Lange war die Kundschaft zwischen den Fintech-Stars klar aufgeteilt. Doch bald könnte der Kampf um Kund:innen eskalieren. Einer hat aktuell die Oberhand.
Ob Zinsen für Girokonto oder Tagesgeld, oder bei den Gebühren für den Kauf von Wertpapieren: So mancher Unterschied zwischen Trade Republic und N26 lässt sich nur noch hinter einem Sternchen bei den Gebühren erkennen. Und das hat durchaus seine Gründe. Denn während der Neobroker immer weiter in das Geschäftsfeld von N26 vordringt, so versucht es die Neobank auch umgekehrt. Es ist der große Konkurrenzkampf zweier deutscher Fintechs, auch wenn sie das selbst so nicht öffentlich kommunizieren wollen. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt: Der Kampf scheint unausweichlich. Nur wie ist es überhaupt soweit gekommen?
Trade Republic und N26 sind sowas wie die deutschen Fintech-Überflieger des vergangenen Jahres. Beide haben ihre Anfänge vor gut zehn Jahren gemacht. N26, das war 2013 mal diese verrückte Idee von Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal in Berlin. Banking sollte einfacher werden, digitaler als es etablierte Banken anboten, so ihre Vision. Und Trade Republic, das war kurze Zeit später der gleiche Ansatz für den Handel mit Wertpapieren: kostengünstiger, einfacher und übersichtlicher sollte das alles werden, nahmen sich die drei Gründer Christian Hecker, Thomas Piscke und Marco Cancellieri vor.
Vorteile für Trade Republic
Es sind die beiden Firmengeschichten, die unterschiedlichen Herangehensweisen, die nun dem einen Fintech den ein oder anderen Vorteil gegenüber dem anderen einräumen. „Trade Republic hat eine eigene Vollbanklizenz, die haben alles selbst gebaut“, sagt Fintech-Experte Wesselin Kruschev von der Unternehmensberatung Capco. Ohnehin sei es für Neobroker einfacher, in Richtung Banking zu gehen als umgekehrt. N26 wiederum müsse für sein Angebot des Wertpapierhandels auf Partner setzen. Man kann das also so zusammenfassen: Für Trade Republic ist es derzeit einfacher in die Welt von N26 vorzustoßen als umgekehrt.
Hinzu kommt ein weiterer Vorteil für den Neobroker. Er hatte laut Capco-Experte Kruschev weniger Auseinandersetzungen mit der Aufsicht. Immer wieder griff die Bafin bei N26 ein, verhängte Geldstrafen, weil sie Mängel bei der Geldwäschebekämpfung sah, setzte einen Sonderbeauftragten ein und ordnete eine Grenze zur Aufnahme von Neukund:innen an, die erst im vergangenen Jahr fiel.
All das macht sich auch in den zuletzt veröffentlichten Geschäftszahlen deutlich: Acht Millionen Kund:innen hat Trade Republic, wie berichtet, nun. Ihre Anzahl hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt. Das über die Plattform verwaltete Vermögen stieg zuletzt auf 100 Milliarden Euro. Was die Zahlen umso bemerkenswerter macht: Laut Deutschem Aktieninstitut sank die Zahl der Aktionär:innen in Deutschland um 180.000. Trade Republic konnte also in einem geschrumpften und damit mehr umkämpften Markt wachsen. Möglich dürfte das auch die neue Debitkarte machen, mit der Trade Republic wirbt und mit der das Fintech in den Gefilden von N26 wildert. Rund und zwei Millionen Kundinnen und Kunden sollten die Karte schon angefordert haben, hieß es dazu erst Anfang Januar.
Frisst die Revolution ihre Kinder?
„In ganz Europa entsteht eine neue Generation von Sparern am Kapitalmarkt, die ihr Geld selbst in die Hand nimmt“, erklärte Trade-Republic-Gründer Hecker Anfang des Jahres: „Ein Großteil dieser Kunden startet diesen Weg bei Trade Republic.“ Es sind recht deutliche Worte, die Hecker da gewählt hat. In der Vergangenheit war es eher N26-Gründer Stalf, der mit klaren Aussagen auf sich aufmerksam machte.
Zum Vergleich: Die Neobank darf erst seit Juni 2024 wieder unbegrenzt neue Kund:innen aufnehmen. 4,8 Millionen etragsrelevante Kundi:nnen dürfte das Fintech Ende des Jahres gehabt haben, so lautete, wie berichtet, im November noch die eigene Prognose. „2024 war das bisher beste Geschäftsjahr von N26. Dieses Momentum wollen wir weiter ausbauen“, teilt die Neobank nun gegenüber Payment & Banking mit. Über Trade Republic will man sich nicht äußern, das mache N26 grundsätzlich nicht bei anderen Unternehmen der gleichen Branche. Immerhin aus der Aussage „gleiche Branche” lässt sich aber interpretieren, dass man den Neobroker durchaus ernst nimmt. Trade Republic wiederum äußerte sich gar nicht auf Fragen zu N26.
Am Ende sind in dem Kampf um neue Kund:innen noch deutlich mehr Parteien involviert. Scalable Capital, Revolut und zahlreiche Direktbanken schauen auf die gleiche Gruppe. „Die Fähigkeiten, in diesem Markt Geld zu verdienen, sind nicht unendlich groß und wer alle Quellen anzapft, landet automatisch bei ähnlichen Geschäftsmodellen“, warnt daher auch Experte Kruschev. Noch gelte zwar die alte Weisheit: Konkurrenz belebt das Geschäft. „Aber die Konsolidierung im Markt wird kommen. Ich gehe davon aus, dass einige große Anbieter die kleineren Neobroker und Neobanken aufkaufen werden.“ Vielleicht also entwickelt sich in den kommenden Jahren auch ein neu geformter Fintech-Riese. Und Trade Republic sowie N26 haben dann ganz andere Probleme.