaster und Moderator bei Payment & Banking: 

Moral und Geld standen schon beim ersten Tauschhandel oft im Widerspruch. Die wirklich großen Gewinne werden ohnehin von Unternehmen gemacht, die sich um moralische Standards kaum scheren. Die für mich interessantere Frage ist eine andere: Europa fehlt bislang eine klare Krypto-Strategie. Angesichts der stark USA-zentrierten Entwicklungen und dem Einfluss von Tech-Figuren wie Elon Musk – der sogar einen Kabinettsposten besetzt – sowie einem US-Präsidenten, der Meme-Coins herausbringt, stellt sich weniger die moralische Frage, sondern vielmehr die, wie stark Europa von US-amerikanischen Interessen abhängig sein möchte. Wir sollten uns fragen, was wir den oft unregulierten Entwicklungen aus den USA entgegensetzen können, anstatt uns über die moralischen Fragen der Krypto-Welt den Kopf zu zerbrechen.

Alleine der hohe Energieverbrauch vieler Blockchain-Netzwerke ist ein Problem, und da haben wir die Moral auch auf die Seite gelegt. Und ob Krypto nun besser oder schlechter ist als Investitionen in Unternehmen mit fragwürdigen Arbeitsbedingungen, etwa in einer Kobaltmine der Dritten Welt, muss am Ende jeder selbst entscheiden. Auch wenn jeder moralische Kompass unterschiedlich ist, sollten wir zumindest vermeiden, Kleinanlegern, die 1.000 Euro mit einem Trump-Meme-Coin oder Bitcoin verdient haben, ein schlechtes Gewissen zu machen.

Peter Grosskopf. CTO/COO bei AllUnity und Kolumnist bei Payment & Banking:

Nicht jeder ist davon überzeugt, dass es Blockchains braucht, aber ich denke, dass es sonst noch keine dezentrale, offene, geteilte, öffentliche Datenbank gibt, deren Einträgen man vertrauen kann, obwohl es keinen zentralen Betreiber gibt. Technologisch macht das Sinn und es gibt auch Use Cases, für die Blockchains Sinn machen.

Wenn man von der Kryptoszene spricht, dann sehe ich grob vier Gruppen von Akteuren: 

  • Schwarze Schafe, die schnell reich werden wollen, betrügen, abzocken, Leute hinters Licht führen. 
  • Entwickler, die die Technologie schneller, effizienter, umweltfreundlicher machen wollen. Zu dieser Gruppe zähle ich auch Protokolle und Smart-Contract-basierte Anwendungen, die auf Blockchains aufsetzen.
  • Regulierte (zumindest in den meisten westlichen Staaten) Marktteilnehmer, die die Nachfrage nach Crypto Assets (Kryptowährungen usw.) stillen.
  • Emittenten von Crypto Assets mit Zusatznutzen (z.B. Stablecoins, Kryptowertpapiere).

Versteht mich nicht falsch. Beim Begriff „Schwarzes Schaf“ assoziiert man immer das kleine, vereinzelte, süße schwarze Schaf im Meer von vielen weißen Schafen. In der Krypto-Szene gibt es einige Schwarze Schafe. 

Ja. Donald Trump ist das erste Staatsoberhaupt einer Nicht-Bananenrepublik, das derart stark auf die Kryptoszene zugeht. Der laute Applaus aus der Szene kommt meiner Wahrnehmung nach vor allem daher, dass viele Politiker vorher überproportional negativ auf den Bereich geschaut haben. Gary Gensler beispielsweise hatte in der SEC die Weichen derart einseitig gestellt, dass selbst gemäßigte Leute wie ich nur mit dem Kopf schütteln konnten. 

Teile der Industrie saßen neben Mark Zuckerberg und Co. bei der „Krönung“ von Donald Trump im Raum, aber das finde ich noch einigermaßen normal. Wer sitzt denn so alles im Flieger mit Scholz, wenn es nach China geht? Die Verwicklung von Industrie und Politik verfolgt uns schon seit Jahren, im Guten wie im Schlechten. 

Was mich aber mehr stört als die Annäherung der Szene an Trump, ist die Annäherung von Trump an die Szene der schwarzen Schafe. Wer sein Amt und die damit verbundene Aufmerksamkeit für den Launch eines eigenen Meme-Coins nutzt, der beschmutzt nicht nur das Amt, sondern auch die Teile der Branche, die Gutes im Sinn haben. Ich glaube, das Problem ist nicht die Industrie an sich, sondern der Präsident, der sich in Szene setzt und versucht, persönlich zu profitieren.  

Ja, Blockchains kann man auch nutzen, um schlechte Dinge zu tun, wie einen Meme-Coin zu launchen. Genauso kann man Facebook nutzen, um Fake News zu veröffentlichen; oder Toaster auf Amazon zu verkaufen, die anfangen zu brennen. Bei der Krönung saß auch die Tech-Elite von Amazon und Facebook im Raum. Ist es dann moralisch noch vertretbar, Facebook und Amazon zu nutzen? 

Kilian Thalhammer, Gründer Payment & Banking 

Wir sollten aufpassen, dass durch Pauschalisierung und moralische Überhöhung am Ende alles schlecht gemacht wird. Krypto ist ein weitläufiger Begriff. Bitcoin und der Trump-Coin sind nicht ein und dasselbe Thema.

Was Krypto aber nicht lösen wird, sind die Schwachstellen, die wir als Menschen haben: Wir wollen an den schnellen, großen Erfolg glauben. wir sind FOMO-getrieben.

Damit sind wir am Ende bei den zwei Extremen. Entweder schützen wir den Verbraucher vor sich selbst (durch Regulierung, Verbote moralischer und faktischer Natur) und nehmen damit auch Opportunitäten. Oder wir lassen den Wilden Westen zu, mit Gewinnern und Verlierern. Eigentlich braucht es eine vertretbare Mitte zwischen den beiden Positionen. Aber wo ist die? Gibt es sie überhaupt? Oder muss die nicht jeder mit sich selbst ausmachen?

Autor

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