One more thing – das niemand braucht

Nils nörgelt

Die Apple Vision Pro soll die nächste Revolution sein, möglicherweise auch im Banking oder beim Trading. Ich sag mal so: Das ist das Dümmste, was ich dieses Jahr gehört habe.

Die „Apple Vision Pro” ist – keine Frage – das meistdiskutierte Technik-Gadget der vergangenen Wochen. In den USA löste sie trotz des völlig überzogenen Preises von 3500 US-Dollar einen kleinen Hype aus und massenweise Nerds, Apple-Fanboys und Techniktester fluteten Youtube mit ihren Videorezensionen, die mal mehr und mal weniger hilfreich sind. Jedenfalls geizt Apple nicht damit, was der Nutzer mit dem Ding nicht alles können soll: Filme schauen, die Welt bereisen und sogar Videokonferenzen sollen möglich sein. Ja Mensch, das geht ja heute noch gar nicht mit einem iPhone, Laptop oder halt einfach vor Ort. 

Und selbst wenn das jetzt durch diese Brille cooler aussieht: Warum sollte ich, um mal schnell durch Instagram zu scrollen, mir erst dieses Monstrum aufziehen und dann versuchen, mit meinen Augen (!) quer durch mein Wohnzimmer zu navigieren. Noch nerviger: Die Suchfunktion lässt sich laut Apple per Sprache steuern, was folglich dazu führt, dass ich in meinem Büro bald laut „Siri, öffne Bild.de” schreien muss. Peinlich, peinlicher, Apple Vision Pro – und als vierte Steigerung dann noch die Leute, die das Ding wirklich als Revolution beschreiben, obwohl es faktisch kein größeres Problem löst. 

Apple Vision Pro für Vermögensverwaltung: Ein schlechter Scherz

Noch dämlicher wird es, wenn die Leute dann anfangen, mir erzählen zu wollen, dass auch das Banking oder Trading dank der verkappten Skibrille zu einem ganz anderen Erlebnis werden könnte. In einem Blog schreibt der CCO des Fintechs Reworth tatsächlich, die Apple Vision Pro könne die Vermögensverwaltung neu definieren. „Berater könnten 3D-Objekte aus einer App herausziehen und komplexe Finanzkonzepte anhand von interaktiven 3D-Modellen diskutieren.” Oder: „Stellen Sie sich vor, ein Kunde könnte virtuell durch sein Portfolio gehen, die Proportionen seiner Anlagen in einem physischen Raum sehen und in Echtzeit mit ihnen interagieren. Dadurch könnten Finanzdaten und Anlagestrategien für den Kunden verständlicher und ansprechender werden, was zu besseren Finanzentscheidungen führen könnte.”

Wie schlimm sieht euer Leben denn aus, wenn DAS ein Erlebnis ist? 

Wer das liest und nur den Kopf schüttelt, ist absolut auf dem richtigen Dampfer. Wie soll es denn bitte helfen, wenn ich mein Portfolio begehen kann? Da links ist der Gold-Wald und da rechts die Aktien-Wasserfälle? Was für eine saudämliche Vorstellung und noch dazu eine unpraktikable. Wer sich ernsthaft mit Finanzen auseinandersetzt, will diese doch gut aufbereitet und übersichtlich auf Papier oder einem Laptop sehen, sortiert und zum durchscrollen. Wo soll der Mehrwert darin liegen, sowas in 3D zu „erleben”? Und überhaupt: Wie schlimm sieht euer Leben denn aus, wenn DAS ein Erlebnis ist? 

Apple Vision Pro für Banking: Kein zusätzlicher Nutzen

Besonders anschaulich wird diese Absurdität in diesem Video, das ich hier verlinke. Darin zeigt die laut eigenen Angaben „weltweit einzige UX-Agentur, die sich ausschließlich mit dem Design digitaler Finanzdienstleistungen der nächsten Generation beschäftigt”, wie sie sich das mit der Apple-Brille vorstellt. Und wer das Video ein paar Minuten schaut, stellt fest: Das sieht alles GENAUSO AUS WIE AUF MEINEM GOTTVERDAMMTEN LAPTOP, nur dass es halt total zufällig in den Raum projiziert ist. Es ist genau so unübersichtlich und feiert genau so unnötige Erfolge wie vorher, nur dass es jetzt halt doppelt so groß ist. Das ist keine Revolution, das ist keine Evolution, das ist Rückschritt. 

Noch schlimmer wird die Argumentation dann nur, wenn Leute wie dieser CCO behaupten, die „Apple Vision Pro” könnte die Markteintrittsbarrieren in den Aktienmarkt für Menschen senken. Er schreibt tatsächlich: „Darüber hinaus könnte der Apple Vision Pro den Handel für eine breitere Bevölkerungsschicht zugänglicher machen. Das Gerät könnte die Einstiegshürde senken, indem es die Handelsplattformen intuitiver und interaktiver macht und so den Zugang zu den Finanzmärkten demokratisieren könnte.” Ich kann dazu eigentlich nur zwei Worte schreiben: RED FLAG. Und auch wer zwei Sekunden darüber nachdenkt, wird merken, dass diese Sätze absoluter Bullshit sind. Wo soll eine 3500 US-Dollar-Brille eine DEMOKRATISIERUNG des Aktienmarkts sein? Weiß dieser Mann, dass das Nettogehalt eines ganzen Haushaltes für einen Monat in Deutschland ist? Noch dazu ist es ja völlig absurd zu glauben, die Menschen würden sich diese Brille kaufen, anstatt einfach auf ihrem sowieso vorhandenen Smartphone zu traden, wo die Barrieren auch schon winzig sind. 

Apple Vision Pro: Ein vorprogrammierter Flop

Diese Brille wird folglich ein Flop fürs Banking und mutmaßlich auch für alle anderen Anwendungen werden, da wette ich meinen Hut drauf. Vielleicht erübrigt sich die ganze Diskussion aber sowieso. In den USA haben nämlich massenweise Nutzerinnen und Nutzer begonnen, ihre “Skibrille für Dummies” wieder abzugeben. Der offizielle Grund: körperliche Beschwerden. Wenn ihr mich fragt, war den Leuten das Ding aber einfach peinlich und sie kommen so möglicherweise schneller an die verlorenen 3500 US-Dollar. So oder so: Apple Vision No. 

Autor

  • Nils Wischmeyer ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Wirtschaftswoche und die brandeins. An der Finanzbranche findet er (fast) immer was zum Nörgeln.

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