Wie läuft das zukünftig mit dem Einkaufen (und Bezahlen) im Handel? Eine Frage, die uns auch auf der kommenden PEX bewegen wird. Ein schneller Überblick über die Innovationen im Retail.
Den Wocheneinkauf im Lebensmittelmarkt des Vertrauens zu erledigen, kann schon eine nervenzehrende Sache sein. Produkte suchen und in den Einkaufswagen legen, dann in die Schlange vor der Kasse einreihen, alles wieder auf das Laufband legen. Um dann wieder jedes Produkt noch einmal in die Hand zu nehmen. Kennt jeder, finden viele doof, ist aber das klassische Ritual. Technologisch müsste das aber gar nicht so sein.
Walk-in-Stores und Scan & Go als Innovation im Retail
Der Lebensmitteleinzelhandel bemüht sich bereits seit einiger Zeit, den Einkauf bequemer zu machen und die Wartezeit an den Kassen zu reduzieren. Der „Self-Checkout“ (SCO), den es unter anderem bei Rewe oder Ikea gibt, ist technologisch schon fast ein alter Hut. Die Kund:innen übernehmen dabei schlicht die Aufgaben des Kassenpersonals. Vor einigen Jahren war das mal eine Retail Innovation.
Einen Schritt weiter geht Rewe mit dem Konzept „Scan & Go“. Dabei erfassen die Kund:innen direkt während des Einkaufs die Ware per Handscanner, zeigen am Ende einen Code an der Kasse vor und bezahlen wie gewohnt. Dieses und ähnliche Konzepte sind naturgemäß von der Ehrlichkeit der Kundschaft abhängig. Es darf niemand „vergessen“, seine Ware auch zu scannen. Ein Problem, das sich bei Ikea weniger stellen dürfte. Ein Billy-Regal eben unbemerkt durch die Kasse zu schleusen, ist dann doch eine Herausforderung.
Die Kür bei Komfort und Technik bilden die Konzepte, bei denen die Kund:innen überhaupt nicht mehr scannen müssen. Solche „Walk in“-Stores gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen.
Angefangen hat das 2016 als Amazon erstmals testweise einen Store der Linie „Amazon Go“ vorgestellt hat. Dort muss niemand mehr die Ware scannen. Einfach aus dem Regal entnehmen, dann in den Kassenbereich und „auschecken“. Der Betrag wird dann gleich vom Amazon-Konto abgebucht. Praktischerweise gönnte sich Amazon mit der Übernahme der Supermarktkette „Whole Foods“ auch gleich ein eigenes Experimentierfeld für Handelstechnologien.
Nach einem ähnlichen Konzept funktioniert auch der jüngst von Netto eröffnete Laden in Regensburg.
In den USA hat das Start-up Instacart den smarten Einkaufswagen „Caper“ entwickelt. Dieser erkennt mit Sensoren und Kameras die Ware und addiert diese auf. Angeboten werden auch Modelle, die dann für Frischwaren funktionieren, deren Gewicht ermittelt werden muss. So gesehen, eine Art Hybrid zwischen dem Scannen mittels Leihscanner oder Smartphone und reinen „Walk-In“-Stores.
Retail Innovationen sind teuer
Vor knapp vier Jahren erklärte Amazon seine Technologie für ausgereift und kündigte an, diese auch anderen Handelsunternehmen verkaufen zu wollen. Mehr als vereinzelte Pilotprojekte (etwa mit Starbucks) kam aber nicht heraus.
Der Grund: Im klassischen Retail warten immer noch Aufgaben auf die Entwickler:innen. Die gerade erwähnte Netto-Filiale bietet eine Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern. Damit zählt sie in Deutschland aber eher zu den kleinen Supermärkten. Es ist und bleibt derzeit für die KI noch eine Herausforderung, größere Flächen und Sortimente lückenlos zu erfassen. Und im direkten Vergleich zu einem konventionellen Store ist die Ausstattung mit der Technik auch teurer. In Branchen mit engen Margen wie dem Lebensmitteleinzelhandel will jeder Euro an Investitionen gut überlegt sein. Denn Bequemlichkeit allein wird die Kundschaft nicht dauerhaft in die Filialen ziehen.
Die Kosten sind es wohl auch, warum die smarten Carts von Caper noch längst nicht in jedem Supermarkt der USA stehen. Hierzulande hat das Unternehmen Wanzl bereits auf Messen einen vollkommen autonomen Store präsentiert und hat ebenfalls smarte Wagen im Angebot. Aber auch diese begegnen uns noch eher selten im Alltag – und Wanzl zählt zu den größten Anbietern von Körben und Einkaufswagen in Deutschland.
Autonome Stores sind die Kür
Ihr habt spät Feierabend gemacht und nichts zum Essen im Haus? Dann kommen autonome Stores ins Spiel, die rund um die Uhr geöffnet sind und ohne Personal auskommen. Also quasi ein Späti, aber ohne Personal.
Eines der in Deutschland bekannteren Systeme ist Teo von Tegut. Die Läden müssen zwar aktuell am Sonntag in Hessen geschlossen bleiben, das steht aber auf einem anderen Blatt.
Diese kleineren Formate spielen strategisch bei Supermarktketten eine Rolle. Denn überall dort, wo sich der Betrieb eines größeren Standorts nicht mehr lohnt, könnten sie die Aufgabe der Nahversorgung übernehmen. Und solche autonomen Stores sind nicht auf den Lebensmitteleinzelhandel beschränkt. Bei Würth können sich Handwerksbetriebe dringend benötigte Teile rund um die Uhr besorgen.
Die erwähnte Sensor- und Kameratechnik kann mit der KI-Unterstützung erkennen, welche Produkte aus dem Regal genommen wurden. Sie ist auch in der Lage, die Produkte einer Person zuzuordnen, wenn sich diese durch den Laden bewegt. Aber sie „weiß“ natürlich nicht, wer wir sind. Zum perfekten Walk-In-Erlebnis und auch zum Konzept der autonomen Stores gehört deshalb der Check-in – mit einer App des Unternehmens. Bei den autonomen Stores dient sie zugleich als Eintrittskarte und besitzt auch eine Scanfunktion zur Erfassung der Produkte.
Autorisierung per Gesichtserkennung oder Handflächen-Scan
Sind die Artikel lückenlos erfasst und die Person identifiziert, ist das eigentliche Payment dann reine Routine. Technisch ging die Autorisierung der Zahlung auch per Gesichtserkennung. Ein solches System hat MasterCard vorgestellt. Auch das Bezahlen per Handfläche wäre möglich, wie Amazon mit „Amazon One“ entwickelt hat.
Aber wir sind nun mal in Deutschland. Da hierzulande schon ein innovativer Store in einem Bundesland am Gesetz zu Ladenöffnungszeiten scheitern kann, wird es vermutlich noch ziemlich lange dauern, bis biometrisches Payment flächendeckend ausgerollt werden kann.
Diesem Thema widmet sich ein eigenes Panel auf der Payment Exchange.