Das Verbot von Payment for Order Flow, dem zentralen Baustein des Geschäftsmodells von Neobrokern, rückt näher. Anbieter wie Scalable Capital und Trade Republic suchen nach Alternativen, doch leicht ist das nicht.
Auf der Suche nach Ertragsmöglichkeiten kann man sich als Neobroker schnell mal die Finger verbrennen. Trade Republic etwa, Deutschlands größter Neobroker, muss sich derzeit mit einer Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg wegen Werbung für sein Zinsangebot auseinandersetzen. Die Verbraucherschützer sehen hier eine irreführende Werbung, wie unter anderem Capital berichtet.
Dabei lief das zurückliegende Geschäftsjahr äußerst gut für Trade Republic. Die Anzahl der Kund:innen etwa stieg auf acht Millionen, mutmaßlich auch Dank des Zinsangebots. Dass Trade Republic aber überhaupt auf Tagesgeld und eine Debitkarte setzt, dürfte auch mit einem Verbot zusammenhängen, mit dem sich alle Neobroker in der EU herumschlagen müssen: Bald, in Deutschland ab Sommer 2026, dürfen sie nicht mehr auf Payment for Order Flow (PFOF) setzen.
PFOF-Verbot trifft Neobroker hart
„Das Verbot trifft sie im Kern ihres bisherigen Geschäftsmodells“, sagt Christopher Schmitz von der Unternehmensberatung EY. Durch PFOF verdienen Neobroker an der Platzierung der Order mit. Denn sie können den Handelsplatz und vor allem den Kurssteller (Market Maker) wählen, der ihnen die größte Provision zahlt. Im Gegenzug müssen Kund:innen zwar nur geringe oder keine Order-Gebühren zahlen, wissen aber nicht, ob sie wirklich die Wertpapiere zum besten Kurs bekommen haben. Man kann darüber diskutieren, wie schlimm diese Intransparenz ist, in jedem Fall ist sie ein Grund, warum PFOF in der EU verboten wird. Und sie ist ein Grund, warum Neobroker so kreativ werden bei der Suche nach neuen Erlöskanälen.
„Es geht darum, das Geschäft auszubauen. Das geht durch neue Produkte und durch das Erschließen neuer Märkte“, benennt Schmitz die beiden Möglichkeiten für Neobroker. Trade Republic ist offenbar in Richtung Neobank unterwegs und hat sich bereits 2023 eine Vollbanklizenz besorgt. Das Problem bei dem Weg Richtung Neobank ist laut Schmitz aber, dass man an einem Girokonto erstmal kaum etwas verdient, an den Gebühren bei einer Debit- und Kreditkarte dann schon eher. „Richtig Geld wäre zu holen, wenn man ins Kreditgeschäft einsteigt und Unternehmenskunden bedient“, so Schmitz. Das ist aber kompliziert und bisher eine Domäne der klassischen Banken.
Kund:innen könnten schnell weg sein
Momentan kann man als Kund:in bei Trade Republic nicht viel falsch machen. Die Zinsen sind höher als bei vielen Konkurrenten, der Handel mit Wertpapieren ist günstig. Wenn sich daran aber was ändert, wenn auf einmal die Debitkarte Gebühren kostet, dann wird sich zeigen, ob Trade Republic seine Kundschaft dennoch halten kann. „Neobroker und Neobanken haben in der Regel ein junges Publikum, das gerne auch mal mehrere Konten hat und das recht preissensibel ist“, merkt Schmitz an. Leicht wird es also nicht, sie bei der Stange zu halten.
Bei Scalable Capital geht man bisher einen anderen Weg. Wenn das intransparente Provisionsgeschäft bald verboten ist, warum dann nicht einfach selbst die Kund:innenaufträge abwickeln und das am besten über einen eigenen Handelsplatz? Scalable Capital ist nun gewissermaßen sein eigener Market Maker, verdient also an der Kursspanne. Das Fintech hat im Dezember mit der Börse Hannover die Technologieplattform European Investor Exchange speziell für Privatanleger gestartet.
„Scalable Capital hat eine Größe erreicht, die es ökonomisch ermöglicht, das Geschäft zu vertikalisieren und Depotführung, Börsenhandel, Clearing, Settlement und Custody in die eigenen Hände zu nehmen”, sagt Dirk Urmoneit, Chief Strategy Officer beim Broker, zu Payment & Banking. Er betont, dass das Unternehmen sein Geschäft auch ohne das PFOF-Verbot in diese Richtung weiterentwickelt hätte.
Marktkonsolidierung erwartet
Nun wolle Scalable Capital sich weiter auf den Ausbau seiner Plattform konzentrieren. Neukund:innen eröffnen automatisch dort ihr Depot und nicht mehr beim Kooperationspartner Baader Bank. Bestandskund:innen erhalten nach Zustimmung zu den neuen AGBs neben ihrem bestehenden Depot auch ein Scalable-Depot.
Die Wertschöpfungskette zu verkürzen, dürfte für Neobroker aber auf Dauer nicht ausreichen, schätzt Unternehmensberater Schmitz. Dessen scheint man sich auch bei Scalable Capital bewusst zu sein. Ebenfalls im Dezember legte das Fintech einen mit der DWS entwickelten Welt-ETF auf. Der habe bereits ein Fondsvolumen von 100 Millionen Euro erreicht, sagt Urmoneit. Zudem hat die Firma einen Antrag bei der Finanzaufsicht gestellt, auch selbst Einlagen annehmen zu dürfen.
Experte Schmitz rechnet darüber hinaus mit einer Marktkonsolidierung. „Wir brauchen in Deutschland schlicht keine zehn Neobroker“, meint er. Er rechnet mit Übernahmen und Fusionen in der Branche, auch ausgelöst durch Private-Equity-Firmen. Die ersten Anzeichen gibt es bereits: Im November vergangenen Jahres kaufte das Private-Equity-Haus Inflexion das Finanzportal Finanzen.net inklusive Neobroker. Der Unternehmenswert soll bei 400 Millionen Euro gelegen haben. „Investoren finden die Branche also nach wie vor spannend“, so Schmitz. Es dürfte also interessant werden, welche Produkte die Broker als nächstes auf den Markt bringen und wer die kommenden 1,5 Jahre überleben wird.