„Müssen jetzt Weichen für einen zukunftsfähigen Finanzstandort Deutschland stellen“

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Die Bundestagswahl steht unmittelbar bevor, der Wahlkampf der Parteien befindet sich im Endspurt. Viele Wähler sind sich noch unsicher, wo sie am Sonntag ihr Kreuzchen setzen sollen. Wir haben unterdessen Akteure der Branche gefragt: „Was wünscht ihr euch in der kommenden Legislaturperiode von der neuen Bundesregierung?“ Welche Rolle spielt Bargeld dabei? Die Wunschliste an die kommende Regierung veröffentlichen wir täglich an dieser Stelle.

Gastbeitrag von Julia Martens, Director Operations & Risk bei viafintech

Der Bargeldkreislauf ist ein komplexer Prozess, der im Wesentlichen als die Ausgabe und Bearbeitung von Bargeld beschrieben werden kann. Die Verantwortung dafür liegt bei der Deutschen Bundesbank. Das Problem daran: Es sind viele verschiedene Parteien involviert, vom Druck über die Logistik mittels Werttransporten bis hin zu der Qualitätsprüfung nach Rücknahme, welche die Kosten der Bargeldnutzung erhöhen und einen bedeutsamen CO2 Abdruck hinterlassen. Durch den Trend hin zur Urbanisierung wird der Erhalt einer flächendeckenden Infrastruktur zunehmend teurer. Und er wird ineffizienter, dies gilt übrigens für Geschäftsbanken gleichermaßen wie für die Zentralbanken.

Nach wie vor ist der Betrieb einer flächendeckenden Bargeldinfrastruktur jedoch zwingend erforderlich. Insbesondere deswegen, um im Krisenfall handlungsfähig und liquide zu sein. Ein entsprechendes Positionspapier der neuen Bundesregierung zu diesem Thema wäre dringend notwendig. Wir beteiligen uns gerne aktiv daran! Die Wirtschaft wird bei diesen Prozessen, die sie direkt betreffen, noch zu wenig eingebunden – vielleicht kann die neue Bundesregierung hier besser agieren.

Bargeldversorgung ist im Sinne der Inklusion wichtig

Unser Geschäftsmodel bei viafintech basiert auf der Verbindung von Bargeld und moderner Technologie. Wir stellen die größte bankenunabhängige Zahlungsinfrastruktur in Europa dar, die Ein- und Auszahlungen von Bargeld per Barcode an der Ladenkasse ermöglicht. Im Hintergrund arbeiten wir mit einer Bank zusammen, die den Zahlungsverkehr betreibt. Mit dem Produkt Barzahlen/viacash haben wir eine Disruption des Bargeldkreislaufs erreicht und dessen Effizienz gesteigert. In der Zukunft werden wir unser wachsendes Netzwerk von aktuell über 20.000 POS nutzen, um unseren B2B Kunden und den Verbrauchern vereinfachten Zugang zu verschiedensten Finanzdienstleistungen über unsere technische Plattform anzubieten.

Es braucht eine funktionsfähige und effektive Bargeldversorgung, um verschiedene Bevölkerungsgruppen nicht abzuhängen. Diese müssen aus verschiedenen Gründen darauf zurückgreifen, um am sozialen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Betroffen ist beispielsweise regelmäßig die ländliche Bevölkerung, die teils aufgrund des demographischen Wandels im Durchschnitt älter ist. Sie ist durchaus besonders auf Barzahlungsmethoden angewiesen. Auch jüngeren Teilen der Bevölkerung ohne Zugang zu einem Bankkonto und der damit verbundenen Nutzung von Kreditkarten oder konto- bzw. kartenbasierten digitalen Zahlungsmethoden, muss die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich bleiben. Letztlich dürfen sozial Schwächere, die statistisch nachweislich die eigenen Finanzen maßgeblich in Bar handhaben, weiterhin nicht von der Gesellschaft durch mangelnde Inklusion abgehängt werden.

Bargeldsystem wird Anforderungen der Gesellschaft nicht gerecht

Mit unserem Produkt wird die Inklusion aller Teile der Bevölkerung und deren Partizipation am gesellschaftlichen Leben gefördert. Die Kosten von Bargeldtransaktionen für Unternehmen und Verbraucher sowie der ökologische Fußabdruck werden gesenkt und die Effizienz des Systems wird gesteigert. Im Zuge der Europäisierung und des Angebots des alternativen Zahlungssystems außerhalb Deutschlands, haben sich Überregulierung, Überbürokratisierung, Intransparenz und mangelndes Verständnis für die sogenannte „new economy“ gezeigt, welche die Entwicklung des Finanzsektors insgesamt verlangsamen.

Auch das exponentielle Wachstum bei der Abwicklung von Transaktionen über digitale Bezahlmethoden unter anderem in Folge der zunehmenden Digitalisierung des Handels trägt zu diesem Effekt bei, da das System nicht die geplante Auslastung erfährt. Das aktuelle Bargeldsystem wird den heutigen Bedürfnissen der Verbraucher nicht vollumfänglich gerecht. Die traditionelle Barzahlungsmethode ermöglicht keine Interaktion zwischen analoger und digitaler Realität.

Als Unternehmen schließen wir diese Lücke und ermöglichen die Nutzung von Bargeld im Online Retailhandel und den Zugang zu neuen Finanzmarktakteuren wie Neo-Banken ohne Filialnetz und anderen Fintechs, die ihre Produkte ausschließlich Online anbieten.

Erwartungen an die neue Bundesregierung


Als internationales Fintech im regulierungsnahen Umfeld sind wir häufig mit Themen der Finanzmarktregulierung konfrontiert und damit, dass sie in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union unterschiedlich gehandhabt werden. Es fällt auf, dass das Regulierungsumfeld in den letzten Jahren nicht in dem Maße innovationsfreundlicher geworden ist, wie es der Fortschritt durch neue Technologien und Marktteilnehmer mit neuen Geschäftsmodellen erfordern. Deutschland als Finanzstandort verliert dadurch an Attraktivität, Stabilität, Eigenständigkeit und Zukunftsfähigkeit.

„Es die Aufforderung an die neue Bundesregierung, den „stakeholder approach“ zu forcieren und auf die Bedürfnisse der Bürger einzugehen. In diesem Fall werden die Stakeholder von den regulierten Instituten, den (teils noch) unregulierte Marktakteuren und den Verbrauchern dargestellt.

Daher wünschen wir uns von der neuen Bundesregierung ein tatsächliches Ende des „Weiter so“ und das Stellen der Weichen für einen zukunftsfähigen Finanzstandort Deutschland. Dazu bedarf es eines europaweit harmonisierten Regulierungsrahmens, eines stärker risikobasierten Ansatzes bei der Aufsicht von Finanzmarktteilnehmern, eine Verjüngung der Aufsicht durch Digitalisierung der Verwaltungspraxis, den Abbau von Bürokratie, eine stärkere Einbindung der Marktteilnehmer in die Lösung regulatorischer Herausforderungen und die stärkere Berücksichtigung der Verbraucherinteressen.

Die neue Regierung muss eine aktive Rolle spielen

Auf Neudeutsch ist es die Aufforderung an die neue Bundesregierung, den „stakeholder approach“ zu forcieren und auf die Bedürfnisse der Bürger einzugehen: In diesem Fall werden die Stakeholder von den regulierten Instituten, den (teils noch) unregulierte Marktakteuren und den Verbrauchern dargestellt. Generation Y, Z und Alpha sind übrigens wichtige Verbraucher, die von der Politik häufig nicht angemessen berücksichtigt werden. Das auch, weil sie nicht das Gro der Wählerschaft ausmachen. Es sind jene Generationen, die heute noch nicht in den Machtzentren sitzen oder schlicht zu jung sind zum Wählen. Es braucht eine Politik für die Generationen der Zukunft, statt den Erhalt des Status Quo. Das Bedürfnis besteht dabei nicht in einem gänzlich unregulierten Umfeld, Vielmehr bedarf es eines stabilen Finanzsektors, worin alle Teile der Gesellschaft miteinander agieren können und die Chancen für den allgemeinen Wohlstand der Marktteilnehmer gefördert wird.

Die neue Bundesregierung muss dazu eine aktive Rolle in der Förderung von Innovation im Finanzsektor spielen. Sie muss auch die aktive Gestaltung der Finanzmarktregulierung auf europäischer Ebene und die Harmonisierung der Verwaltungspraxis übernehmen. Letztlich muss sie sich insbesondere nach der Pandemie einer nachhaltigen Finanzmarktstabilität widmen. Dazu gehört für uns neben der risikobasierten Regulierung auch den systemrelevanten Faktor Bargeld als Zahlungsmittel zu berücksichtigen.

Über die Autorin:

©Laessig

Julia Martens verantwortet den Aufbau des Operations & Risk Departments im Headquarter. 
Bevor sie als Compliance Managerin bei viafintech eingestiegen ist, um neue Prozesse zu entwickeln, die Organisationsstrukturen zu stärken und die regulatorische Konformität des Produkts sicherzustellen, hat sie drei Jahre Erfahrung in der Wirtschaftsprüfung und regulatorischen Beratung im Banken- und Finanzdienstleistungsbereich bei Deloitte gesammelt.

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Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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